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Die ZSC Lions oder die Hilflosigkeit der Millionäre

Lions' center Garrett Roe, of U.S.A, left, and Lions' goaltender Ludovic Waeber, right, react after taking the second goal, during the second leg of the National League Swiss Championship se ...
ZSC-Goalie Ludovic Waeber musste gestern vier Mal den Puck aus dem Tor fischen.Bild: keystone
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Die ZSC Lions oder die Hilflosigkeit der Millionäre

Bloss zwei Tore in zwei Spielen gegen einen 37-jährigen Ersatzgoalie. Wie kann es sein, dass die ZSC Lions gegen Servette offensiv so hilflos sind und nur noch eine Niederlage vor dem Saisonende stehen?
28.04.2021, 05:3928.04.2021, 12:52
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Nach dem 1:2 im Hallenstadion nun ein 1:4 in Genf. Beginnen wir mit einem polemischen Vergleich. Hätte die Credit Suisse in den letzten Jahren bei der Kredit-Vergabe bloss so sehr jedes Risiko gescheut wie Servette und die ZSC Lions gestern Abend! Dann wäre die Bank heute ein Leuchtturm der Finanzwirtschaft: aussergewöhnlich seriös und erfolgreich.

Den Coaches lacht bei solchen Partien das Herz im Leibe. Die Unterhaltung kommt hingegen zu kurz. Die taktische Disziplin hat das Primat über die spielerische Freiheit. Hat je eine Mannschaft dieses unberechenbare Spiel so sehr kontrolliert wie gestern Servette? Vielleicht der «Schablonen-SCB» in den besten Zeiten unter Kari Jalonen. Aber nur vielleicht.

Servette ist nach dem 2:1 im Hallenstadion ein noch perfekteres Spiel gelungen. Defensiv und offensiv. Defensiv durch die Besetzung der freien Räume. Offensiv durch die klassischen Tugenden: entweder setzt sich ein bissiger Rollenspieler durch und verwertet einen Abpraller wie beim 1:0 durch Mathieu Vouillamoz, der die halbe Saison bei Sierre in der Swiss League verbracht hat. Oder mit einem Querpass und Direktschuss wird die Abwehr inklusive Torhüter ausgehebelt wie beim 3:0 durch Noah Rod. Oder durch einen schnellen Konter ausgespielt wie beim 4:0 durch Linus Omark. Alles wie aus dem Lehrbuch.

Die Highlights des Spiels:

Fahren wir mit etwas Polemik weiter und reden von der Hilflosigkeit der Millionäre. Was damit gemeint ist: Wie kann es sein, dass die Zürcher mit der nach Zug zweitteuersten Offensive der Liga in zwei Partien einen 37-jährigen Ersatztorhüter nur zweimal zu bezwingen vermögen?

Wir haben für einmal den Beweis, dass eine Mannschaft einen Torhüter besser machen kann. Daniel Manzato (37) steht im Spätherbst seiner Karriere. Während der Qualifikation ist er gerade mal in neun Spielen eingesetzt worden und hat 23 Treffer (Fangquote 90,21 Prozent) zugelassen. Nun ist er in vier Playoffpartien erst zweimal bezwungen worden und hat 98,32 Prozent der Schüsse abgewehrt.

Ist Daniel Manzato der Beweis für die offensive Hilflosigkeit der Zürcher? Nicht nur. Dieser erfahrene letzte Mann mit dem schlauen Winkelspiel war – wie schon in der ersten Partie im Hallenstadion – das letzte, perfekt passende Teilchen in Servettes defensivem Puzzle. Er musste einfach dort stehen, wo noch eine Lücke war.

Die ZSC Lions waren zwar offensiv weitgehend hilflos. Aber nicht ganz chancenlos. Warum hat es also erneut nicht gereicht? Immerhin waren der kanadische Verteidiger Maxim Noreau und Nationalstürmer Denis Hollenstein – sie fehlten im ersten Spiel – wieder dabei.

Lions' forward Sven Andrighetto, left, talks with teammates defender Maxim Noreau #56, of Canada, and defender Christian Marti, right, during the second leg of the National League Swiss Champions ...
Maxim Noreau (Mitte) war wieder mit von der Partie, doch gebracht hat es nicht viel. Bild: keystone

Kritik ist in diesem Fall ungerecht und Polemik gar billig. Hinterher, wenn alle klüger sind, können wir sagen: Die Zürcher haben zu wenig riskiert.

Sie haben es mit einer kontrollierten, taktisch geprägten Spielweise dem Gegner einfach gemacht, Gänge und Läufe dieser Partie zu kontrollieren.

Gerade weil die ZSC Lions wussten, dass es nach einem Rückstand sehr schwer werden würde, wollten sie unter allen Umständen einen Gegentreffer vermeiden. Und am Ende haben sie ganz einfach dieses Geduldsspiel verloren.

In Abwandlung eines Sprichwortes können wir auch kalauern: Wer anderen eine skandinavische Schablone gräbt, fällt selbst hinein.

Womit noch die Frage zu klären wäre: Warum funktionierte die nordamerikanische Schablone in diesem Halbfinal bisher besser als die skandinavische? Weil sie einfacher strukturiert ist. Mit direkterem Abschlussversuch. Die schwedische Schablone ist anspruchsvoller, auf die zweite und dritte Welle lauernd.

Aber die Frage ist eben auch: Ist es überhaupt möglich, Servettes Abwehr mit höherem taktischen Risiko und direkterem Spiel aus den Angeln zu heben? Mit einem wildem «Run and Gun»-Spektakel nordamerikanischer Prägung? Oder indem die Scheibe einfach ins Drittel geschossen und dort wieder ausgegraben wird? Wahrscheinlich nicht.

Taktisches Risiko gegen dieses Servette ist …riskant. Die kontrollierte Spielweise der Genfer täuscht über die Fähigkeit hinweg, blitzschnell ein offensives Spektakel veranstalten zu können. Wehe, wer Räume offen lässt. Der vierte Treffer, in Vorbereitung und Vollendung eine spielerische Sinfonie, zeigt auf, was passieren kann, wenn sich die Zürcher zu weit in die gegnerische Zone vorwagen: Ryan Lasch verliert die Scheibe in der Zone der Genfer und das elegante «Kufentier» Linus Omark vollendet den Konter zum 4:0.

Dieser Treffer hat erneut Symbolcharakter: Torhüter Ludovic Waeber wird gegen Lukas Flüeler ausgewechselt. Servette hat für 4 Tore bloss 20 Abschlussversuche benötigt.

Wer im Halbfinal den Torhüter auswechselt, hat ein Goalieproblem. Nein. Ludovic Waeber war kein Lottergoalie. Er war viermal ganz einfach chancenlos. Zur Hilflosigkeit der offensiven Millionäre kommt die Hilflosigkeit des Torhüters.

Trainer Rikard Grönborg ist mehrfacher Weltmeister. Aber manchmal kann es schwieriger sein, im Hallenstadion ein Hockeyrätsel zu lösen als Weltmeister zu werden. Wie kann er die ZSC Lions aus ihrer Hilflosigkeit befreien? Bis morgen muss er eine Antwort auf diese Frage finden.

Servette braucht noch einen Sieg für den ersten Final seit 2010. Ist also schon alles vorbei? Nein. Noch nicht. Die Hockeygötter müssten sich schon gegen die ZSC Lions verschwören, wenn sie Servette noch einmal ein so perfektes Spiel ermöglichen.

P.S. Gehen beide Halbfinals morgen zu Ende, wird anschliessend der Final Zug gegen Servette wieder im Modus «Best of Seven» gespielt.

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48 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jacques #23
28.04.2021 07:28registriert Oktober 2018
Es fehlt mit den Verletzten Spielern irgendwie die Überzeugung und Glaube an die eigenen Möglichkeiten.

Man of the match. Plüss im Studio.

Und Genf spielt solide und beisst zu wenn es von Nöten ist. Die sind nach dem Exodus von Jesus Chris unter meinem Radar durch. Was ja besonders dann spannend ist, wenn das Team plötzlich da ist. Misson und Mix sind da. Goalie hilft der Verteidigung, nicht nachlässig zu sein.

Härte und Biss sind da, wenn es sein muss. Das Team ist ja schlussendlich von Mc Sorley.

Titel sind immer verdient. Einer nach Genf am überfälligsten.

Hoffe auf 7er Finale 🎉
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Liebu
28.04.2021 06:40registriert Oktober 2020
und reden von der Hilflosigkeit der Millionäre.

Das ist ja das schöne am Sport allgemein, dass man Erfolg nicht kaufen kann.
Man kann das Defizit an Qualität mit Einsatz, Kampfkraft, Disziplin wettmachen. Manchmal hilft auch Wettkampfglück.
Das alles kann aber Morgen schon anders sein und alle Analysen hinfällig. Lassen wir uns überraschen.
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marak
28.04.2021 07:41registriert April 2014
Ich weiss nicht, ob Hilflosigkeit das richtige Wort ist. Bei Grosschancen spielt oft auch Glück eine Rolle - haben wir gestern gesehen bie Stürmern und Goalis. Und dem Z hat der letzte Schwung gefehlt (meistens), um Servette mal dazu zu bringen hinten ein bisschen ins Schwimmen zu kommen. Noch ist alles möglich, die wirklich guten Karten haben aber die Genfer in der Hand.
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