Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Jahr für Jahr erklärt Arno Del Curto, das Saisonziel sei die Qualifikation für die Playoffs. Auch dann, wenn er Titelverteidiger ist. Und stets ist er als Tiefstapler nicht ernstgenommen worden. Tatsächlich ist der HCD die einzige Mannschaft der Liga, die noch nie die Playoffs verpasst hat. Alle anderen – auch die Titanen Lugano, SC Bern und die ZSC Lions – hat es schon erwischt.
Vor dieser Saison hat Arno Del Curto sogar den Ligaerhalt als Ziel formuliert. Aber inzwischen hat er ja auch als Tiefstapler Kultstatus. Es ist halt ein wenig wie in der Fabel vom Hirtenjungen und vom Wolf. Der Hirtenjungen ruft laut «Hilfe! Der Wolf»! Als ihm daraufhin die Dorfbewohner zu Hilfe eilen, finden sie heraus, dass falscher Alarm gegeben wurde. Als dann tatsächlich der Wolf kommt, nimmt die Hilferufe niemand mehr ernst und der Wolf frisst die ganze Herde – und in manchen Versionen auch den Hirtenjungen.
Die Gefahr, dass in Davos die ganzen Hockey-Steinbockherde samt seinem Hirten gefressen wird, ist klein. Arno Del Curto ist ja nicht aus Übermut ein Tiefstapler. Es ist vielmehr der Respekt, den er jedes Jahr im Herbst vor der neuen Saison hat. Auch deshalb hat er noch nie die Playoffs verpasst.
Natürlich glaubt ihm auch jetzt niemand, dass die Playoffs (oder gar der Ligaerhalt) in Gefahr geraten könnten. Präsident Gaudenz Domenig bewilligt keinen zusätzlichen Ausländer um den verletzten Dick Axelsson temporär zu ersetzen.
Aber die Lage ist ernst. Es hat so ziemlich jedes Jahr einen «Grossen» erwischt. Und immer nach dem gleichen Muster. Die Aussenseiter punkten im Herbst (so wie jetzt Kloten, Biel und Lausanne), ein Titan kommt nicht vom Fleck (so wie jetzt der HC Davos) und bleibt schliesslich auf der Strecke.
Und doch scheint ein Scheitern des HC Davos unwahrscheinlich. Schon gefühlsmässig. Playoffs ohne den HCD sind inzwischen ausserhalb jeder Vorstellungskraft. Tatsächlich unterscheidet sich der HCD in zwei Punkten ganz wesentlich von anderen Titanen in der Krise.
Erstens gibt es kein Trainerproblem. Alle Grossen, die bisher die Playoffs verpasst haben, hatten ein Trainerproblem. In Davos ist und bleibt Arno Del Curto unbestritten. Daher wird einer HCD-Krise (sollte es denn eine geben) das zentrale Element fehlen: die Polemik um den Trainer und das Spektakel eines Amtsenthebungsverfahrens. Deshalb wird eine HCD-Krise (sollte es denn eine geben) nur geringen Unterhaltungswert haben.
Zweitens spielt der HCD nicht wie ein Krisenteam. Es gibt keine statistischen Erhebungen um die Behauptung zu beweisen. Aber mit ziemlicher Sicherheit ist noch nie eine so spektakuläre, schnelle, tempofeste und lauffreudige Mannschaft wie der HCD unter den Tabellen-Trennstrich gerutscht.
Der läuferische Aufwand war auch gegen den SCB grandios. Der HCD mahnt an die legendäre VW-Reklame aus den 1950er Jahren. Er läuft und läuft und läuft. Aber der Ertrag ist minimal. In den drei letzten Partien gegen Biel, Zug und Bern haben die Davoser aus 105 Torschüssen vier Treffer gemacht und dreimal in Serie verloren (2:6 in Biel, 1:2 in Zug und 1:4 gegen den SCB).
Arno Del Curto lässt sich vorerst noch nicht zu einer Polemik provozieren. Als ihm ein vorwitziger Chronist erzählt, ein bewährtes Rezept gegen die Abschlussschwäche der Stürmer sei die Anweisung des Trainers, vor dem Torschuss einfach die Augen zu schliessen, sagt er: «Ja natürlich. Was glauben Sie denn, was ich heute meinen Stürmern gesagt habe …».
Es ist nicht die Ruhe des Trainers vor dem Sturm. Es ist echte Gelassenheit. Und sowieso ist nach diesem 1:4 gegen den SCB nicht die Niederlage das Thema. Die Geschichten werden über Torhüter Leonardo Genoni geschrieben. Es war nach neun Jahren mit dem HCD nun sein erstes Spiel mit dem SCB gegen den HCD. Er ist verabschiedet und von den HCD-Fans gefeiert worden. Und wie erwartet war er mit einer Fangquote von 96,88 Prozent besser als Gilles Senn (84,61 Prozent).
Die Gelassenheit des HCD-Trainers ist logisch. Noch hat er eine Erklärung für die klägliche Effizienz. Es passe einfach noch vieles nicht zusammen. Weil wichtige Spieler verletzt fehlen (Dick Axelsson) oder andere zwischendurch verletzt ausgefallen sind. Und in der Vergangenheit habe man wohl zu viel Erfolg gehabt und deshalb fehle Einfachheit, Geradlinigkeit und Bissigkeit auf dem direkten Weg zum Tor. Tatsächlich ist das hoch entwickelte HCD-Tempospiel störungsanfälliger als einfach gestrickte taktische Muster vieler Konkurrenten.
Der HCD ist in der aktuellen Verfassung ein «Aufbauinstitut für gegnerische Torhüter». Es gibt im Herbst 2016 kein besseres Mittel, das Selbstvertrauen eines Goalies zu stärken, als ein Spiel gegen den HCD. Und das ist eine bittere Ironie. Denn der HCD hat ein Torhüterproblem, das die Davoser, Spielplan-General Willi Vögtlin und U20-Nationaltrainer Christian Wohlwend auf Trab hält.
Der HCD ist spielerisch bei weitem gut genug, um auch mit Gilles Senn und Joren van Pottelberghe Spiele zu gewinnen. Das Problem sind also nicht die Goalies. Aber Arno Del Curto braucht beide Torhüter, er hat auch bisher beide eingesetzt. In einer entscheidenden Phase muss er auf den Besseren der beiden, verzichten. Weil Joren van Pottelberghe die U20-WM bestreiten wird, steht er dem HCD zwischen dem 11. Dezember und dem 9. Januar für die Partien gegen Biel (h), Langnau (a), Ambri (a), Lugano (h) und Lugano (a) nicht zur Verfügung.
Eine Lösung wäre, Joren van Pottelberghe für die WM nicht freizugeben. Doch die wird nicht einmal diskutiert. Der HCD-Goalie ist bereits ein NHL-Draft und die WM ist für seine Karriere wichtig. Möglich wäre es, diese Spiele zu verschieben. Auch das ist keine Lösung. Spielplan-General Willi Vögtlin sagt: «Das Reglement würde nur erlauben, alle fünf Spiele zu verschieben. Aber das geht nicht. Langnau hat beispielsweise für das Spiel gegen Davos am 23. Dezember bereits seine ganzen VIP-Plätze verkauft.»
Was nun? Es bleibt nur eine Möglichkeit: der HCD muss im Dezember temporär einen Torhüter verpflichten – und wenn irgendwie möglich einen mit Schweizer Pass. Für den Spengler Cup ist das kein Problem. Für die Meisterschaft hingegen schon.
Bisher hat es erst einmal einen vergleichbaren Fall gegeben. Im Dezember 2010 mussten die Langnauer wegen der U20-WM für vier Spiele auf ihre Nummer 1 Benjamin Conz verzichten. Gross war die Polemik. Diese Absenz hätte den Emmentalern die Playoffchancen ruinieren können. Schliesslich holten sie leihweise Urban Leimbacher vom EHC Olten. Mit dem vermeintlichen Notnagel im Kasten gewannen die Langnauer sensationell alle vier Partien gegen Biel, Bern, Davos und Ambri. Diese Siege ebneten den Weg für die bis heute einzigen NLA-Playoffs der Langnauer.
Auch Davos dürfte eine ähnliche Lösung mit einer guten Nummer 1 aus der NLB finden. Also alles kein Problem? Die nächsten Tage werden uns bereits eine erste Antwort liefern. Der HCD hat auch vor einem Jahr im September gegen Ambri, Biel und Kloten dreimal hintereinander verloren und dann mit drei Siegen in Serie gegen Bern, Langnau und Servette grandios reagiert (Bern 3:1, Langnau 4:2, Servette 4:2).
Gelingt jetzt keine solche Reaktion (nächstes Spiel am Dienstag in Kloten), dann sollten wir wenigstens übungshalber heimlich still und leise das Undenkbare denken: Playoffs ohne den HCD.
Nennt ihn doch Arthur...