Die Einkaufspassagen im Talgut-Zentrum zu Ittigen sind am frühen Nachmittag beinahe gespenstisch leer. Vorstadt-Tristesse auf Berner Art.
Den Ausdruck «seelenlos» möge man mir verzeihen. Aber wer die wunderbaren Landschaften des Bernbiets liebt, die bewaldeten Hügel, die an ein «Wolfsland» mahnen, die Berge, das fruchtbare Bauernland des Oberaargaus – dem wird das Herz im Talgut zu Ittigen schwer und die Seele ein wenig grau.
Es ist die passende Kulisse in einem 10'000-Seelen-Vorort zum Ende einer Saison, die als eine der besten hätte in die Geschichte eingehen können. Nun wird sie als die unvollendete Meisterschaft ohne Meister und ohne Dramen um Auf- und Abstieg in Erinnerung bleiben. All die Polemik, all die Aufregung zwischen August und März – nichts als ein «Hornberger Schiessen». Oder wie die Berner sagen: «So viel Gescherr um so wenig Wolle».
Das «Haus des Sports» steht im Talgut-Zentrum. Das administrative Herz unseres Sportes schlägt hier in den Büros von «Swiss Olympic», dem Dachverband, der höchsten Behörde der helvetischen Sportkultur.
Die Sitzungsräume werden hier auch gerne von anderen Sportverbänden und -organisationen genützt. An diesem Freitag, dem 13. von den Klubvertretern der beiden höchsten Eishockey-Ligen.
Wir leben nicht in gewöhnlichen Zeiten. Es ist nicht mehr möglich, dass sich einfach so und spontan Menschen versammeln können. Es braucht eine Bewilligung der Behörden und mehr als 150 dürfen es nicht sein.
Also ist eine schriftliche Anmeldung erforderlich und jeder bekommt schriftliche Anweisungen: Wer 65 oder älter ist, an Bluthochdruck leidet und auch sonst nicht ganz gesund ist, bekommt keinen Einlass. Und wer Einlass bekommt, dem wird ein Halsband mit Plastikkärtchen umgehängt. Medienarbeit in Zeiten der Welt-Viruskrise in einem tristen Berner Vorort.
Im Untergeschoss des «Haus des Sports» treffen sich die Klubvertreter der beiden höchsten Ligen um 13.00 Uhr, um die Saison zu beenden. Dabei geht es um zwei Fragen: Werden die ZSC Lions als Qualifikationssieger zum Meister ausgerufen? Gibt es Aufsteiger und Absteiger?
Die Dreiviertelmehrheit für die Anträge «ZSC Meister» und «Aufstieg für Kloten und Visp» werden abgelehnt. 9 der Klubs der National League und 9 Klubs der Swiss League hätten zustimmen müssen. Das ist nicht der Fall. Nur die ZSC Lions und der SC Bern stimmen für den Antrag «ZSC Meister» und für einen Aufstieg votieren lediglich Kloten und Visp.
So haben wir nun eine Saison mit einem einzigen Titelträger: Cupsieger Ajoie. Und der SC Bern und der SC Langenthal bleiben Titelverteidiger.
ZSC-Manager Peter Zahner nimmt den Entscheid gelassen. Er hat die Interessen seines Klubs vertreten. Aber er konnte die anderen Klubvertreter nicht überzeugen. Er akzeptiert den demokratischen Entscheid ohne Wenn und Aber und lächelt in Kameras. Was er nicht sagt: Tief im Herzen ist er wohl froh, dass die ZSC Lions nicht auf so billige Art und Weise, sozusagen als «Krisengewinnler», zu einem Titel gekommen sind.
Auch gegen den zweiten Entscheid – keine Auf/Absteiger zwischen National League/Swiss League und Swiss League/MySports League gibt es keinerlei Aufbegehren. In Kloten und Visp wird man erleichtert sein, nun nicht eine NL-Saison vorbereiten zu müssen.
Eine gute Nachricht gibt es: UPC hatte das Geld für die TV-Rechte (etwas mehr als 30 Millionen) schon überwiesen, bevor die grosse Krise auch über unser Hockey gekommen ist. Und die Liga, die den Klubs die 1,66 Millionen in vier Raten zahlt, hat die vierte und letzte Rate bereits überwiesen.
Nun geht es für Liga-Direktor Denis Vaucher darum, mit den UPC-Juristen die Zukunft zu regeln: Er muss verhindern, dass die TV-Gelder wegen des vorzeitigen Endes der Saison nachträglich gekürzt werden, und dafür sorgen, dass der noch zwei Jahre laufende Vertrag eingehalten wird.
Eine Saison endet in normalen Zeiten mit einem Volksfest in einer der Hockey-Städte. Mit Champagner, Meister-Zigarren und viel Arbeit für die Chronistinnen und Chronisten, die den Triumph würdigen und das Scheitern analysieren. Und in den wahren Hockeystädten wie Bern folgen manchmal Meisterumzüge, die jede Fasnacht übertreffen.
Nun endet es mit einer Medienkonferenz, bei der es statt Champagner und Meisterzigarren ein paar Sandwiches, Schokoriegel und Kaffee gibt.
Bertolt Brecht hätte gesagt: Stell dir vor, es ist der letzte Tag einer Eishockeysaison, fast niemand geht hin und kaum jemand merkt es.
Richtig so