Die SCB-Krise können wir auf zwei Punkte reduzieren. Erstens geht es um Erich von Däniken. Nun mögen wir einwenden, was denn der erfolgreichste Sachbuchautor der Geschichte (mehr als 60 Millionen Bücher verkauft) mit dem SCB zu tun hat. Nun, eine der Kernaussagen seiner Bücher: Wir sind nicht von dieser Welt. Wir stammen von Ausserirdischen ab. Diese Theorie untermauert er unter anderem mit einem Beispiel: Es gibt abgelegene Inseln, die einmal von Aliens mit Raumschiffen oder Flugapparaten besucht worden sind. Noch heute bauen die Einwohnerinnen und Einwohnern deshalb aus Ästen, Lehm und dürrem Gras Raumschiffe und Flugzeuge. Sie glauben fest daran, dass sie mit den gebastelten hölzernen Kopien irgendeinmal zu den Sternen fliegen können.
Auch beim SCB gibt es dieses Phänomen. Der Berner Hockey-Tempel ist früher einmal von einem Trainer namens Kari Jalonen besucht worden. Er hat ein taktisches System mitgebracht, das es dem SCB erlaubt hat, in ruhmreiche Höhen zu fliegen: drei Qualifikationssiege, zwei Titel.
Inzwischen hat Kari Jalonen den SCB längst verlassen wie Erich von Dänikens Aliens die einsamen Inseln. An der Bande steht nun ein Trainer, der die Taktik von Kari Jalonen «nachzubauen» versucht wie die Inselbewohnerinnen und -Bewohner die Flugapparate. Tatsächlich ist Kari Jalonen (62) so etwas wie der Ziehvater von Toni Söderholm (44). Fast alles, was der neue SCB-Trainer über das Handwerk des Hockeytrainers weiss, hat er wie ein Zauberlehrling vom Hexenmeister Kari Jalonen gelernt. Als deutscher Nationaltrainer hatte er ihn 2019 sogar als Berater für die WM 2019 engagiert.
Der SCB ist in Langnau wie ein taktisch «nachgebautes» Meisterteam der Jahre 2017 und 2019 aufgetreten und untergegangen: Im Kern defensiv aufgestellt, mit zurückhängenden Stürmern, um den Verteidigern mehr Abspielmöglichkeiten zu geben und die Abwehr zu stabilisieren. Aber dieses an und für sich gute System ist viel zu passiv umgesetzt worden. Dadurch fehlten in der Offensive Überraschungsmoment und Durchzugskraft. Das System ist also in den Grundzügen nicht falsch.
Die Frage geht an Toni Söderholm, was nun seine Massnahmen für das «Rückspiel» gegen die Langnauer morgen, Donnerstag, in Bern sind. Er sieht das Problem im fehlenden offensiven Durchsetzungsvermögen. Soll es besser werden, müsse man in erster Linie die Zweikämpfe gewinnen. Es ist also gar nicht so kompliziert. Die Frage ist natürlich auch, wie er jetzt auf die 4. Pleite im 5. Spiel unter seinem Kommando reagieren wird. Gibt er den tobenden Zampano (= ein sich in Szene setzender Blender) oder den verständnisvollen Spielerflüsterer? Die Spieler dürfen aufatmen: Es wird weiterhin flattiert und geflüstert. Toni Söderholm sagt nämlich: «Ich kann natürlich einen Stock zertrümmern und so zeigen, dass ich sauer bin. Aber das bringt uns nicht weiter.» Was dann?
Er wolle herausfinden, was in der Mannschaft vorgehe. Das Fell des Bären wird weiterhin gestreichelt und nicht mit der Drahtbürste ausgekämmt. Toni Söderholm ist zumindest in seiner Eingewöhnungsphase vorerst ein halber Jalonen und noch kein ganzer Hockey-Magier.
Dem neuen SCB-Trainer kann folglich nicht fehlender Sachverstand vorgeworfen werden. Sondern nur, dass es ihm noch nicht gelungen ist, ohne verbales Schmirgelpapier eine an und für sich richtige Taktik erfolgreich umzusetzen. Und damit sind wir beim zweiten zentralen Punkt der SCB-Krise: Warum ist diese Umsetzung so mühselig?
Was zeichnete die SCL Tigers beim dienstäglichen 4:2 aus? Die Ausländer erzielten alle vier Tore. Die SCB-Ausländer keines. Mehr noch: Es gibt eine kritische Frage an die sportliche Führung: Wie kann es sein, dass die Ausländer in Langnau diese Saison bereits 46 Tore und 102 Punkte beigesteuert haben und die SCB-Ausländer bloss 29 Tore und 78 Punkte? Bei gleicher Grundaufstellung: zwei Verteidiger, vier Stürmer. Und dies, obwohl die SCB-Ausländer wahrscheinlich die im Quadrat talentierteren helvetischen Mitspieler haben.
Die Antwort ist einfach und eine bittere Ironie der Geschichte: Die Erhöhung der Anzahl der Ausländer von vier auf sechs ist vom SCB vorangetrieben worden. Aber der SCB ist inzwischen der einzige Klub der Liga, dem es trotz wieder gut gefüllten Geldspeichern einfach nicht gelingt, alle Ausländerpositionen ausreichend gut zu besetzen. Das enorme Leistungsgefälle unter dem ausländischen Personal ist der knirschende Sand im Maschinenraum des SCB-Spiels. Die Gleichung für diese Saison: Mehr Ausländer = mehr Sorgen.
Vieles mag Pech sein. Aber es gibt auch ein gerüttelt Mass an Unvermögen. Chris DiDomenico ist überragend, Oscar Lindberg durchaus genügend. Die restlichen SCB-Ausländer sind Kummerbuben: Dominik Kahun ist ein brillanter, aber zerbrechlicher und zweikampfscheuer Schillerfalter. Zu wenig robust, um eine Mannschaft auf seinen Flügeln durch den Herbst und den Winter in den Frühling zu tragen. Er war letzte Saison dazu nicht in der Lage. Er ist es auch jetzt nicht.
Die Gewährsleute aus der Bundesrepublik sagten schon im Sommer, Langnau habe mit Marc Michaelis den besseren Deutschen. Nicht polemisieren, sachlich bleiben. Die Zahlen zu dieser Saison: Marc Michaelis: 24 Punkte in 25 Spielen. Dominik Kahun: 8 Punkte in 7 Partien.
Wenig Hilfe von den Hockey-Göttern hatte der umtriebige Sportchef Andrew Ebbett bei der Besetzung der beiden Verteidigerpositionen: Vor einer Verpflichtung von Eric Gelinas warnten die Gewährsleute aus Schweden schon im Sommer: Nicht fit und nicht geeignet für unsere Lauf- und Tempoliga. Seine Saisonbilanz in Bern: 13 Spiele, 3 Punkte. Cody Goloubef war schon in der vergangenen Spielzeit bloss ein Mitläufer und ist es auch weiterhin. Seine Saisonbilanz: 25 Spiele, 6 Punkte.
Das Standblatt der ausländischen Verteidiger in Langnau: Vili Saarijärvi: 25 Spiele, 19 Punkte. Sami Lepistö: 25 Spiele, 11 Punkte. Fassen wir zusammen: 30:9 ausländische Verteidigerpunkte für Langnau. Um es etwas boshaft zu formulieren: Die SCL Tigers haben eigentlich Schweizer Feldspieler für die Swiss League, aber sechs Ausländer, die sich mit dem Klub identifizieren und mit einer Leidenschaft sondergleichen die Mannschaft tragen. Nicht immer gelingt es. Aber gegen den SCB ist es einmal mehr gelungen. Fünf aus dem Sextett könnten in jedem anderen Team eine gute Rolle spielen.
Der SCB taumelt hingegen mit Schweizern durch die Saison, die zumindest theoretisch gut genug für ein Meisterteam sind. Aber mit Ausländern, die zu oft der Hilfe der Schweizer bedürfen. Bis auf die einsame Lichtgestalt Chris DiDomenico könnte keiner bei der Konkurrenz eine tragende Rolle übernehmen.
Eine Analyse der Schweizer Transfers heben wir uns für das neue Jahr auf. Vorerst nur so viel: Sven Bärtschi hat in 24 Spielen bisher 8 Punkte produziert und Joel Vermin 8 Punkte in 25 Partien. Es gibt auch hier Steigerungspotenzial.
Dieses 2:4 in Langnau ist gefühlt die bitterste Niederlage der Saison. Doch der tüchtige SCB-Trainer hat Glück. There is always next game. Der Spielplan hilft. Bereits am Donnerstag folgt im Heimspiel wiederum gegen die Langnauer die Chance zur Korrektur, zur Versöhnung mit dem Publikum und vielleicht sogar zum Turnaraound.
Der Optimist sagt: Dieses 2:4 in Langnau war der Tiefpunkt der Saison. Von nun an geht es aufwärts. Die Kopie der Jalonen-Taktik wird bald funktionieren und den SCB in die obere Tabellenhälfte tragen. In den nächsten Partien wird das ausländische Personal rocken und rollen. Der Realist wendet ein und sagt: Gemach, gemach! Wenn Toni Söderholm in den sieben ausstehenden Aufführungen vor der Weihnachtspause gegen Langnau, Zürich, Zug, Gottéron, Lausanne, Kloten und Biel keine sicht- und spürbare Verbesserung zuwege bringt, dann steht er im Frühjahr den Deutschen bereits wieder für die WM zur Verfügung.
Und Chief Executive Officer (= Geschäftsführer) Raëto Raffainer und General Manager (= Sportchef) Andrew Ebbett werden in der Altjahrswoche zu einer Krisensitzung ins Büro des zornigen Präsidenten Marc Lüthi befohlen. Wo sie dann das feurige Unternehmensmotto «Der SCB geht unter die Haut» im wahrsten Wortsinn hautnah erleben werden. Don't mess with Marc!
P.S. Eines der besten Bücher von Erich von Däniken trägt den Titel: «Der Jüngste Tag hat längst begonnen». Was er natürlich nicht auf die Amtszeit von Toni Söderholm beim SCB gemünzt hat.
eingeleitet.
Das einzige Positive in dieser Saison: Zuzug von Loeffel.
Item, Hopp SCB