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Eishockey: David Reinbacher wird von diversen NHL-Teams gescoutet

EHC Kloten Verteidiger David Reinbacher waehrend dem Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem EHC Kloten und dem HC Fribourg-Gotteron am Dienstag, 1. November 2022, in Kloten. (K ...
David Reinbacher hat gute Chancen, in der ersten oder zweiten Runde für die NHL gedraftet zu werden.Bild: keystone
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Ein Österreicher ist das einzige Talent in unserer Liga, das die NHL interessiert

Ein Junior ist die Sensation der National League. Jedenfalls hat noch nie ein Spieler so viele NHL-Scouts mobilisiert wie Klotens Verteidiger David Reinbacher. Soeben sind zehn NHL-Scouts angereist, um den Österreicher mit Schweizer Lizenz beim Gastspiel in Langnau zu beobachten.
26.11.2022, 12:4126.11.2022, 13:24
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Ein wenig ist die Hockey-Welt aus den Fugen geraten. Wir sehen uns ein wenig als Nabel der mitteleuropäischen Hockey-Welt. Umgeben von «Operetten-Hockeykulturen» in Österreich, Italien oder Frankreich und selbst die deutsche DEL beeindruckt uns eigentlich nicht.

Tatsächlich reisen die NHL-Talentsucher (Scouts) in die Schweiz und in unserem Land gar bis in die Krächen des Emmentals. Aber sie wollen nicht einen jungen Eidgenossen beobachten. Sondern einen österreichischen Wunderknaben.

Diese Saison interessieren sich die Abgesandten der wichtigsten Liga der Welt eigentlich nur für David Reinbacher. Der Österreicher mit Schweizer Lizenz ist am 25. Oktober gerade mal 18 geworden und hat beim Deutschland Cup die ersten drei Länderspiele für Österreich bestritten. Für Kloten hat er diese Saison in 22 Partien elf Punkte gebucht.

Klotens Martin Ness, Patrick Obrist, David Reinbacher, von links jubeln beim 1:4, im Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und dem EHC Kloten am Samstag 29. Oktober 20 ...
David Reinbacher (rechts) jubelt gemeinsam mit Patrick Obrist (Mitte) und Martin Ness.Bild: keystone

Die Medientribüne im Langnauer Hockeytempel ist bei gewöhnlichen Qualifikationspartien nie bis auf den letzten Platz gefüllt. Aber gegen Kloten ist am Freitag so ziemlich jeder Stuhl besetzt. Der umsichtige Medienchef Rolf Schlapbach sieht sich genötigt, die Plätze zuzuteilen und zu beschriften. Damit jeder einen Arbeitsplatz auf sicher hat.

David Reinbacher wäre ja bequem in Kloten, Zürich oder in Rapperswil-Jona zu beobachten. Doch Boston, Washington, Columbus, Winnipeg, Vancouver und Ottawa haben insgesamt zehn Männer ins tiefe Emmental nach Langnau ausgeschickt, um das Wunderkind zu sehen. Für Ottawa ist gar Trent Mann, der Assistent des General-Managers, da, um sich ein Bild vom «Donau-Josi» zu machen.

Washington wird durch Steve Bowman vertreten. Der Neffe des legendären Scotty Bowman ist bei Washington der Chef der Scouting-Abteilung, die sich um die Draft-Kandidaten kümmert. Die hochrangigen Beobachter mögen illustrieren, wie wichtig die Sache geworden ist. Sie wird nicht von allen NHL-Organisationen bloss den einfachen Scouts überlassen.

Nie zuvor in der Geschichte war also so viel NHL-Prominenz zu Gast in Langnau wie am letzten Freitag. Und natürlich war auch Matthias Bieber da: Der ehemalige Nationalstürmer und WM-Silberheld von 2013 arbeitet inzwischen für den Zürcher Advokaten und Spieleragenten Georges Müller, der schon Roman Josi in die NHL gebracht hat.

Wir sehen: Das ganze Rösslispiel ist aufgefahren. Selbst Roman Josi und Janis Moser haben nie ein solches Interesse geweckt. Nicht einmal Auston Matthews lockte während seiner Ausbildungssaison bei den ZSC Lions (2015/16) regelmässig so viele Scouts in die Schweizer Stadien. Verständlich: Der Amerikaner, heute ein absoluter Star in Toronto, war als «Jahrzehnt-Talent» so gut, dass er eigentlich nicht mehr eingehend beobachtet werden musste. Aber bei einem Österreicher ist schon eine Zweit-, Dritt-, Viert- oder besser noch eine Fünftmeinung erwünscht.

ALS VORSCHAU AUF DIE AM MITTWOCH, 7. SEPTEMBER 2016, BEGINNENDE EISHOCKEY NATIONAL LEAGUE A SAISON, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Lions' Auston Matthews, of USA, retur ...
Als Auston Matthews beim ZSC spielte, war es für die NHL-Scouts bereis nicht mehr nötig, ihn gross zu beobachten.Bild: KEYSTONE

Kurzum: Es hat in unserer höchsten Liga noch nie einen solchen Rummel um einen künftigen NHL-Draft gegeben wie diese Saison um David Reinbacher. Unsere grossen Talente, die dann in der ersten Draft-Runde gezogen worden sind (Sven Bärtschi, Timo Meier, Nico Hischier, Kevin Fiala, Lian Bichsel, Mirco Müller, Nino Niederreiter oder Luca Sbisa), spielten ja bereits im Juniorenalter in Nordamerika oder Schweden und sind dort beobachtet worden. Und als Michel Riesen (Erstrundendraft 1997) und Luca Cereda (Erstrundendraft 1999) im Fokus der NHL-Organisationen standen, war das Scouting-Business in Europa noch nicht so gut ausgebaut.

Welches Potenzial hat David Reinbacher? Er ist in der Schweiz ausgebildet worden. Erst bei Rheintal und seit 2019 in der Nachwuchsabteilung von Kloten. Deshalb hat er eine Schweizer Lizenz und gilt nicht als Ausländer. Der Vorarlberger mahnt in der Spielweise und mit der Postur ein wenig an Roman Josi im gleichen Alter in der höchsten Liga.

Ohne Ausrüstung wirkt er wie ein schlaksiger Teenager. Er ist weder Spektakelmacher noch Abräumer. Er beeindruckt mit Ruhe in allen Situationen, Sicherheit mit dem Puck und der Fähigkeit, das Spiel an sich zu ziehen und zu dominieren. Ein kompletter, moderner Verteidiger mit einer faszinierenden Spielintelligenz.

David Reinbacher sagt, er wisse um das Interesse aus der NHL. Ab und an habe er telefonischen Kontakt mit einem Scout. Aber dadurch lasse er sich nicht ablenken. Das alles sei kein Problem. Er sagt es nicht einfach so. Es ist so.

Die Erwartungen sind hoch. Er dürfte beim Draft in der ersten oder zweiten Runde gezogen werden. Sein Vertrag in Kloten läuft im nächsten Frühjahr aus. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sein künftiger NHL-Klub ihn nach dem Draft unter Vertrag nimmt, aber noch eine weitere Saison zur Weiterentwicklung in der National League spielen lässt.

Wenn wir uns gerade mit dem Thema befassen: Wer sind die Männer, die nach Talenten Ausschau halten? Einst war die Scouting-Abteilung bei den NHL-Klubs so etwas wie ein Sozialsystem für ehemalige NHL-Profis. Wer nach dem Rücktritt keinen Job als Coach oder im Management fand, wurde eben Scout. Es war die Zeit, als das NHL-Durchschnittssalär knapp 100'000 Dollar betrug. Da wurde als Spieler keiner so reich, dass er sich zur Ruhe setzen konnte. Es war immer noch besser, ein Scout zu sein als einer schlecht bezahlten Arbeit im richtigen Leben nachzugehen. Oder nach der Heimkehr nach Europa eine Beschäftigung im Hockey zu haben.

Daniel Vukovic, einst Verteidiger bei Servette und Rappi, ist heute ebenfalls aus Scout unterwegs.
Daniel Vukovic, einst Verteidiger bei Servette und Rappi, ist heute ebenfalls aus Scout unterwegs.bild: klaus zaugg

Heute verdient ein NHL-Spieler durchschnittlich etwas mehr als drei Millionen. Für die Stars ist das Leben als Scout keine Option mehr. Aber nach wie vor sind viele ehemalige NHL-Profis in diesem Geschäft und mehr und mehr auch ehemalige Junioren-Coaches, Manager von Junioren-Organisationen oder Quereinsteiger, die auf diesem Weg die Chance auf eine Karriere in der Administration einer NHL-Organisation sehen.

Aber wer keinen grossen Namen trägt und nicht zu einer der NHL-Bruderschaften gehört, kommt in den Hierarchien nur nach oben, wenn er eine Rolex auf den internationalen Talentwühltischen aufspürt. So ist es logisch, dass die Scouts zwar freundlichen Umgang untereinander pflegen, sich Anekdoten erzählen, aber ihre Erkenntnisse für sich behalten, als seien sie Vertreter konkurrierender Geheimdienste. Obwohl inzwischen auch in der National League jede Spielszene von den TV- und Videokameras erfasst wird, ist und bleibt der Spielbesuch für die umfassende Beurteilung unerlässlich. Viele Scouts beobachten bereits aufmerksam das Aufwärmen vor dem Spiel.

Grosse, reiche NHL-Organisationen wie die New York Rangers oder die Los Angeles Kings löhnen ihre Kundschafter mit gut 100'000 Dollar im Jahr und bewilligen Tagesspesen von mehr als 100 Dollar und Hotelzimmer, die über 200 Dollar kosten. Wer hingegen für Organisationen aus kleineren Märkten arbeitet – wie Winnipeg, Edmonton, Arizona, Carolina oder Colombus – muss mit 60'000 bis 70'000 Dollar im Jahr und bei einer natürlich bezahlten Reise ins Emmental mit 60 bis 70 Dollar Tagesspesen und Hotelzimmer für weniger als 200 Dollar zufrieden sein. Es ist ein harter Job. Wegen der Reiserei nicht eben familienfreundlich.

Das riesige Interesse an David Reinbacher führt zur bitteren Erkenntnis, dass es aktuell kein einziges Schweizer Talent gibt, das auch nur in die Nähe des besten jungen Österreichers kommt. Österreichs Nationaltrainer Roger Bader kümmert sich auch um das U20-Nationalteam. Der Zürcher kennt unser Hockey aus langjähriger Trainertätigkeit bestens. Er sagt, dass Österreich inzwischen mehr hochkarätige Talente hervorbringe als die Schweiz. Beim Deutschland Cup sei der Altersschnitt seines Nationalteams nicht viel höher gewesen als 20 Jahre. Mittelfristig sei ob dieser Entwicklung nicht einmal mehr auszuschliessen, dass Österreich bei einer WM die Schweiz hinter sich lasse.

Switzerland's Jonas Taibel (25) and Austria's David Reinbacher (5) work for the puck during the second period of an IIHF world junior hockey championships game Monday, Aug. 15, 2022, in Edmo ...
David Reinbach bei einem Einsatz für Österreichs U20 gegen den Schweizer Jonas Taibel.Bild: keystone

Es muss schon ein wenig nachdenklich stimmen, wenn die NHL-Scouts in die Schweiz reisen, um einen Österreicher zu beobachten. Und es stimmt noch nachdenklicher, wenn unser tüchtiger Verbandsportdirektor Lars Weibel eine offizielle Medienmitteilung verfasst, um stolz wie ein Pfau zu verkünden, man habe sich mit Lian Bichsel versöhnt. Der talentierte Verteidiger stehe für die kommende U20-WM zur Verfügung. Was sind das eigentlich für Zustände rund um unser wichtigstes Junioren-Nationalteam, wenn mit einer öffentlichen Verlautbarung das WM-Aufgebot eines Juniors gefeiert wird? Wir wollen dieses Thema lieber nicht vertiefen.

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Lian Bichsel wurde von Nati-Sportdirektor Lars Weibel begnadigt.Bild: keystone

Bleibt noch die Frage, wie denn David Reinbacher in Langnau gespielt hat. Unauffällig. Etwas mehr als eine Viertelstunde Eiszeit (16:03 Minuten), kein Tor, kein Assist und eine Minus-1-Bilanz. Aber er hatte viele gute Szenen. Seine NHL-Chancen sind wegen der 1:2-Niederlage der Klotener nicht gesunken.

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30 Kommentare
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Liebu
26.11.2022 13:07registriert Oktober 2020
David Reinbacher wäre ja bequem in Kloten, Zürich oder in Rapperswil-Jona zu beobachten. Doch Boston, Washington, Columbus, Winnipeg, Vancouver und Ottawa haben insgesamt zehn Männer ins tiefe Emmental nach Langnau ausgeschickt

Das muss wohl an den Super Pommes frites in Langnau liegen.
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30
Was du schon immer sehen wolltest: Ein Gespräch zwischen Eismeister Zaugg und Marc Lüthi

In der Playoff-Zeit, da widmet sich selbst das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Schweiz wieder dem Eishockey. Zumindest teilweise. Live-Spiele gibt es beim SRF keine mehr zu sehen, echte Zusammenfassungen auch nicht. Aber gestern hat «10 vor 10» dafür watson-Eismeister Klaus Zaugg porträtiert.

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