Nach der 0:3-Schlappe im Hinspiel braucht Bayern München gegen Barcelona ein Fussball-Wunder, um doch noch in den Final von Berlin einzuziehen. Doch vor dem Halbfinal-Rückspiel spricht so gut wie nichts für die ersatzgeschwächten und formschwachen Bayern. Schon gar nicht die Statistik.
In über 20 Jahren Champions League gelang es erst einem Verein, einen Drei-Tore-Rückstand im Rückspiel aufzuholen. Deportivo La Coruna wendete am 7. April 2004 im Viertelfinal nach einem 1:4 bei der AC Milan mit einer unglaublichen Willensleistung und einem 4:0-Heimsieg das Blatt noch.
Nicht gerade zuversichtlich stimmt auch die komplette Europacup-Bilanz: Seit Einführung der Auswärtstorregel sind nur gerade 25 von 434 Mannschaften nach einer 0:3-Niederlage im Hinspiel noch weitergekommen.
Den Bayern ist es zweimal gelungen, nach einer Niederlage mit zwei oder mehr Toren aus einem Hinspiel noch eine Runde weiterzukommen. 1988 gewann der deutsche Rekordmeister im Achtelfinal des UEFA-Cups gegen Inter Mailand nach einem 0:2 zuhause noch ein 3:1 im San Siro. Noch in bester Erinnerung ist das 6:1 im Viertelfinal-Rückspiel gegen den FC Porto, nachdem man das Hinspiel 1:3 verloren hatte.
Vor diesem denkwürdigen Sieg gegen die Portugiesen war es dem FC Bayern immerhin neunmal gelungen, nach einer Auswärtsniederlage im Hinspiel noch die nächste Runde zu erreichen. Allerdings fiel keine dieser Niederlagen im Hinspiel höher aus als mit einem Tor Unterschied.
Was also tun heute Abend in der Allianz Arena? Nicht etwa auf Teufel komm raus angreifen, sondern kontrollierte Offensive lautet Guardiolas Devise. «Wir müssen gut verteidigen, das ist das Erste», sagte der Bayern-Coach. «Messi, Neymar und Suarez sind sehr stark. Wenn du einen Fehler machst, bestrafen sie dich sofort.» Bei einem Gegentor müssten die Bayern bereits fünfmal treffen.
Doch genau damit haben Guardiolas Mannen ein Problem. Viermal haben die Bayern jetzt hintereinander verloren – das passierte ihnen zuletzt 1991 – und dabei in 390 Minuten nur gerade ein Törchen geschossen. Der Grund für die Torflaute ist schnell gefunden: Seit Arjen Robben, Franck Ribéry und David Alaba verletzt sind, hat sich die Torquote halbiert. 2,8 Tore schossen die Bayern mit «Robbéry» und Alaba pro Spiel, ohne nur noch 1,4.
Verändert hat sich auch die Spielweise: Mit Robben, Ribéry und Alaba liefen zwar viele Bayern-Angriffe über die Aussenbahnen, aber nicht nur. Die Aussenverteidiger zogen oft zur Mitte, schafften im Mittelfeld so ein Übergewicht und verhinderten bei einem Ballverlust gegnerische Konter. In den letzten Spielen lief über die Aussenpositionen dagegen kaum noch was, fast immer eröffnete Xabi Alonso aus der Mitte heraus die Angriffe, die so ziemlich berechenbar sind.
Auch dafür ist der Grund schnell gefunden. Die Bayern schlagen zwar mehr Pässe und haben mehr Ballbesitz als ihre Gegner, doch es fehlen die Überraschungsmomente. Im Hinspiel gegen Barcelona verzeichneten die Deutschen nur drei erfolgreiche Dribblings – alle drei gingen auf das Konto von Aussenverteidiger Juan Bernat. Wie wenig das ist, zeigt der Vergleich mit Barça: 28 Mal tanzten Messi, Neymar und Co. die Bayern aus.
Trotz allem: Die Bayern wären nicht die Bayern, wenn sie nicht an ihre Chance glauben würden. «Wir gewinnen das Rückspiel mit 4:0», sagt der verletzte Alaba. Und Mut geben sicherlich auch die Rückspiele der diesjährigen K.o.-Phase gegen Schachtjor Donezk (7:0) und Porto (6:1). Nur heisst der Gegner diesmal FC Barcelona und der hat mit Messi, Neymar und Suarez den torgefährlichsten Sturm (112 Tore) in seinen Reihen.