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Der SC Bern, Chris DiDomenico und Enzo Ferrari

Berns Spieler feiern ihren Treffer zum 3-0 im Eishockey Qualifikationsspiel der National League zwischen dem SC Bern und den ZSC Lions, am Samstag, 4. Maerz 2023, in der PostFinance Arena in Bern. (KE ...
Chris DiDomenico führt den SCB gegen den ZSC in die Playoffs.Bild: keystone
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Der SC Bern, Chris DiDomenico und Enzo Ferrari

Chris DiDomenico (34) führt den SCB im letzten Spiel in die Pre-Playoffs und dort eröffnen sich durch eine ganz besondere Ranglisten-Konstellation schwindelerregende Perspektiven. Eine Warnung von Enzo Ferrari für den grossen SC Bern.
05.03.2023, 06:2606.03.2023, 07:28
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Ein charismatischer, leidenschaftlicher Leitwolf. Einer der wenigen Einzelspieler der Liga, der ein Spiel im Alleingang zu entscheiden vermag. Eine Spielintelligenz, die in lichten Momenten an Wayne Gretzky mahnt: Chris DiDomenico hat Langnau in die höchste Liga und dort in die Playoffs geführt. Und nun verdankt ihm der SCB das 4:1 gegen die ZSC Lions und damit den Punktgewinn für die Rettung der Saison. Er hat nur 17:27 Minuten Eiszeit beansprucht, um das 1:0 und das 3:0 zu erzielen und das 4:1 vorzubereiten.

Chris DiDomenico war U20-Weltmeister unter Cheftrainer Pat Quinn. Er hat in der NHL in Ottawa klaglos unter Guy Boucher «funktioniert». Er ist, ohne zu murren, die Ochsentour durch die Farmteams gegangen. Er war in Italien, in Langnau und bei Gottéron ein Musterprofi ohne Fehl und Tadel. Aber in Bern mag er nicht bleiben. Der SCB ist seiner Bitte um vorzeitige Auflösung des Vertrages per Ende Saison nachgekommen.

Berns PostFinance Top Scorer Christopher DiDomenico, rechts, trifft gegen Zuerichs Torhueter Simon Hrubec zum 3-0 im Eishockey Qualifikationsspiel der National League zwischen dem SC Bern und den ZSC  ...
DiDo zum Zweiten: Der Berner Topskorer trifft zum 3:0.Bild: keystone

Das ist alles zwar nicht neu. Aber ein neutraler, wohlwollender Beobachter der stadtbernischen Hockeykultur kommt einfach nicht darum herum, den Fall Chris DiDomenico noch einmal zu thematisieren. Denn wir haben es hier mit einer Episode zu tun, die es so in der SCB-Geschichte noch nicht gegeben hat: Einer, der Siegeswillen und Leidenschaft personifiziert, geht, weil er diesen Siegeswillen und diese Leidenschaft in der SCB-Kabine vermisst. Er hasst Niederlagen. Er will jede Partie gewinnen und ist deswegen intern in die Kritik geraten. Dabei gilt: Es sind nie die schlechtesten Früchte, woran die Wespen nagen.

Enzo Ferrari hätte den Vertrag mit dem Kanadier nicht aufgelöst.

Enzo Ferrari war nicht nur der Gründer des weltberühmten Sport- und Rennwagenherstellers. Er war auch ein weiser Sportmanager. Eine der ewigen Wahrheiten des Sportes stammt von ihm: Es ist wichtig zu wissen, warum man verloren hat. Aber es ist noch viel wichtiger zu wissen, warum man gewonnen hat.

Was bedeutet das für den SC Bern? Die Chefetage glaubt zu wissen, warum 27 Spiele verloren worden sind. Also ist der Trainer gefeuert und Chris DiDomenicos Vertrag per Ende Saison aufgelöst worden. Aber wissen die SCB-Bürogeneräle auch, warum es am Ende doch noch für den Sieg gegen die ZSC Lions und den Punktgewinn für die Pre-Playoffs gereicht hat?

Auto Racing: Closeup portrait of Ferrari founder Enzo Ferrari in his factory office.
Maranello, Italy 7/20/1964
CREDIT: Tony Triolo (Photo by Tony Triolo /Sports Illustrated/Getty Images)
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Motorsportmanager-Legende Enzo Ferrari.Bild: Sports Illustrated Classic

Wenn sie es wüssten, hätten sie Chris DiDomenicos Bitte um vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt. Wenn sie es wüssten, müssten sie sagen: Dank Chris DiDomenico kommen wir mit einem blauen Auge davon. Und auch dank der vorübergehenden «Selbstauflösung» Langnaus nach der Verbannung in die Playouts. Enzo Ferrari hätte den Vertrag mit dem Kanadier nicht aufgelöst. Er hätte auch dafür gesorgt, dass er sich in Bern wohlfühlt.

Der SCB steht vor den wichtigsten Wochen seit dem Beginn der Ära Marc Lüthi 1998. Die Hockeygötter führen Präsident Marc Lüthi in Versuchung. Verraucht sein Zorn nach der Qualifikation für die Pre-Playoffs? Verwandelt sich sein Zorn womöglich gar in Wohlgefallen, wenn gar noch der übermächtige Aufsteiger Kloten niedergerungen wird?

Dann ändert sich nichts beim SC Bern. Der SCB hat mit knapper Not die Pre-Playoffs erreicht und im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit pro Spiel 1540 zahlende Zuschauer und rund zwei Millionen Einnahmen verloren. Die Stadionauslastung ist von 96,65 auf 86,61 Prozent zurückgegangen. In einer Saison, in der die Zuschauerzahlen insgesamt neue Rekordwerte erreicht haben. Das sportliche Mittelmass nach dem Titelgewinn von 2019 dauert mit den Rängen 9 (2020), 9 (2021), 11 (2022) und 8 (2023) nun schon vier Jahre. Nicht einmal Luganos meisterlicher Ruhm nach dem Titelgewinn von 2006 ist so schnell verwelkt: Platz 4 (2007), 9 (2008), 5 (2009), 8 (2010) und 10 (2011).

Es stimmt: Die Wahrheit steht immer oben auf der Resultatanzeige. Dort lesen wir 4:1. Aber es ist nur die Wahrheit des Tages.

Die grossen, mächtigen ZSC Lions gleich mit 4:1 gebodigt! Die Pre-Playoffs erreicht! Was für ein grosser, wunderbarer Sieg! Gegen die ZSC Lions haben wir Charakter bewiesen! Wir haben alles richtig gemacht! Wenn wir Kloten vom Eis fegen und alles für uns läuft, könnte es unter Umständen sogar sein, dass wir im Viertelfinal gegen Servette und im Halbfinal gegen Biel antreten dürfen oder im Viertelfinal gegen Biel – gegen beide haben wir noch nie eine Playoff-Serie verloren! Schwindelerregende Perspektiven! Alles ist wieder gut! Chris DiDomenico? Brauchen wir nach dieser Saison nicht mehr! Reisende soll man nicht aufhalten! Spieler kommen und gehen, der SCB bleibt bestehen!

Es stimmt: Die Wahrheit steht immer oben auf der Resultatanzeige. Dort lesen wir 4:1. Aber es ist nur die Wahrheit des Tages. Nicht die Wahrheit über die Vergangenheit und die Zukunft, die nächste Saison. Der Blues-Sänger und Gitarrist Arthur Blake soll einmal gesagt haben: «Man kann keinen schlechteren Gebrauch von einem Erfolg machen, als sich damit zu brüsten.»

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HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
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HC Davos: 31 Titel, 6 seit 1986; zuletzt Meister: 2015.
quelle: keystone / ennio leanza
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59 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Leguan
05.03.2023 08:04registriert Juni 2017
Das ist mal wieder mehr Trudi Gerster als seriöser Journalismus
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BeatBox
05.03.2023 06:43registriert Januar 2014
Die ersten Kapitel der DiDo Biografie sind auch schon geschrieben, oder?

Kein Team mit Verstand würde einen Spieler, der so vehement seinen Abgang will zu einem Verbleib zwingen.

Aber immerhin sind wir dieses Mal um Gotthelf rumgekommen 😂
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eldo
05.03.2023 07:49registriert März 2014
Den ZSC hat man besiegt, weil der ZSC auf Teufel komm raus keine Punkte machen wollte. Die hatten sowas von Schiss am Ende noch auf Platz 3 zu landen um dann gegen den erstarkten EVZ in den 1/4-Finals antreten zu müssen.
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High-Tech statt Cannabis – die ZSC Lions ernten meisterliche Früchte des Zornes
Die ZSC Lions sind eine verschworene Gemeinschaft wie nie mehr seit dem letzten Titelgewinn von 2018. Sie besiegen Lausanne 3:0 und brauchen noch einen Sieg für die Meisterschaft. Die Romantik der alten Tage ist zurück.

Eine Meisterfeier wäre eigentlich der logische Saisonschluss für die ZSC Lions. Sie sind im letzten Spätsommer als himmelhohe Favoriten gestartet und haben die Qualifikation gewonnen. Sie sind als eher noch himmelhöhere Favoriten in die Playoffs eingestiegen. Also wäre auch der Titelgewinn logisch. Aber die Zürcher sind noch nicht Meister. In einem Final, der in jeder Partie eine neue Überraschung bereithält, führen sie erst 3:2. Am Samstag können sie in Lausanne Meister werden. Oder im Falle eines Falles am nächsten Dienstag auf eigenem Eis.

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