Gaëtan Haas, in der Schweiz wurden die Playoffs wegen des Coronavirus abgesagt. Die NHL macht momentan Pause. Wie gehen Sie damit um?
Gaëtan Haas: Im Moment spielen wir nicht mehr, wir können das aber nicht beeinflussen. Wir trainieren einfach weiter und schauen, was passiert.
Wissen Sie schon, wie es weitergeht?
Nein, im Moment ist alles offen. Wir müssen abwarten.
Sie waren bei den Edmonton Oilers lange als Viertlinien-Center gesetzt. Vor der Pause mussten Sie vier der letzten fünf Spiele in Serie von der Tribüne mitansehen. Was ist passiert?
Eigentlich nichts. Das Trainer-Team war zufrieden mit mir. Wir hatten fast keine Verletzten mehr. Darum entschieden sich die Coaches, auch andere Linien zu testen. Damit muss man immer rechnen.
Hat Ihr Trainer Dave Tippett Ihnen erklärt, warum Sie nicht mehr zum Zug kamen?
Ja, er kam zu mir und hat gesagt, dass ich gut spielen würde und er zufrieden mit mir sei. Aber er wolle mal etwas anderes probieren.
Könnte ein Grund sein, dass die dritte und vierte Linie bei Edmonton zu wenig Tore erzielen?
Schwierig zu sagen. Die ersten beiden Linien erhalten bei uns sehr viel Eiszeit. Dank den Powerbreaks können sie sich immer wieder ausruhen und wir anderen kommen so nur selten zum Zug, schon gar nicht in der Offensiv-Zone. Die Liga ist extrem stark und bei 5 gegen 5 ist es schwierig, Tore zu erzielen. Aber es liegt an uns, mehr Druck aufs Tor zu machen. Das Wichtigste bleibt jedoch, dass du hinten keine kassierst.
Wie reagierten Ihre Teamkollegen, als Sie plötzlich nicht mehr spielten? Kommen da Aufmunterungen oder schaut jeder vor allem auf sich selbst?
Wir reden schon miteinander, aber am Ende schaut doch jeder auf sich. Das ist auch normal: Für die Teamkollegen steht das nächste Spiel an und sie müssen sich darauf konzentrieren. Wichtig ist, dass die Mannschaft das nächste Spiel gewinnt. Wir sind Profis und müssen mit Rückschlägen umgehen können. Wenn du dann wieder eine Chance bekommst, musst du dem Coach zeigen, dass du dem Team helfen kannst.
Apropos Teamkollegen. Sie spielen zusammen mit Connor McDavid und Leon Draisaitl in einem Team. Was macht die beiden so stark?
Sie haben einen komplett anderen Stil als die meisten anderen NHL-Spieler. Connor ist extrem schnell bei allem, was er macht. Beim Schlittschuhlaufen, beim Stickhandling, bei der Antizipation. Deshalb kann er auf alles sofort reagieren. Leon ist extrem ruhig am Puck. Er muss nicht immer Vollgas geben, weil er das Spiel so gut sieht und den Puck gut abdeckt. Ausserdem sind seine Pässe mit Vor- und Backhand extrem präzis.
Können Sie sich von den beiden auch etwas abschauen?
Natürlich versuche ich jeden Tag zu schauen, was sie besser machen. Am Schluss kannst du sicher ein paar Dinge mitnehmen, aber am Ende muss ich auf mein Spiel schauen.
Mit Draisaitl können Sie sich auch auf Deutsch unterhalten. War das bei der Integration ins Team ein Vorteil?
Ein Vorteil vielleicht nicht. Aber es ist immer schön, wenn ich Deutsch oder Französisch sprechen kann. Englisch ist meine dritte Sprache und ich bin nicht immer ganz sattelfest, aber sie verstehen mich alle. Und Leon freut sich, dass er mit mir ab und zu Deutsch sprechen kann.
Sie gelten als starker Defensiv-Center mit starken läuferischen Fähigkeiten. Wo würden Sie sich gerne noch verbessern?
In der Offensive sicher. An meinen kämpferischen Fähigkeiten muss ich sicher noch arbeiten, damit ich im Angriffsdrittel öfter den Puck habe. In der NHL ist es einfach ein anderes Spiel als in der Schweiz, du hast viel weniger Platz und bist deshalb häufiger in Zweikämpfe verwickelt.
Wie unterscheidet sich das Eishockey sonst zwischen der NHL und der National League?
Viele sagen, das Spiel hier sei schneller. Aber das ist es nicht. Wegen des kleineren Eisfelds hast du einfach weniger Zeit und deshalb sieht alles schneller aus. Weil der Platz knapper ist, musst du schneller Entscheidungen treffen. Ausserdem wird viel häufiger an der Bande gearbeitet als in der Schweiz.
Wie sind Sie bislang mit Ihrem ersten NHL-Jahr zufrieden?
Ich bin sehr zufrieden und stolz auf meinen Weg. Schliesslich habe ich fast 60 Spiele absolviert. Als ich hierherkam, wusste ich nicht einmal, ob ich überhaupt auf eines kommen werde. Gleichzeitig will ich mich immer weiter verbessern. Natürlich möchte ich mehr Eiszeit kriegen. Das liegt vor allem an mir selbst, ich muss mich beim Trainer noch mehr aufdrängen.
Sie mussten im Herbst zwischendurch auch nach Bakersfield in die AHL. Wie haben Sie das erlebt?
Als sie mir gesagt haben, dass ich für zwei Wochen und sechs Spiele zu Bakersfield muss, versuchte ich, das positiv zu nehmen. Ich wusste, dass mich diese Erfahrung weiterbringen wird. Die Condors sind eine tolle Truppe mit vielen jungen Spielern und auch die Coaches sind super. Ich bekam dort viel Eiszeit, das hat mir extrem geholfen. Ich hatte oft den Puck und bekam so auch mehr Vertrauen.
Die Edmonton Oilers waren einst das beste Team der Welt mit dem besten Spieler der Welt, Wayne Gretzky. Seit 1990 wird auf einen weiteren Stanley-Cup-Triumph gewartet. Spüren Sie, dass Edmonton ein besonderes Franchise ist?
Klar, der Klub hat eine riesige Historie und alle warten auf den nächsten grossen Sprung nach vorne. Es ist zwar kein Druck da, aber alle hoffen, dass der Klub bald wieder an die früheren Erfolge anknüpfen kann. Wir spüren vor allem die Begeisterung der Leute und das motiviert die Mannschaft extrem.
Haben Sie etwas geändert, seit Sie in Kanada spielen? Die Ernährung? Die Intensität des Trainings?
Ich komme auf viel weniger Eiszeit als in der Schweiz, weshalb ich mehr trainieren muss. Oft gehe ich sogar nach den Spielen noch in den Kraftraum. Auch auf dem Eis bleibe ich öfter länger und schiebe noch ein paar Extraschichten. Wichtig ist für mich, dass ich mich noch besser an das Spiel in der NHL gewöhnen kann. Die Ernährung ist natürlich auch sehr wichtig, da musste ich aber nicht viel ändern.
Ihr erstes NHL-Tor war etwas kurios. Ihre Kollegen haben den falschen Torschützen bejubelt. Den Puck haben Sie aber trotzdem erhalten, oder? Hat er einen Ehrenplatz bekommen?
Ja, das war speziell (lacht). Ich lenkte den Puck ins Tor, aber die Teamkollegen reagierten nicht. Deshalb wusste ich zunächst auch nicht, ob ich das Tor erzielt hatte oder Matt Benning. Auf der Bank sagte er mir dann, dass ich es war. Den Puck werde ich erst noch erhalten, offenbar ist etwas Spezielles geplant.
Wie haben Sie sich in Edmonton eingelebt? Gefällt Ihnen das Leben in Kanada?
Es ist total anders als bei uns in der Schweiz. Alles ist grösser. Das Wetter ist auch kälter (lacht). Aber ich mag Schnee, weshalb das kein Problem ist. Zum Glück scheint fast immer die Sonne, auch wenn es sehr kalt ist. Die Leute sind extrem nett und freundlich, sie versuchen dir bei allem zu helfen. Dass du so weit weg von Familie und Freunden bist, ist manchmal auch schwierig. Es ist ein völlig anderes Leben, aber eine coole Erfahrung für mich.
Another big congrats to Gaetan Haas on scoring his 1st @NHL goal last night! #LetsGoOilers pic.twitter.com/sjMFklRW6h
— Edmonton Oilers (@EdmontonOilers) November 5, 2019
Mit wem im Team unternehmen Sie auch privat etwas? Wer sind Ihre Bezugspersonen?
Als ich ankam, war ich oft mit den anderen Rookies unterwegs: Patrick Russell, Tyler Benson und Kailer Yamamoto. Viele mussten aber in die AHL, andere kamen hoch. Mit Joel Persson und Joakim Nygard war ich im selben Hotel, weshalb wir oft zusammen ins Training fuhren und auch gemeinsam essen gingen. Ansonsten unternehmen wir privat nicht ständig alles zusammen, jeder hat ja noch sein eigenes Leben (lacht). Wenn wir auf den langen Auswärtstrips sind, haben wir es aber immer lustig zusammen.
Wie ist der Kontakt mit den anderen NHL-Schweizern? Geht man da manchmal miteinander essen, wenn man in derselben Stadt ist, oder spricht man einfach vor dem Spiel ein wenig miteinander?
Wir schreiben oft miteinander. Vor allem mit Nico Hischier bin ich oft in Kontakt. Wir haben zusammen in Bern trainiert und waren auch schon zusammen in den Ferien. Die anderen sehe ich fast immer nach dem Spiel, mit «Joslä» (Roman Josi, Anm. d. Red.) war ich beispielsweise auch schon essen. Sie versuchen mir möglichst zu helfen, falls ich Fragen habe. Das ist natürlich schon sehr cool.
Sie kennen auch Patrick Kane und Tyler Seguin aus der Lockout-Saison bei Biel.
Also ich kenne sie noch – ob sie mich auch noch kennen, weiss ich nicht. Es ist ja auch schon ein paar Jahre her. Es war auf jeden Fall eine super Erfahrung, mit ihnen gemeinsam bei Biel zu spielen.
Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Wissen Sie schon, wie es weitergeht? Stehen Sie mit Edmonton oder einem anderen Team in Verhandlung?
Für nächste Saison ist noch alles offen. Im Moment laufen noch keine Verhandlungen.
Was sagen Sie zur verpassten Playoff-Qualifikation des SC Bern?
Das war sicher eine riesige Enttäuschung. Ich habe noch immer viel Kontakt mit meinen ehemaligen Teamkollegen. Meist habe ich nur die Highlights gesehen, weshalb ich über die Spiele nicht allzu viel sagen kann. Aber es ist als Meister nie einfach, jeder will gegen dich gewinnen. Der SCB ist nicht der erste Titelverteidiger, der die Playoffs nicht geschafft hat. Die Jungs hatten viele Ups und Downs und dann wird es in einer so ausgeglichenen Liga sofort schwierig.
Wurden Ihr Abgang und derjenige von Torhüter Leonardo Genoni zu wenig gut kompensiert?
Ich glaube nicht, dass es daran gelegen hat. Der Klub hat sehr gute Spieler geholt, Talent und Erfahrung waren da. Aber es lief zu Beginn einfach nicht nach Plan und schon gerätst du unter Druck. Dann ist es schwierig, aus einer solchen Situation wieder herauszukommen.
Wie intensiv haben Sie die Spiele in der Schweiz verfolgen können?
Ganze Spiele konnte ich natürlich nicht sehen, aber ich habe mir fast immer die Highlights angeschaut. Resultate und Tabelle hatte ich so ständig präsent.
Sie sind Jurassier. Wie haben Sie den Cupsieg des HC Ajoie erlebt? Kennen Sie jemanden aus dem Team? Haben Sie gratuliert?
Eigentlich sage ich ja immer, dass ich Bieler bin (lacht). Aber ich habe Familie dort und kenne einige Spieler, denen ich natürlich gratuliert habe. Es ist fantastisch, dass ein welscher Klub aus der Swiss League den Cup gewinnen konnte. Das zeigt, dass die Welschen durchaus Erfolge feiern können.
Ob die Eishockey-WM 2020 in der Schweiz gespielt wird, steht im Moment in den Sternen. Wie ist Ihr Kontakt zu Nationaltrainer Patrick Fischer?
Wir schreiben uns hin und wieder ein SMS oder telefonieren. Vor ein paar Wochen haben wir uns in Nashville getroffen und gingen zusammen essen. Der Kontakt ist da, aber im Moment weiss ja niemand, ob gespielt werden kann oder nicht.
Ein kleines "Trostpflästerchen" in der Zeit, in der wir kein Hockey schauen können. 😄
Ps. Also ich hätte ihn auch nicht als Torschützen gesehen. . Schwierig zu sagen, aber wo war er noch dran bei seinem ersten Tor?