Blitzlichtgewitter, Küsschen von Miss Germany Vivien Konca, die 19 ist aber aussieht wie 30, und endlich auf Augenhöhe mit den Superstars. Viel Aufregung um Dominique Aegerter (23) am Samstagabend.
Die drei ersten aus dem MotoGP-Training und die beiden Pole-Männer der Klassen Moto2 und Moto3 werden jeweils um 17.00 Uhr zu einer offiziellen Medienkonferenz gebeten. Und so sitzt Dominique Aegerter zum ersten Mal mit Marc Marquez, Dani Pedrosa, Stefan Bradl (MotoGP) und Jack Miller (Moto3) auf dem gleichen Podium.
Miss Germany, die auf eiffelturmartigen High Heels bedenklich wackelt und sichtlich Mühe hat, das Gleichgewicht zu wahren, verteilt an die drei Trainingsschnellsten je eine Uhr. Küsschen, Küsschen, Blitzlichtgewitter. Dann folgen ein paar Fragen und die Antworten haben einen ganz besonderen Charme.
Nicht wegen des Inhaltes. Sondern weil ausser dem Australier Miller keiner von Haus aus Englisch spricht. Das Radebrechen mit der englischen Sprache gibt dem ganzen den Anstrich einer Komödie, einer Zirkusveranstaltung.
Aber es ist natürlich härtestes Sport-Business. Dominique Aegerters Sturm auf die Pole-Position in den letzten drei Minuten des Trainings war ein Naturereignis. «Ich hatte erst ganz am Schluss freie Fahrt. Vorher kam mir immer irgendeiner in die Quere.»
Die Diskussionen um die Vor- und Nachteile der Suter-Maschine sind nun vorerst einmal beendet. Eskil Suter, Konstrukteur und Hersteller von Aegerters Höllenmaschinen, hat eine einleuchtende Erklärung für die Hochform: «Bei Aegerter ist das Motorrad ein Teil seines Körpers geworden. Mensch und Maschine verschmelzen. Das sieht man auf den ersten Blick. Deshalb fühlt er sich so gut und deshalb ist er so schnell.»
Was wiederum die Frage provoziert: Wenn das Suter-Bike für Dominique Aegerter ein Körperteil geworden ist, dann muss der Töff bei Tom Lüthi (27) eine Krücke sein. «Das ist zwar etwas bösartig ausgedrückt, stimmt aber schon …»
Klar ist aber auch: Eskil Suter hat reagiert und nach den Wünschen von Dominique Aegerter ein neues, etwas längeres Fahrgestellt gebaut, das Tom Lüthi erst ab dem nächsten Rennen zur Verfügung steht (watson berichtete). «Das ist so und entspricht unserer Politik. Wir konzentrieren unsere Entwicklungsarbeit jeweils auf unseren schnellsten Piloten.»
Aber Eskil Suter spielt die Bedeutung der Technik herunter. «Ich glaube nicht, dass das neue Fahrgestell eine entscheidende Rolle spielt. Aegerter ist einfach jetzt gut drauf und deshalb so schnell.»
Dominique Aegerter ist der beste Starter. Er müsste auf Anhieb zwanzig bis 30 Meter Vorsprung herausfahren, wenn er aus der vordersten Position so schnell startet wie üblich. «Wie das sein wird, weiss ich nicht. Ich bin ja noch nie aus der Poleposition losgefahren. Aber es sollte schon gelingen, vorne wegzukommen.»
Er weiss nur eines: Sollte das Wetter wechselhaft sein, wird er nicht mehr auf einen Reifenpoker einlassen wie zuletzt in Assen. «Ich werde einfach die gleichen Reifen aufziehen wie die beiden anderen Fahrer in der ersten Reihe.»
Es ist das 77. Moto2-Rennen der Geschichte – für Dominique Aegerter mit der Nummer 77 ein gutes Omen. Er und Simone Corsi sind ja die einzigen Fahrer, die alle bisherigen Moto2-Rennen bestritten haben. Ohnehin war die Aufregung in seiner Heimat in den letzten Tagen gross.
Im Nachbardorf Huttwil wird das Rennen live im eigentlich nur für die Fussball-WM bewilligten Public Viewing gezeigt. In Dominique Aegerters Wohnort Rohrbach arbeiten die Dorfkönige seit zwei Wochen intensiv an den Vorbereitungen der Siegesfeier. Man will breit sein, wenn der erste Sieg eingefahren wird und den Helden würdig empfangen.
Und natürlich muss sein Vater Ferdinand im Falle eines Sieges noch im Fahrerlager hier auf dem Sachsenring den Schnauz abrasieren. Er hat ihn in den letzten Wochen schön buschig wachsen lassen. So viel Aufregung kann auch gefährlich sein und den Zorn der Töff-Götter herausfordern. Doch Dominique Aegerter ist mental robust und lässt sich nicht ablenken.
Daniel M. Epp, der Manager von Tom Lüthi, ist besonders glücklich über den Exploit des Erzrivalen. «Ich hoffe, dass diese Pole-Position Tom richtig weh tut. Er muss endlich aufwachen. Wir haben die technischen Voraussetzungen um schneller zu fahren.» Tom Lüthi schaffte in der Schlussphase doch noch Rang 8 (3. Reihe) – nachdem er zeitweise bis auf Position 21 zurückgefallen war.
«Am Anfang war die Maschine unfahrbar. Ich legte einen Boxenstopp ein und wir bauten alles komplett um und dann ging es. Mein Team hat super gearbeitet. Im Rennen sollte es möglich sein, in die ersten fünf zu kommen.» Tom Lüthi weiss, was jetzt bei Dominique Aegerter abgeht. Er hat einst nach seiner ersten Trainingsbestzeit in Le Mans am 15. Mai 2005 auch gleich seinen ersten GP gewonnen.