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Dominique Aegerter

Das Drama von Assen: Bauern sind die besseren Wetterfrösche als Garagisten

Dominique Aegerter hat sich in Assen mit seiner Reifenwahl verpokert.Bild: AP/AP
GP von Assen

Das Drama von Assen: Bauern sind die besseren Wetterfrösche als Garagisten

Der GP von Assen schreibt jedes Jahr ein Drama. Diesmal waren die Schweizer Moto2-Stars – Dominique Aegerter (23) und Tom Lüthi (23) die Hauptdarsteller.
28.06.2014, 16:4028.06.2014, 16:49
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MotoGP-Weltstar Marc Marquez demonstrierte das Problem mit einer akrobatischen Einlage anschaulich: Als er über die Ziellinie brauste, machte er auf seiner Honda mit Händen und Füssen Schwimmbewegungen.

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Es war sein 8. Sieg in Serie. Zuletzt gelang dieses Kunststück Honda- Star Mick Doohan in der Saison 1997 (500 ccm). Den Rekord in der Königsklasse hält Giacomo Agostini mit 20 Siegen hintereinander. Verteilt auf zwei Saisons.

Marc Marquez feiert in Assen seinen achten Sieg in Folge.
Marc Marquez feiert in Assen seinen achten Sieg in Folge.Bild: UNITED PHOTOS/REUTERS

Nur eine Höllenmaschine pro Pilot

Dabei waren die Bedingungen in Assen für die Moto-GP-Stars im Vergleich zur Moto2-Klasse noch idyllisch: Das MotoGP-Rennen wurde als Regenrennen deklariert. Das bedeutet, dass nicht unterbrochen wird, wenn das Wetter wechselt. Aber weil die MotoGP-Piloten zwei Maschinen zur Verfügung haben, starteten ausser Valentino Rossi die meisten mit Regenreifen und wechselten im Laufe des Rennens, als es abtrocknete, an der Box einfach die Maschine.

In der Moto2-Klasse ist hingegen nur eine Höllenmaschine pro Pilot erlaubt. Das Rennen wurde ebenfalls als Regenrennen deklariert, ein Umsteigen war aber nicht möglich. Nur ein Boxenhalt mit Radwechsel. Wer die falsche Entscheidung traf, war also verloren. Wie Dominique Aegerter.

Alles riskiert und alles verloren

Der Rohrbacher stand nach seinem bisher besten Training in der ersten Startreihe (2.), riskierte alles und verlor alles. Platz 21 statt Sieg oder Podest. Tom Lüthi riskierte nichts und gewann viel: Platz 6 nach Start aus der 4. Reihe (17.). Weil er als Bauernbub das Wetter besser einschätzte als der Garagisten-Sohn Aegerter.

Tom Lüthi wurde durch die Wetterkapriolen zu einem der Gewinner.
Tom Lüthi wurde durch die Wetterkapriolen zu einem der Gewinner.Bild: Waldemar Da Rin/freshfocus

Lüthi überstimmt seinen Cheftechniker

Tom Lüthi erzählte, sein Cheftechniker Alfred Willecke habe darauf bestanden, das Rennen mit Slicks zu bestreiten. «Aber ich habe mich durchgesetzt und bin mit Regenreifen gefahren. Ich hatte die Wolken beobachtet und war sicher, dass es nicht abtrocknen sondern noch einmal regnen würde.»

«Ich hatte die Wolken beobachtet und war sicher, dass es nicht abtrocknen würde.»
Tom Lüthi

Vorübergehend war Tom Lüthi bis auf Platz 3 vorgestossen, konnte diese Position aber nicht halten. «Ich habe alles riskiert. Aber es ging einfach nicht. Erst in den zwei letzten Runden habe ich mich darauf konzentriert, wenigstens den 6. Platz nach Hause zu fahren. Es ist ein versöhnlicher Abschluss eines ansonsten missglückten Wochenendes. Wir haben die Lösung für unsere technischen Probleme immer noch nicht gefunden.»

Ein Poker für die Ewigkeit

Dominique Aegerter bereut nichts und sagte, er würde es noch einmal so machen. Auf dem Startplatz entschied er sich dafür, hinten Slicks aufzuziehen und nur vorne wurden auf Rat von Cheftechniker Gilles Bigot Regenreifen montiert. Vielleicht wäre die Rechnung aufgegangen, wenn es nicht noch einmal nach dem Start kurz geregnet hätte. Oder wenn das Rennen eine Viertelstunde länger gedauert hätte.

Rang 21 statt Sieg. Trotzdem verlässt Dominique die grosse Töffbühne in Nordholland als Sieger. Weil wir uns noch in 20 Jahren an dieses Pokerspiel erinnern werden. Weisst Du noch, damals, als dieser verrückte Kerl aus Rohrbach in Holland oben in der ersten Startreihe stand und es als einziger der Spitzenpiloten wagte, alles auf eine Karte zu setzen? Weil er unbedingt gewinnen wollte.

Wie einst Bruno Lüscher in Hockenheim

Der GP von Holland 2014 in Assen steht auch für das Selbstvertrauen, die Risikobereitschaft und den ultimativen Siegeswillen von Dominique Aegerter. Deshalb ist es eine Niederlage, die langfristig seinen Ruhm mehrt und zur Legendenbildung beiträgt.

Bruno Lüscher (mitte) holte 1983 dank einem ähnlichen Poker wie Aegerter die einzigen WM-Punkte seiner Karriere.
Bruno Lüscher (mitte) holte 1983 dank einem ähnlichen Poker wie Aegerter die einzigen WM-Punkte seiner Karriere.Bild: KEYSTONE

Das Pokerspiel, das Dominique Aegerter in Assen verlor, war durchaus nicht ohne Gewinnchance. Es schon einmal bei einem Schweizer in der zweitwichtigsten WM funktioniert. Beim GP von Deutschland am 9. Mai 1983 in Hockenheim. Die Wetterbedingungen waren damals fast genau gleich wie jetzt in Assen: Vor dem Start regnete es und dann trocknete die Piste ab. Der «Nobody» Bruno Lüscher riskierte alles und zog hinten und vorne Slicks auf. Beim Rennbeginn fiel er auf den letzten Platz zurück. Doch dann trocknete es ab und am Ende fuhr er mit seiner 250er-Yamaha auf den sensationellen 4. Platz – das mit Abstand beste Resultat seiner Karriere. Er hatte vorher nie WM-Punkte geholt und holte auch danach nie mehr WM-Punkte.

Tom Lüthi kam in Assen mit konservativer Regen-Reifenwahl auf den 6. Platz. Aber das ist kein Resultat, das Dominique Aegerter aus den Schlagzeilen zu verdrängen vermag.

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