In der NHL den Spass verloren: Tatar hat auch in der Schweiz Appetit auf Titel
Bei Tomas Tatar ist der Name Programm. Der 34-jährige Slowake liebt Tatar, es ist eine seiner Lieblingsspeisen. 2010/11, in seiner ersten Saison mit NHL-Einsätzen, erhielt er den Spitznamen «Tuna» – nach der Vorspeise Tuna Tatar – und dieser blieb hängen. Der Hollywood-Star Mark Wahlberg bezeichnete ihn als den besten Spitznamen im Eishockey.
Auch Tomas Tatars Hunger nach Eishockey war schon früh gross. Seine beiden deutlich älteren Brüder Marek (51) und Tibor (48) waren in seinem Heimatort Dubnica nad Váhom lokale Stars im Eishockey, als er ein Kind war. Er wollte ihnen nacheifern. Auf der grossen gepflasterten Fläche vor der Wohnung der Familie spielte er nach der Schule stundenlang Strassenhockey. Ein Tor am Ende seines Zimmers diente ihm dazu, mit einem Plastikball an seinem Schuss zu feilen – selbst mitten in der Nacht. Beispielsweise hörte er nicht auf, bevor er zehnmal in Folge die Latte getroffen hatte. Den Weg zur nicht weit entfernten Eishalle hätte er gemäss eigener Aussage wahrscheinlich mit geschlossenen Augen zurücklegen können.
Grösse als Hindernis
«Ich liebe Eishockey über alles», sagt Tomas Tatar, der online Deutsch lernt, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Deshalb steckte ich eine Menge Arbeit hinein. Ohne das wäre ich wahrscheinlich kein Profi geworden.» Allerdings war der Weg nach oben alles andere als einfach. Er musste sich immer wieder anhören, dass er zu klein sei – er misst heute 1,78 m – und wurde lange nicht für die Junioren-Nationalteams berücksichtigt (erst bei der U20). Nicht umsonst wurde der nur 1,71 m grosse einstige NHL-Star Martin St. Louis zu seinem Vorbild.
Ein weiteres Problem bestand darin, dass Tatars Rechte auch nach dem Wechsel von Dubnica zu Dukla Trencin im Jahr 2007 bei seinem ersten Verein lagen und Trencin nicht dazu bereit war, diese abzukaufen. Deshalb konnte er nicht im Männerteam spielen, obwohl er in der U20-Kategorie unterfordert war. Schliesslich übernahm 2008 Zvolen seine Rechte. Seine Leistungen in der höchsten slowakischen Liga führten dazu, dass er Ende des Jahres an die U20-WM durfte. 2009 drafteten ihn die Detroit Red Wings in der 2. Runde als Nummer 60.
Im gleichen Jahr ging Tatar nach Nordamerika, wo er die erste Saison in der AHL für die Grand Rapids Griffins auflief. Am 31. Dezember 2010 debütierte er bei den Red Wings gegen die New York Islanders in der NHL. Seine erste gesamte Saison in der besten Eishockey-Liga der Welt bestritt er 2013/14. Bis zu seinem Wechsel in die Schweiz zum EV Zug kam er auf insgesamt 983 NHL-Spiele, davon 927 in der Regular Season, in denen er 234 Tore und 275 Assists erzielte.
Den Spass verloren
Hat ihn die 1000er-Marke nicht gereizt, zumal er wohl in der NHL hätte bleiben können? Dieser Meilenstein sei kein Entscheidungsfaktor gewesen, sagt Tatar. «Ich war zufrieden mit dem Plan, den sie hier in Zug haben.» Zudem erhielt er in der NHL zuletzt nicht mehr die gewünschte Eiszeit. In der letzten Saison bei den New Jersey Devils waren es in der Regular Season durchschnittlich 11:06 Minuten. «Ich bin jemand, der gerne Spielzüge macht, der gerne Tore schiesst, und wenn ich auf dem Eis keine Gelegenheit dazu habe, dann macht es mir keinen Spass», erklärt Tatar.
Die Schweizer Fraktion bei den Devils – Nico Hischier, Jonas Siegenthaler und Timo Meier – machte ihm den Wechsel in die National League schmackhaft. Seine Wohnung verkaufte er an Timo Meier. «Ich verbrachte viel Zeit mit ihnen, sie waren grossartige Teamkollegen. Wir stehen fast jeden Tag in Kontakt, ich drücke ihnen die Daumen», erzählt Tatar.
Zufrieden mit sich und dem Team
Wie stuft er die bisherigen Leistungen seines Teams ein? Der EVZ liegt nach 21 Partien mit 37 Punkten im 4. Tabellenrang, jedoch waren die Leistungsschwankungen zu extrem. «Wir sind zufrieden damit, wo wir stehen, wenn bedacht wird, wie viele Verletzungen wir hatten und wie viele Spiele (Zug nimmt an der Champions Hockey League teil) wir absolvierten.» Sie hätten sich nach einer schwierigen Phase zurückgekämpft und einige gute Siege eingefahren. «Ich denke, wir sind unter den gegebenen Umständen sehr gut unterwegs. Und nun kommen nach und nach wieder Spieler zurück.»
Wie beurteilt er die eigenen Auftritte? Tatar ist mit fünf Toren und 13 Assists in 20 Begegnungen der zweitbeste Skorer der Zuger in der National League. «Ich finde, ich habe ziemlich gut gespielt, angesichts der Tatsache, dass ich die letzten acht bis zehn Partien verletzt bestritten habe. Das war wirklich sehr herausfordernd für mich, aber ich hatte mir zum Ziel gesetzt, es bis zur (Nationalmannschafts-)Pause zu schaffen und dem Team zu helfen.» Nun will er wieder vollständig fit werden. «Es ist nichts Ernstes, aber ich möchte klug mit der Verletzung umgehen», erklärt er.
Bald zu dritt
In der Schweiz hat sich Tomas Tatar gut eingelebt, er mag die Berge und die Seen. «Das Land ist wunderschön, das Leben hier ist einfach und die Reisen sind kurz. Ich geniesse es sehr», sagt Tatar. Dies auch deshalb, weil er nun mehr Zeit für seine Frau Veronika hat. Die beiden haben im Juli am Lago di Maggiore geheiratet und werden bald Eltern. Wie wichtig Tatar die Familie ist, unterstreichen die Tattoos auf seinem rechten Unterarm. Dort hat er die Geburtsdaten der Eltern und der beiden Brüder verewigt.
Der Vertrag mit Zug läuft noch bis 2027. Sein Ziel in dieser Saison ist nichts weniger als der Meistertitel. Denn sein Hunger nach Erfolgen ist noch lange nicht gestillt – und natürlich auch nach Tatar. (riz/sda)
