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Eismeister Zaugg

Eismeister Zaugg: Marc Lüthi und die Milliardäre

Portrait vom CEO des SC Bern, Marc Luethi, am Montag, 13. August 2018, in der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Marc Lüthi in seinem Büro in der PostFinance Arena in Bern.Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg

Marc Lüthi und die Milliardäre – dem SCB droht die nächste Transferpleite

Dem SC Bern steht nach dem «Fall Genoni» bei Enzo Corvi vor der nächsten fatalen Transferniederlage. Eine neue Ära beginnt. Verkommt das grosse SCB-Strategiepapier zur Makulatur und der SCB vom Titanen zum sportlichen und wirtschaftlichen Aussenseiter?
24.08.2018, 16:13
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SCB-Strategiepapier? Ja, das gibt es. Alle zwei Jahre überarbeitet das grösste Hockey-Unternehmen Europas seine sportliche Strategie und hält die gewonnenen Erkenntnisse fein säuberlich schriftlich fest. Zuletzt in diesem heissen Sommer 2018. SCB-Manager Marc Lüthi sagt: «Was heisst hier Papier? Es ist inzwischen ein ganzes Buch ...» Leider ist es weder im Buchhandel noch auf Amazon erhältlich.

Die grosse strategische Linie in dieser SCB-Gebrauchsanleitung in ein paar Strichen gezeichnet: die Schweizer und nicht mehr die Ausländer sollen die Mannschaft prägen. Deshalb wird versucht, die helvetischen Stars mit langen Verträgen zu binden.

Portrait von Simon Moser, Spieler des SC Bern, am Dienstag, 14. August 2018 vor dem Training in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Unter anderem Captain Simon Moser hat in Bern einen langfristigen Vertrag.Bild: KEYSTONE

Die Umsetzung ist anfänglich ja ganz gut gelaufen. Captain Simon Moser (29) hat bis 2023 unterschrieben, Ramon Untersander (27) bis 2022. Eric Blum (32) hat sich bis 2022 zum SCB bekannt, Tristan Scherwey (27) bis 2020 und Thomas Rüfenacht (33) bis 2020. In allen Fällen ist es gelungen, das Arbeitsverhältnis so früh zu prolongieren, dass gar nicht erst ein Transferspektakel entstehen konnte. Das gibt Planungssicherheit. Wirtschaftlich und sportlich.

Die Krönung dieser Strategie hätte nun die vorzeitige fünfjährige Vertragsverlängerung mit Leonardo Genoni werden sollen. Obwohl das Arbeitsverhältnis erst im nächsten Frühjahr ausläuft, hatte Sportchef Alex Chatelain schon im Sommer 2017 (!) einen Anlauf zur vorzeitigen Verlängerung unternommen. Umsonst.

Schliesslich wurde diese Personalie zur Chefsache erklärt und nicht der Sportabteilung überlassen. Marc Lüthi hatte sich ausnahmsweise persönlich in Transfer-Verhandlungen eingeschaltet, seinem Torhüter die langfristige Strategie erklärt und ihm so die enorme Wichtigkeit seiner Rolle im SCB-Universum signalisiert. Das mag der SCB-Manager und -Mitbesitzer zwar so nicht bestätigen, gibt aber zu: «Ja, ich habe mit ihm gesprochen.» Ist ja auch logisch. Wer den Besten der Besten an sein Hockeyunternehmen binden will, muss den Höchsten der Hohen an den Verhandlungstisch schicken.

Portrait vom CEO des SC Bern, Marc Luethi, am Montag, 13. August 2018, in der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Marc Lüthi hat höchstpersönlich versucht, Leonardo Genoni von einem Verbleib zu überzeugen.Bild: KEYSTONE

Es hat nichts genützt. Leonardo Genoni wechselt Ende Saison mit einem Fünfjahreskontrakt nach Zug. Nun muss der SCB erstmals in seiner Geschichte auf der wichtigsten Einzelposition an die Verpflichtung eines Ausländers denken. Das Strategiepapier verkommt Makulatur.

Leonardo Genoni versichert zwar glaubhaft, dass Geld bei seiner Entscheidung gegen den SCB und für Zug keine Rolle gespielt habe. Aber es ist, wie es ist: der SCB kann nicht mehr Geld ausgeben, als eingenommen wird. Die Zuger hingegen schon. Ihr Präsident Hans-Peter Strebel ist Milliardär und seine Bewunderer raunen, alleine seine Yacht koste mehr als ein SCB-Jahresbudget in der Höhe von fast 60 Millionen. Item, der SCB hat in diesem Transfergeschäft den Kürzeren gezogen.

Switzerland's forward Enzo Corvi speaks to the journalist, during the media opportunity of the Switzerland National Ice Hockey Team a training session, at the IIHF 2018 World Championship, in Cop ...
Wohin des Weges, Enzo Corvi?Bild: KEYSTONE

Inzwischen hat bereits die nächste Runde im «Big Business» und die sportliche Dominanz der nächsten Jahre begonnen. Es geht um Enzo Corvi (25). Einen weiteren WM-Silberhelden. Sein Vertrag läuft im nächsten Frühjahr aus. Der Center würde perfekt zum SCB passen und seine Verpflichtung wäre ein Signal der Stärke. Zumal nach wie vor nicht ausgeschlossen werden kann, dass Gaëtan Haas, auch ein WM-Silberheld, im nächsten Sommer nach Nordamerika zügeln wird.

«Ja klar, wir sind an Corvi interessiert. Es wäre unprofessionell, nicht interessiert zu sein.»
Zug-Sportchef Reto Kläy

Wie nervös die Berner sind, zeigt sich in diesen Tagen beim tüchtigen Sportchef Alex Chatelain. Eigentlich ist ein freundliches Lächeln bei Fragen nach Gängen und Läufen im SCB-Transfergeschäft die leidenschaftlichste Gefühlsregung des sportlichen SCB-Bürogenerals. Doch auf die Frage, wie gut er in der «Causa Corvi» vorankommen, entgegnet er nun ungewohnt knurrig: «Wir kommentieren keine Spekulationen.»

EVZ Zug Sportchef Reto Klaey spricht anlaesslich einer Pressekonferenz am Dienstag, 29. August 2017, in Zug. (KEYSTONE/Siggi Bucher)
Zug-Sportchef Reto Kläy reibt sich die Hände: Stellt er ein zukünftiges Meisterteam zusammen?Bild: KEYSTONE

Zugs Sportchef Reto Kläy reagiert da schon cooler. Er bestätigt ganz offiziell: «Ja klar, wir sind an Corvi interessiert. Es wäre unprofessionell, nicht interessiert zu sein.» Die Nähe zu Corvis Agenten Daniel Giger, dessen Firma «4 Sports» im Zuger Hockeytempel eine Loge unterhält, ist sicherlich kein Nachteil. Gelingt es Reto Kläy, nach Leonardo Genoni auch noch den wohl besten Schweizer Center zu verpflichten, dann wird der EV Zug nächste Saison definitiv ein meisterlicher Titan.

Aber an Enzo Corvi sind auch die ZSC Lions und Lugano interessiert. Wie in Zug sichern auch da präsidiale Milliardenvermögen die Wirtschaftskraft ab. ZSC-Obmann Walter Frey ist Multimilliardär, Luganos Frontfrau Vicky Mantegazza Multimilliardärin.

Prtaesidentin Vicky Mantegazza, vorne, und die Mannschaft des HC Lugano an der offiziellen Team-Praesentation des HC Lugano, am Sonntag, 12. August 2018 in Lugano. (KEYSTONE/Ti-Press/Gabriele Putzu)
Ws führt Lugano-Präsidentin Vicky Mantegazza im Schilde?Bild: TI-PRESS

Oder gelingt es am Ende dem HC Davos Enzo Corvi zu halten und damit den beunruhigenden «Talent Drain» der jüngsten Zeit endlich zu stoppen? Der HCD hat in den letzten drei Jahren fast so viele wichtige Spieler verloren wie zuvor während der 20 Jahren seit dem Wiederaufstieg von 1994: Unter anderem haben die Davoser seit der letzten Meisterfeier von 2015 durch Rücktritt oder Abwanderung ins Flachland verabschiedet: Leonardo Genoni, Reto und Jan von Arx, Beat Forster, Simon Kindschi, Noah Schneeberger, Samuel Guerra, Mauro Jörg, Dario Simion, Samuel Walser, Grégory Hofmann und Gregory Sciaroni.

Die Nervosität ist auch in Davos gross. Trainer und Sportchef Arno Del Curto sagt: «Da muss jetzt der Präsident verhandeln. Ich sage gar nichts mehr.» Nur in ganz wichtigen Angelegenheiten kümmert sich der HCD-Vorsitzende Gaudenz Domenig ums Tagesgeschäft. Der erfolgreiche Wirtschaftsanwalt ist zwar kein Milliardär. Aber er kann, wenn es denn wichtig ist, eine einflussreiche Männerrunde mit abgeschlossener Vermögensbildung und direkten Beziehungen in den Vatikan mobilisieren. So hat er einst den HCD saniert und wieder auf meisterliche Stärke gebracht. Voller Ehrfurcht erzählen Kenner, einem dieser diskreten HCD-Freunde lasse der Papst jeweils persönlich die allerbesten Glückwünsche zum Geburtstag ausrichten.

Papst Franziskus, anlaesslich des Besuches von Bundespraesident Schneider-Ammann am Samstag, 7. Mai 2016, im Vatikan. Bundespraesident Schneider-Ammann wohnte gestern der Vereidigung der Paepstlichen  ...
Ob Papst Franziskus manchmal an den HCD denkt?Bild: TI-PRESS

Die Fälle Leonardo Genoni und Enzo Corvi sind viel mehr als einfach spektakuläre Transfergeschäfte. Es geht im Spätsommer und Herbst 2018 um die Ausgestaltung der sportlichen Machtverhältnisse in unserem Hockeybusiness für die kommenden fünf bis zehn Jahre.

Marc Lüthi konnte sich bisher gewitzt und klug wirtschaftlich und sportlich im nationalen Hockeygeschäft behauptet. Der SCB hat unter seiner Leitung in diesem Jahrhundert immer schwarze Zahlen geschrieben und 2004, 2010, 2013, 2016 und 2017 die Meisterschaft gewonnen.

HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister

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quelle: keystone / ennio leanza
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Aber immer mehr findet er sich in der gleichen Rolle wieder wie Asterix, der in alten Zeit sein gallisches Dorf gegen das mächtige römische Imperium zu verteidigen wusste. Marc Lüthi muss sein Geld im Hockey- und Gastronomie-Business erwirtschaften. Spendable Milliardäre und Milliardärinnen gibt es im SCB-Umfeld keine, die mit einem «Zustupf» einem Transfergeschäft die gewünschte Richtung geben können. Männer mit einem direkten Draht zum Papst im reformierten Bern auch nicht.

Bald einmal kann der Kantonsrivale Biel dem SCB im Hockeybusiness auf Augenhöhe entgegentreten. Mit den Transfers von Jonas Hiller (36), Damien Riat (21), Damien Brunner (32) und Jason Fuchs (22) ist Biel inzwischen auf dem Papier dem SCB sportlich bedrohlich nahegekommen.

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Christoph Bertschy: Vom SCB in die NHL und jetzt zu Lausanne.Bild: AP/FR1768 AP

Und der SCB hatte bei der Rückkehr von Joël Vermin (26) und Christoph Bertschy (24) aus Nordamerika gegen Lausanne keine Chance. Auch dort ist der Teambesitzer (der Amerikaner Ken Stickney) ein Milliardär. Ach, wie viel besser wären die SCB-Perspektiven, wenn es wenigstens gelungen wäre, die beiden eigenen Junioren (!) wieder nach Bern zu holen!

Wir werden gerade Zeitzeugen des Beginns eines neuen, aufregenden Kapitels unseres Klubhockeys. Titel: SCB-Asterix Marc Lüthi und die Milliardäre.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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John McClane
24.08.2018 17:18registriert April 2015
Da Hauptproblem des SCB ist meiner Meinung nach, dass man es in den letzten Jahren einfach nicht geschafft hat, einen Stamm an eigenen Junioren im Fanionteam zu etablieren. Momentan sind doch nur vier Spieler, welche beim SCB ausgebildet wurden (Y. Burren, C. Gerber, A. Berger und A. Heim) in der 1. Mannschaft. Korrigiert mich falls ich jemanden vergessen habe.
Da arbeiten und handeln andere Spitzenteams halt einfach professioneller.
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goldmandli
24.08.2018 17:25registriert November 2014
Bern als kleines Gallien darzustellen, kann auch nur Zaugg in den Sinn kommen. Mit 13'000 verkauften Saisonkarten nagen sie ja schon arg am Hungertuch.

Der Papst persönlich hat mir übrigens mitgeteilt, dass sich lüthi in Ambri und Rappi beschwert habe, weil sie zu viel geld für spieler ausgäben.
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Bätzi
24.08.2018 16:46registriert Juli 2014
Genau! Der Arme kleine SCB hat keine Chance gegen die Bösen Römer. Das ist gejammert auf sehr sehr hohem Niveau, auch Milliardäre können nicht endlos ein Team Finanzieren. Siehe Kloten, Siehe Genf. Das der SCB Finanziell nicht mit halten kann kann ich mir nicht vorstellen, wenn alleine mit den Saisonabos kann Bern mehr Geld generieren als jeder andere Club abgesehen davon hat auch Bern sicher seine Finanzkrösuse die Kräftig mit Finanzieren. Apropo der vergleich mit Biel ist sicher sehr schmeichelnd aber Budget technisch völliger Humbug.
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