Sport
Champions League

Das Lolli-Wunder von Sofia: So haben wir uns ganz ohne Geld zu zwei Champions-League-Tickets getauscht 

Die Startausrüstung: Ein watson-Kit und der Stadtplan von Sofia.
Die Startausrüstung: Ein watson-Kit und der Stadtplan von Sofia.Bild:
watson in Bulgarien

Das Lolli-Wunder von Sofia: So haben wir uns ganz ohne Geld zu zwei Champions-League-Tickets getauscht 

Am Ende reist der FC Basel nach einer bitteren Last-Minute-Pleite ohne Punkte aus Bulgarien heim. Wir haben trotzdem etwas zu feiern: Die verrückte Story, wie wir uns mit einem Schleckstängel zu zwei Champions-League-Tickets getauscht haben.
23.10.2014, 10:3823.10.2014, 14:45
Alex Dutler
Folge mir
Mehr «Sport»

Wer kennt sie nicht, die Geschichte dieses krassen Kanadiers, der sich durch gute Tauschgeschäfte ganz ohne Geld von einer roten Büroklammer bis zum Einfamilienhaus geschachert hat? Ein Jahr und 14 Hammer-Deals soll er dafür benötigt haben. Heute hält er hochdotierte Verkaufsvorträge.

Geht das wirklich, ist das machbar – oder doch nur eine gute Marketing-Legende? Der Gedanke fesselt mich schon lange. Rund um das Champions-League-Gastspiel des FC Basel bei Ludogorez Rasgrad will ich es selbst versuchen.

Mit dem watson-Kit in die Champions League

Meine Mission: Bewaffnet mit dem watson-Kit – einem Bag mit Postern, Schleckstängeln und anderen lustigen Tools – gehe ich in Sofia auf die Pirsch nach guten Tauschgelegenheiten. Rund 30 Stunden beträgt mein Zeitbudget bis zum Anpfiff im Wassil-Lewski-Nationalstadion. Bis dahin will ich mich mit den Utensilien aus dem watson-Kit zu einem Champions-League-Ticket hochtauschen. Geld darf ich dabei nur für meine normalen Unkosten aufwenden, nicht aber für die Herausforderung.

Ein Kollege aus der Wirtschaftsecke, dem ich von meiner Bieridee berichte, warnt mich vor dem Abflug: «Das wird nicht klappen, wir sind keine Tauschgesellschaft mehr. Ohne Kohle läuft heutzutage nichts.» Mein Chef, der alte Sparfuchs, ist da schon enthusiastischer: Er packt den Tauschbeutel höchstpersönlich.

Guckt streng, aber ist trotzdem optimistisch: Hansi Voigt packt das watson-Kit für Sofia persönlich.
Guckt streng, aber ist trotzdem optimistisch: Hansi Voigt packt das watson-Kit für Sofia persönlich.bild:watson

Stella macht mich zur Schnecke

In Sofia lande ich gleich zweifach. Erst auf dem Rollfeld des Flughafens und danach bald auf dem harten Boden der Realität. Stella, die Vermieterin meines Appartements, kennt mich noch keine zwei Minuten, doch das interessiert sie nicht. Mit dem Zeigefinger fuchtelt sie aufgeregt vor meiner Nase herum und macht mich richtig schön zur Schnecke: «Oh, nein, oh, nein! Das war ganz dumm von dir!»

«70 Lev?! Das sind 35 Euro! Dafür fahre ich bis nach Griechenland.»
Stella

Der Grund? Ganz einfach: Der nette Taxifahrer hat mich beim Transfer vom Flughafen zur Stadt offenbar gröber abgezockt. «70 Lev?! Das sind 35 Euro! Dafür fahre ich bis nach Griechenland», schimpft Stella. Ich fühle mich wie ein dummer Schulbube, der gerade sein ganzes Znünigeld für Panini-Bildchen verjubelt hat – solche, die er schon alle doppelt hat.

Ich packe die Gelegenheit und biete Stella einen Schleckstängel an: «Möchtest du den haben? Was kannst du mir dafür zum Tausch anbieten? Ich will kein Geld.» Sie verstummt und guckt mich stirnrunzelnd an. «Gib mir zwei Minuten», murmelt sie schliesslich und verschwindet durch die Tür.

Keine Ahnung, ob es Mitleid oder Schicksal ist, doch wenig später ist mein erster Deal schon unter Dach und Fach. Stella hat eine Flasche Rotwein besorgt und tauscht sie gegen den Lolli ein. Als sie das Appartement verlassen hat, mache ich die Becker-Faust.

Hier sieht Stella ziemlich freundlich aus, doch das täuscht gewaltig! Kurz zuvor hat sie mich noch fies zur Schnecke gemacht.
Hier sieht Stella ziemlich freundlich aus, doch das täuscht gewaltig! Kurz zuvor hat sie mich noch fies zur Schnecke gemacht.Bild: watson

Die meisten Menschen halten mich für total bekloppt

Motiviert erkunde ich danach die Stadt. Die Strassen sind mit lustigen Schildern in kyrillischer Schrift vollgepflastert – nach fünf Minuten habe ich mich verlaufen. Egal. Ich atme drei Mal tief durch und nehme meinen ganzen Mut zusammen. Dann beginne ich damit, wildfremde Leute anzusprechen und nach Tauschgut zu fragen.

Schnell kristallisiert sich ein einfaches Muster heraus: Die meisten Menschen halten mich für total bekloppt. Besonders Deals mit älteren Personen kann ich mir offenbar gleich abschminken. Entweder wir scheitern an der Sprachbarriere, oder sie haben das Gefühl, ich möchte sie ganz einfach bescheissen.

Nach zwölf Abfuhren in Serie ist meine Zuversicht bereits auf die Grösse der Stammplatzchancen von Xherdan Shaqiri bei den Bayern gesunken: Irgendwo zwischen winzig und gar nicht mehr vorhanden. Slavinia und Vassil retten mich. Sie sind beide Mitte zwanzig und in einem Park gerade in eine ernsthafte Knutscherei verwickelt. Über Luna, ihren Hund, zettle ich trotzdem ein Gespräch an. Vassil gefällt meine Geschichte. Er will auch einen Schleckstängel haben und besorgt dafür eine Halbliterflasche Bier an einer nahegelegenen Bar. Leider ist die Flasche offen, so kann ich sie nicht als Tauschgut verwenden. «Kein Problem, dann trinkst du die», sagt er – und holt mir eine zweite, die noch verschlossen ist.

Slavinia, Vassil und Luna lassen zwei Bier für einen watson-Lolli springen. Der Koch im Hintergrund sieht einfach nur gut aus.
Slavinia, Vassil und Luna lassen zwei Bier für einen watson-Lolli springen. Der Koch im Hintergrund sieht einfach nur gut aus.Bild: watson

Beschwingt vom Gerstensaft ziehe ich weiter und trete rund um die Uni eine bemerkenswerte Glückssträhne an. Innert einer guten Stunde ertausche ich mir mit dem watson-Kit eine Limone, eine Tasse und ein Iphone-Ladekabel. Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich im Stadion schon in der Ehrenloge sitzen.

Mikaela und Viara tauschen ein Iphone-Ladekabel gegen zwei hübsche watson-Poster – alle sind happy. 
Mikaela und Viara tauschen ein Iphone-Ladekabel gegen zwei hübsche watson-Poster – alle sind happy. bild: watson

Dann wird es wieder zäh. Und wie! Für viele Leute ist mein Anliegen einfach zu absurd. Sobald ich ihnen mein Tauschgut zeige, winken sie befremdet ab. Wenn sie doch einmal zuhören, dann haben sie meistens keine Dinge dabei, von denen sie sich trennen mögen. Irgendwann lasse ich mir von einem Hippie-Pärchen einen herzförmigen Stein andrehen, nur um mal wieder ein kleines Erfolgserlebnis zu haben.

Nicht der beste Tausch: Ein herzförmiger Stein aus Griechenland gegen einen watson-Lolli.
Nicht der beste Tausch: Ein herzförmiger Stein aus Griechenland gegen einen watson-Lolli.bild: watson

Andrew braucht nur Bücher und Blowjobs

Als es dunkel wird, bin ich endgültig gelackmeiert. Die Menschen verziehen sich in die Bars. Und dort bin ich mit meiner Weinflasche und dem Bier nicht gern gesehen. In den finsteren Parks sitzen nur noch zwielichtige Gestalten und einige Paare, doch die sind vollständig mit dem Austausch ihrer Körperflüssigkeiten beschäftigt.

«Ich brauche eigentlich nur ein neues Buch – oder einen Blowjob. Wie sieht es damit aus?»
Andrew

Langsam vergeht mir der Spass. Zum Abschluss versuche ich mein Glück in einer Jugendherberge, dem «Art Hostel». Im Garten treffe ich Andrew, einen australischen Architekten. Er ist schon ein bisschen angetrunken und ich wittere das grosse Geschäft. Nach zwanzig Minuten Smalltalk zeige ich ihm mein Angebot: Den Wein, das Bier und die vielen schönen watson-Sachen. Andrew sagt: «Ich brauche eigentlich nur ein neues Buch – oder einen Blowjob. Wie sieht es damit aus?» Da ich beides nicht im Angebot habe, mache ich kurz nach Mitternacht Schluss.

Die Hoffnung schwindet

Am nächsten Morgen trifft mich der Demotivationshammer mit voller Wucht. Zwar ist meine Krimskrams-Sammlung ganz hübsch anzusehen, doch der Anpfiff rückt bedrohlich näher und das begehrte Ticket scheint unerreichbar fern.

Da hilft es auch nicht, dass ich geschlagene drei Stunden auf meinen ersten Deal des Tages warten muss. An einem Flohmarkt tauscht ein Händler einen UdSSR-Flachmann gegen mein Bier. Immerhin.

Ein leerer Flachmann gegen ein volles Bier. Immerhin wieder einmal ein Erfolgserlebnis.
Ein leerer Flachmann gegen ein volles Bier. Immerhin wieder einmal ein Erfolgserlebnis.bild: watson

Ich versuche die Fussballfans zu finden. Doch von den mitgereisten Baslern gibt es keine Spur. Und da auch Ludogorez nur hier in Sofia spielt, weil ihr eigenes Stadion nicht der Uefa-Norm entspricht, sind auch die Heimfans noch nicht in der Stadt. Ich tausche ein watson-Feuerzeug gegen eine Schachtel Schokolade ein, doch bald muss ich mich mit dem Gedanken anfreunden, dass ich scheitern könnte. Es wird merklich dunkel und kühl.

Der Showdown am Stadion

Gegen 20 Uhr gehe ich mit meinem Tauschkram am Stadion in Stellung und versuche, wenigstens noch einen Fanschal zu ergattern. Doch die Bulgaren sind bei diesem Thema offenbar ziemlich verkrampft. Ein Halbstarker sagt, ohne mit der Wimper zu zucken: «Dieser Schal ist ein Geschenk von meinem Vater. Wenn ich ihn dir gebe, dann müsste ich dich danach töten.» Na dann lassen wir das lieber.

Einigermassen entmutigt beobachte ich die Schwarzhändler, welche ihre letzten Tickets anpreisen. Ich suche das Gespräch, doch sie wollen nichts ausser Geld. Die Minuten verrinnen unerbittlich. Ich nehme die Weinflasche, mein bestes Tauschstück, in die Hand und beginne, sie wahllos allen Leuten anzubieten. Ich fühle mich wie ein Vollidiot.

Aus dem Stadion ertönt schon die berühmte Champions-League-Hymne. Leicht panisch strecke ich meinen Wein drei jungen Typen entgegen. An das folgende Gespräch erinnere ich mich kaum, doch am Ende drücken mir Premyslaw, Kamil und Keran gleich zwei Tickets in die Hand.

Die Erlösung: Drei Jungs tauschen zwei Tickets gegen eine Flasche Wein.video: watson

Sie nehmen dafür nur den Wein. Den Flachmann, das Iphone-Kabel, die Tasse und den ganzen restlichen Kram soll ich behalten. So gesehen, habe ich mir die beiden Tickets mit dem einen watson-Lolli von Stella, meiner strengen Vermieterin, ertauscht. Da hätte ich mir den Rest der Odyssee ja sogar schenken können. Ich verscheuche den Gedanken, klatsche meine drei Retter ab und spurte zum Stadioneingang.

Mehr zum Thema

Drinnen lasse ich mich auf meinen Sitz fallen und bekomme das Grinsen minutenlang nicht mehr aus dem Gesicht. Ich liebe Fussball. Ich liebe Tauschen. Und das watson-Kit hat es bis in die Champions League geschafft. 

Drin! Und noch ein zusätzliches Ticket als Souvenir.
Drin! Und noch ein zusätzliches Ticket als Souvenir.bild: watson
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
8 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Quool-Put
23.10.2014 11:06registriert Januar 2014
Das ist Weltklasse, Alex!
Hat sonst jemand schon mal sowas gemacht? Sich etwas ertauscht? (Ausser Bier gegen Güff?)
211
Melden
Zum Kommentar
8
B-Girl Jazzy Jes will an die Breakdance-WM
Am 20. April messen sich in der Halle 622 in Zürich die besten Breakdancerinnen und Breakdancer der Schweiz am Red Bull BC One Cypher und tanzen um den Einzug in die Weltmeisterschaft im Dezember in Rio de Janeiro. Ebenfalls mit dabei: B-Girl Jazzy Jes.

Die gebürtige Thunerin hat vor dem grossen Event eine vollgepackte Agenda. Nicht für Medieninterviews oder als Jurymitglied an einem Tanzwettbewerb, nein: Jazzy Jes hat Termine mit sich selbst. Sie konzentriert sich aktuell voll auf sich und verbringt viel Zeit im Tanzstudio, um an ihren Skills zu feilen. Momentan macht Jessica, wie die 36-Jährige richtig heisst, jedoch eine Sehnenscheidenentzündung zu schaffen: «Mit den Schmerzen muss ich im Moment darauf verzichten, Tricks wie einen Freeze oder Ähnliches zu üben. Das nervt.»

Zur Story