Eine Meisterfeier wäre eigentlich der logische Saisonschluss für die ZSC Lions. Sie sind im letzten Spätsommer als himmelhohe Favoriten gestartet und haben die Qualifikation gewonnen. Sie sind als eher noch himmelhöhere Favoriten in die Playoffs eingestiegen. Also wäre auch der Titelgewinn logisch. Aber die Zürcher sind noch nicht Meister. In einem Final, der in jeder Partie eine neue Überraschung bereithält, führen sie erst 3:2. Am Samstag können sie in Lausanne Meister werden. Oder im Falle eines Falles am nächsten Dienstag auf eigenem Eis.
So logisch der Sieg (3:0), so dramatisch das Spiel. Von allem Anfang an. Mit Yannick Weber fällt der beste Verteidiger früh aus (4. Min.) und vier Minuten später gibt es die beste Sturmformation (Rudolf Balcers, Denis Malgin, Sven Andrighetto) nicht mehr: Rudolf Balcers fällt ebenfalls durch Verletzung aus. Für die ZSC Lions geht es erst einmal darum, im ersten Drittel ungeschoren davonzukommen. Lausanne prägt das Spiel mit 12:10 Abschlüssen.
Wenigstens ist die bange Frage nach der Verfassung von Simon Hrubec rasch beantwortet. Er hat seine Magie wiedergefunden. Er ist also ein grosser Goalie. Grosse Goalies stehen nach einem missglückten Abend sogleich wieder auf. Bei der 2:5-Niederlage in Lausanne hatte der Tscheche am Dienstag zwei haltbare Treffer kassiert. Nun wird er erstmals im Final alle Pucks stoppen. Damit ist die wichtigste Voraussetzung für den Sieg gegeben.
Seine Vordermänner sind auf einen grossen Torhüter angewiesen. Weil sie lange Zeit keinen Puck ins gegnerische Tor bringen. Lausanne ist bis über die Spielmitte hinaus bissiger und hat in einem Drama, das auf Messers Schneide steht, leichte Vorteile. Es ist eine intensive, hochstehende Partie und es gibt zwei Möglichkeiten, um den Bann zu brechen: Die Hockey-Götter würfeln oder einem Spieler gelingt eine Heldentat.
Die Hockey-Götter würfeln: Die Waadtländer verlieren nämlich die Partie, als sie die Hand nach dem Sieg ausstrecken. Einer der wenigen Fehlentscheide der guten Schiedsrichter zu ihren Gunsten wird ihnen zum Verhängnis: Lausannes Nationalverteidiger Andrea Glauser spielt nach einer Stockberührung den «sterbenden Schwan» und Derek Grant wird zu Unrecht auf die Strafbank verbannt. Andrea Glauser wird für diesen Schelmenstreich gebüsst werden.
Dieses erschlichene Powerplay beim Stande von 0:0 ist kurz vor «Halbzeit» (28. Minute) eine goldene Gelegenheit für Lausanne, die wankenden ZSC Lions über die Klippe zu stürzen. Oder zumindest an den Rand der Klippe zu drängen. Und nun wirkt sich dramatisch und spektakulär wie noch nie in der neuen, im Herbst 2022 eröffneten Arena der Heimvorteil aus.
Auf dem riesigen Videowürfel (der grösste in Europa) ist Andrea Glausers schlaues Theaterspiel in der Wiederholung deutlich zu sehen. Das Publikum rockt und tobt. Die Energie dieses Zornes überträgt sich auf die Spieler: Sie bekommen durch die heftige Reaktion auf dieses Unrecht einen Energieschub und dominieren das Mitteldrittel mit 15:1 Torschüssen. Trainer Marc Crawford wird nach dem Spiel sagen, er habe im Stadion noch nie diese Energie gespürt.
Die ZSC Lions überstehen den Ausschluss, werden immer dominanter und Juho Lammikos 1:0 in der 38. Minute ist die logische Folge dieses Adrenalinstosses. So lange hatten sie im Final noch nie auf das erste Tor warten müssen. Connor Hughes hätte diesen Treffer allerdings verhindern müssen. Es ist sein erster Fehler in diesem Final. So ist es eben, wenn die Hockey-Götter würfeln. Die grosse Frage lautet nun: Ist auch er ein grosser Goalie, der sofort wieder aufstehen und am Samstag zu seinem besten Hockey zurückfinden wird?
Die aufgeputschten ZSC Lions haben die Klasse, um den gegnerischen Frust nur 51 Sekunden nach dem 1:0 zum zweiten Treffer zu nützen: Vinzenz Rohrers 2:0 ist die Entscheidung. Diese zwei Treffer sind die Früchte des Zornes über den Schiedsrichterentscheid.
Die Romantik der alten Tage, die nach dem Auszug aus dem Hallenstadion im Frühjahr 2022 nach dem verlorenen Final gegen Zug für immer verloren schien, ist in dieser fünften Finalpartie nun auch in der neuen Arena spürbar.
Es ist einerseits die Romantik der verschworenen Gemeinschaft: Die Art und Weise, wie die ZSC Lions die Ausfälle von Yannick Weber und Rudolfs Balcers wegstecken und in der kritischen Phase des Spiels über sich hinausgewachsen, haben wir zuletzt in den meisterlichen Playoffs von 2018 gesehen. Statistisch waren die Zürcher im Final von 2022 nach dem 3:0 gegen Zug dem Titel näher und wurden doch nicht Meister. Aber gefühlt sind sie jetzt bei einer 3:2-Führung der Meisterfeier näher. Vieles spricht dafür, dass die Früchte des Zornes meisterliche Früchte sind.
Zur Romantik gehört andererseits auch die Kraft, die vom Publikum kommt. Diese Kombination aus Leidenschaft und High-Tech (Videowürfel, Soundanlage) erzeugt Hühnerhaut. So laut, so voller Energie wie bei diesem 3:0 war das Hallenstadion auch in den wildesten Zeiten nie. Der Unterschied zum Hallenstadion lässt sich auf eine einfache Formel bringen: mehr High-Tech (optisch und akustisch) und weniger Cannabis.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Ein meisterlicher Triumph wäre logisch: Die grössere Ausgeglichenheit und die breitere Basis müssten sich eigentlich auszahlen. Aber bisher hatte jede Partie eine neue Überraschung parat. Logik sollte in einem unberechenbaren Spiel auf rutschiger Unterlage sowieso nicht erwartet werden. Schon gar nicht in einem Final.
Nach der Partie hat kein einziger Spieler der ZSC Lions gesagt, der vierte und entscheidende Sieg sei der schwierigste. Das ist ein gutes Zeichen. Alle wissen, dass das so ist. Also muss es nicht auch noch gesagt sein. Dass es schwierig wird, wissen sie besser als 2022 nach dem 3:0.
Dass eine Finalserie durch eine Schwalbe eröffnet wird?
Wie strohdumm muss man sein. Erstens hat eine Schwalbe in dieser Sportart nichts zu suchen und zweitens hat mit dieser Schwalbe das Momentum in der Serie SOFORT gekippt.
Die Energie des Zornes überträgt sich mit einer Urgewalt auf die Spieler: Sie bekommen durch die heftige Reaktion auf dieses Unrecht einen Energieschub und dominieren das Mitteldrittel.. gewinnen das Spiel.
Nationalverteidiger Andrea Glauser ist zu 100% schuldig am Sieg des ZSC.