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Wie der «Schiri-Funk» den Zugern zum Verhängnis wird

Torhueter Luca Hollenstein (EVZ), links, und Torhueter Leonardo Genoni (EVZ), Mitte, im ersten Eishockey Playoff Halbfinalspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem EV Zug am Montag, 1.  ...
Der EV Zug erlebt gegen die Lions eine dramatische Niederlage. Bild: KEYSTONE
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Wie der «Schiri-Funk» den Zugern zum Verhängnis wird

Die ZSC Lions gewinnen das zweite Halbfinalspiel in Zug 1:0 und führen in der Serie 2:0. Es ist Zugs bisher dramatischste und unglücklichste Niederlage der Saison. Im Zentrum der Enttäuschung stehen nicht ganz zu Unrecht die Schiedsrichter. Aber wer die Schiedsrichterleistung thematisiert, ist ein Verlierer.
04.04.2024, 06:3104.04.2024, 13:08
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Die Geschichte wiederholt sich also doch. Aber nun als Farce. Am Montag bringt ein Stockfoul von Zugs Verteidigungsminister Niklas Hansson die Entscheidung. Die Zürcher nützen den mit einer 5-Minuten-Strafe verbundenen Restausschluss des Schweden zu drei Treffern (vom 1:1 zum 4:1) und siegen 5:2.

Nun spielt wieder ein Stockfoul eine zentrale Rolle. Der deutsche Gastarbeiter Andreas Eder trifft Yannick Zehnder in der 50. Minute beim Stand von 0:0 mit dem Stock am Kopf. So weit, so klar. Die Schiedsrichter überprüfen die Szene auf dem Video. Der Sünder muss nicht unter die Dusche wie Niklas Hansson am Montag. Sein Vergehen wird mit zweimal 2 Minuten bestraft.

Den Zürchern gelingt es zwar nicht, das Powerplay zu einem Treffer zu nützen. Aber 17 Sekunden nach Ablauf der Strafe trifft Sven Andrighetto zum 1:0. Kein Powerplay-Tor und damit regeljuristisch kein direkter Zusammenhang mit dem Ausschluss von Andreas Eder.

Aber gefühlt eben doch. Das Schicksal ereilt die tapferen Zuger exakt in dem Moment, als sie das Spiel langsam, aber sicher in die Hand bekommen. Die Zürcher sind zwar immer noch geduldig. Aber sie zeigen nun doch Zeichen einer leisen Resignation. Weil sie einfach keine Mittel und Wege finden, um Leonardo Genoni zu überwinden. Auch nicht im Powerplay. Genau in dieser Phase der heraufziehenden Morgenröte, der Hoffnung muss Andreas Eder für vier Minuten auf die Strafbank. So gesehen ist sein Ausschluss der Wendepunkt in dieser Partie. Der Ärger über die Schiedsrichter ist verständlich. Obwohl er keine regeltechnische Grundlage hat.

Head Coach Dan Tangnes (EVZ) reagiert im sechsten Eishockey Playoff Viertelfinal Spiel der National League zwischen SC Bern, SCB, und EV Zug, EVZ,, am Mittwoch, 27. Maerz 2024, in der PostFinance Aren ...
Zugs Trainer Dan Tangnes traut seiner Mannschaft Grosses zu.Bild: keystone

Es ist die bisher bitterste Niederlage in dieser Saison. Im Playoff-Halbfinal verlieren, wenn Leonardo Genoni 97,50 Prozent der Pucks gestoppt hat, ist so ärgerlich, wie einen Lotto-Sechser zu verpassen, weil man vergessen hat, den Lotto-Zettel abzugeben. Die Zuger haben alles in die Waagschale geworfen. Ja, mit ziemlicher Sicherheit ist vor allem eine noch bessere Defensivleistung nicht möglich. Mit dieser Einschätzung ist Zugs Trainer nicht einverstanden. «Wir können noch besser spielen, davon bin ich hundertprozentig überzeugt.» Den Ärger über den Ausschluss von Andreas Eder kann er ganz knapp kontrollieren und sagt: «Darüber darf ich nicht reden.»

Was die Zuger auf die Palme bringt: Warum haben die Headschiedsrichter überhaupt das Spiel unterbrochen? Sie hatten das Vergehen offensichtlich nicht gesehen und gar keine Strafe angezeigt. Hier handelt es sich um einen besonderen regeltechnischen Fall.

Wenn die Linienrichter ein Vergehen erkennen, das die Headschiedsrichter übersehen haben, das aber möglicherweise zu einer Verletzung geführt hat und mit einer grossen Strafe (zweimal 2 Minuten oder 5 Minuten und Restausschluss) geahndet werden kann, dann mischen sie sich ein. Sie informieren über den «Schiri-Funk» (die vier Unparteiischen auf dem Eis sind über Sprechfunk miteinander verbunden) die Headschiedsrichter, die das Recht haben, das Spiel zu unterbrechen.

Das ist selten. Aber genau das ist passiert. Der «Schiri-Funk» wird den Zugern zum Verhängnis. Die Headschiedsrichter unterbrechen das Spiel, fahren zur ZSC-Spielerbank und sehen, dass der bereits dort sitzende Yannick Zehnder im Gesicht blutet. Er ist offensichtlich von einem Stock getroffen worden. Also wird die Szene auf dem Video überprüft. Für 5 Minuten reicht es nicht. Aber regeltechnisch für zweimal 2 Minuten.

Sportchef Reto Kläy hat sich von den Schiedsrichtern die Situation nach dem Spiel erklären lassen. 20 Minuten nach Spielschluss hat der Sportchef das Recht, sich in die Kabine der Unparteiischen zu begeben. Reto Kläy sieht die Situation realistisch. Er sagt, regeltechnisch habe alles seine Ordnung. Aber er ist nicht damit einverstanden, dass diese Situation in dieser heiklen Phase vier Strafminuten nach sich gezogen hat. «Es geht um Fingerspitzengefühl. Zwei Minuten hätten genügt.» Wo er recht hat, da hat er recht. Punkt. Aber eben: Nur Verlierer thematisieren die Schiedsrichter. Punkt.

Yannick Weber (ZSC), links, kaempft um den Puck gegen Dario Simion (EVZ) im ersten Eishockey Playoff Halbfinalspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem EV Zug am Montag, 1. April 2024 i ...
Die Lions konnten in der Serie gegen Zug 2:0 vorlegen.Bild: KEYSTONE

Die ganz grosse Frage ist nun: Können die Zuger «nachladen» oder war es das letzte «Hurra» der Saison? Sind sie noch einmal zu einer solchen Leistung fähig? Haben sie dazu genug Energiereserven? Dan Tangnes sagt: «Physisch ist es kein Problem.» Es gehe jetzt darum, diese Niederlage mental zu verkraften und den Mut nicht zu verlieren. «Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir dazu in der Lage sind, eine solche Situation zu meistern.» Nun helfen die Erinnerungen an den Final vor zwei Jahren. Als die Zuger gegen die ZSC Lions nach drei Niederlagen den Titel mit vier Siegen in Serie geholt haben. Zugs Trainer glaubt an sein Karma. Und da er nicht über die Schiedsrichter gelästert hat, gibt es in dieser Hinsicht kein Problem.

Aber der Vergleich mit dem denkwürdigen Final von 2022 ist bei Lichte besehen kein Trost: Die ZSC Lions waren damals nicht so stabil wie heute. Die Zuger hatten die besseren Ausländer, Yannick Zehnder stand noch in ihren Reihen, Grégory Hofmann war nicht verletzt und spielte sein bestes Hockey und Jan Kovar war in Bestform.

Beunruhigend auch: Zug ist im zweiten Spiel in erster Linie an Simon Hrubec gescheitert. Wenn der Gegner einen Torhüter hat, der so gut ist wie Leonardo Genoni, dann wird es sehr, sehr schwierig.

Die Geschichte des Finals von 2022 wird sich nicht wiederholen.

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134 Kommentare
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TeMatuaNgahere
04.04.2024 07:43registriert April 2018
Also ich kenne nur das Regelbuch. Offenbar gibts in Zug und bei Klaus Zaugg noch ein Playoff-Regelbuch mit anderen Regeln.
2+2 sind bei dieser Aktion korrekt.
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Daniel81
04.04.2024 08:17registriert Juni 2021
Ich verstehe das Problem nicht.
Also hoher Stock mit Verletzung gibt in jeder Liga de Welt 2+2.
Das Problem sehe ich eher wen es keine Strafe gegeben hätte.
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Cyril Brunner
04.04.2024 07:54registriert Februar 2017
Und wieder ein Artikel über die Schiedsrichter, auch wenn sie in beiden Spielen korrekt entschieden haben.
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