Der neue SCB-Trainer mag es sachlich und ruhig. Nein, die Partie in Langnau sei gar nicht so schlecht gewesen. Er mahnt: «Man sollte sich davor hüten, Resultate emotional zu beurteilen.» Sachlich betrachtet sei das Spiel in Langnau zwar nicht gut, aber in mancherlei Hinsicht doch ordentlich gewesen. Und der Zwischenstand nach dem ersten Drittel im Rückspiel (0:2) habe nicht den gezeigten Leistungen entsprochen. Er habe ein paar sehr gute Spielzüge seines Teams gesehen. Auf den Einwand, er sei denn doch mit wenig zufrieden, wenn er dieses erste Drittel gut gefunden habe, erwidert er cool: «Dann haben Sie ein anderes Spiel gesehen.»
Toni Söderholm hat nach dem schmählichen 2:4 in Langnau weder getobt noch dramatisiert. Kein obligatorisches Eistraining am Mittwoch und die Niederlage in drei Minuten ausdiskutiert und abgehakt. «Wir hätten auch drei Stunden darüber debattieren können. Aber das hätte nichts gebracht. Drei Minuten genügten. Die Vorbereitung aufs zweite Spiel war gut. Jeder war selbstkritisch und ist in sich gegangen.» Die Niederlage ist also zügig weggesteckt worden. Die Erfolgsformel: Kein Eistraining, drei Minuten reden über das letzte Spiel, vorwärts schauen und dann drei Punkte.
Toni Söderholm war Nationaltrainer in Deutschland und ist mit den Verhältnissen in München und bei den Bayern vertraut. Das eröffnet die Möglichkeit, ihm zu erklären, dass Resultate in Bern, beim Bayern München des Hockeys eben doch emotional beurteilt werden. Das etwas anderes gar nicht möglich ist. Zwei Niederlagen gegen Langnau in drei Tagen wären bei der aktuellen SCB-Wetterlage wie zwei Niederlagen der Bayern in drei Tagen gegen Augsburg. Toni Söderholm ist, ob diesem Vergleich, doch etwas erstaunt: «Ist das so? Also zwei solche Niederlagen dürfen sich die Bayern natürlich nicht leisten …»
Nun denn: Mit dem 5:3 gegen Langnau hat der neue Trainer den SCB-Fans einen Abend für die Ewigkeit beschert. Was sie am Donnerstag, dem 1. Dezember erlebt haben, hat es noch nie gegeben und wird in den nächsten hundert Jahren nicht mehr passieren: Ein Sieg im eigenen Tempel gegen Langnau am gleichen Abend, an dem Deutschland in der Vorrunde aus der WM fliegt.
Ist die Revanche gegen Langnau der «Turnaround» für Toni Söderholm und den SCB? Das wäre denn doch eine schon fast abenteuerlich optimistische Beurteilung. Aber es gibt immerhin eine Erkenntnis: Der Kapitän auf der sportlichen Kommando-Brücke der Hockey-Titanic SCB hat gute Nerven. Das ist schon mal eine wichtige Voraussetzung, um die sportliche Lage zu stabilisieren.
Und vielleicht gelingt ihm auch noch die Zähmung des Widerspenstigen. Auf die Frage, wie viel Eiszeit er Chris DiDomenico gewähren werde, hatte Toni Söderholm am Tag seines Amtsantrittes nach mehrmaligem Nachfragen schliesslich gesagt: «Na ja, 20 Minuten.»
Der neue Chef behält auch in dieser hoch heiklen Angelegenheit kühlen Kopf: Chris DiDomenico kehrt für die Partie gegen Davos nach Absitzen seiner drei Spielsperren (Zusammenstoss mit dem Schiedsrichter gegen die ZSC Lions) mit Hurra zurück wie ein Husaren-Offizier: 28:43 Minuten Eiszeit. Aber schon in Langnau sind es nur noch 22:14 Minuten und nun bei der Derby-Revanche ist der charismatische kanadische Feuerkopf schon fast (aber nur fast) unter die Wolldecke gesteckt worden: nur noch 19:51 Minuten Eiszeit. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Toni Söderholm vollbringen kann, was seinem gescheiterten Vorgänger Johan Lundskog versagt geblieben ist: Ordnung in den «Fahrplan» der Eiszeiten zu bringen.
Und so zeichnet sich die alles entscheidende Frage für das SCB-Wohlergehen in den nächsten Wochen ab: Ist Toni Söderholm so gelassen, weil er vor lauter Arbeit noch gar nicht gemerkt hat, welches Drama-Potenzial im SCB steckt und verliert seine innere Ruhe, wenn ihm die Augen aufgehen und er realisiert, worauf er sich da eingelassen hat? Oder ist er tatsächlich so cool? Die SCB-Titanic pflügt sich weiter durch eisige Gewässer und ist noch lange nicht an allen Eisbergen vorbeigedampft. Es sind noch viele gefahrvolle Seemeilen bis in den rettenden Hafen der Playoffs.
Für Langnau bringt das «Rückspiel» eine ärgerliche, weil vermeidbare Niederlage. Die 2:0-Führung ist durch Disziplinlosigkeiten und Missgeschicke sondergleichen verschenkt worden: Dreimal leisten sich die Langnauer Regelverstösse ausserhalb der Gefahrenzone, zwei davon nützt der SCB und nach zwei Dritteln steht es 2:2. Und dann befördert Leitwolf Harri Pesonen die Scheibe aus dem Spielfeld und dieser Ausschluss bringt dem SCB das wegweisende 3:2. Eine erduldete Wende, die schliesslich über die Zeit gezittert wird.
Trotz der ärgerlichen Niederlage ist Langnaus Halbzeit-Bilanz (die Emmentaler haben 26 Spiele absolviert) eine positive. Toni Söderholm weckt in Bern durch die Kopie der Taktik von Erfolgstrainer Kari Jalonen Erinnerungen an die Zukunft. Genau das Gleiche tut Thierry Paterlini. Wie Toni Söderholm in Bern kopiert auch Langnaus Trainer einen ruhmreichen Vorgänger: Die Emmentaler zelebrieren unter dem Zürcher wieder jenes elastische Defensivsystem, mit dem Heinz Ehlers (heute Nationaltrainer in Dänemark) die Tiger im Frühjahr 2019 zum zweiten Mal in der Geschichte in die Playoffs geführt hatte.
Der Erfolg ist wahrlich bemerkenswert: Statt wie vor der Saison allseits erwartet auf dem letzten Platz stehen die Langnauer auf Rang 11. Mit nach wie vor intakten Chancen, die «Keller-Meisterschaft» (mindestens Platz 12) zu gewinnen und so dem Existenzkampf in den Playouts (zwischen dem 13. und 14.) zu entgehen.
Aber das Doppel-Derby hat auch gezeigt: Die Langnauer stehen auf dünnem Eis. Wenn im Maschinenraum alles gut gewartet und geölt ist und die Ausländer genug Energie haben, um das Spiel zu dominieren, dann können sie jeden Gegner in Bedrängnis bringen. Aber wenn nur ein Rädchen irgendwo nicht dreht, wie es sollte, wenn die Ausländer durchschnittlich spielen, dann kann es gegen jeden Gegner eine Niederlage absetzen.
Für die Langnauer ist der Weg zum Gewinn der «Kellermeisterschaft» noch mindestens so weit und beschwerlich wie für den SCB die Fahrt in die Playoffs.