Die Ehe zwischen dem schwedischen Weltmeister-Trainer und den ZSC Lions ist durch mancherlei «Seitensprünge» zerrüttet. Begonnen hat das ungute Treiben bereits im vorletzten Sommer.
Das Mutmassen um einen Wechsel in die NHL will seither einfach nicht verstummen. Im Sommer 2020 machen die New Jersey Devils Avancen. Der ZSC Headcoach sagt leichthin: «Es waren Gespräche, um uns gegenseitig kennenzulernen, aber nichts Konkretes. Als Teil meines Jobs spreche ich immer wieder mit verschiedenen GMs in der NHL über mich selbst und über die Spieler.» Im Juni 2021 wird aus Nordamerika das Interesse der Buffalo Sabres gemeldet. Neuerdings häufen sich die Gerüchte um einen Wechsel in die KHL.
Die ganze Flirterei findet Ausdruck in einer bemerkenswerten Vertragsklausel: Das Arbeitsverhältnis mit Rikard Grönborg ist bereits im Juni 2020 vorzeitig bis 2023 verlängert worden. Aber er darf bis zum 31. Dezember 2021 sagen, ob er bereits per Ende der Spielzeit 2021/22 aus dem Vertrag aussteigen möchte oder zu bleiben geruht. Ein solches Zugeständnis hat es in dieser Form in einer wichtigen Hockey-Organisation kaum je gegeben: Ein Trainer darf Mitte Saison bereits entscheiden, ob sein aktueller Arbeitgeber ihm fürderhin noch genehm ist. Oder ob er sich etwas Besseres aussuchen möchte. Sein Agent hat wahrlich gut verhandelt.
Rikard Grönborg verdient in Zürich rund doppelt so viel wie zuvor in Schweden und hat nun in Zürich den Batzen und das Weggli: Einen sehr, sehr gut bezahlten Job und die Möglichkeit, ungeniert ständig nach einer noch besseren Stelle Ausschau zu halten. Hat sich eigentlich dabei jemand überlegt, welche Folgen es haben kann, wenn eine Mannschaft mit einem Chef im gekündigten Arbeitsverhältnis (und zwar von ihm und nicht vom Klub gekündigt) den Rest der Saison zu absolvieren hat?
Der schwedisch-amerikanische Doppelbürger ist ein charismatischer Bandengeneral. Er fordert Loyalität bei seinen Spielern ein, sozusagen Familiensinn, und lässt ihnen sonst viele, wahrscheinlich zu viele Freiheiten. Das wird dann zum Problem, wenn der Chef das, was er ständig fordert, nicht konsequent vorlebt. Der Eindruck will einfach nicht mehr weichen, er betrachte sein Engagement im Hallenstadion, sein erstes bei einem Profi-Klub, eigentlich seiner Majestät nicht angemessen. Er gehöre in bessere Kreise. In die NHL oder in die KHL.
Im Buch der Bücher lesen wir: «Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.» Die Weisheit gilt auch für den Sport. Entweder ich bin loyal zu meinem Arbeitgeber oder ich bin es nicht. Rikard Grönborg hatte die Möglichkeit, zu allen NHL-Avancen zu sagen: «Ich bin bei den ZSC Lions unter Vertrag und solange dieses Arbeitsverhältnis besteht, interessiert mich alles andere nicht.» Dieses Bekenntnis zu den ZSC Lions wäre verstanden, honoriert und respektiert worden. Auf diese Message haben wir vergeblich gewartet.
Dass die ZSC Lions an ihrem Cheftrainer festhalten, ist verständlich und nicht zu kritisieren. Wenn er ins Büro von Sportchef Sven Leuenberger oder von General Manager Peter Zahner tritt, dann füllt er den Raum. Dann beherrscht er die Situation wahrscheinlich besser als inzwischen in der Kabine. Ist der Respekt vor Rikard Grönborg in den ZSC-Büros grösser als in der Kabine? Die Frage ist boshaft. Und doch nicht ganz unberechtigt.
Es ist schon richtig: Ein Trainerwechsel löst in der Regel die Probleme nicht und steht auch nicht für gutes Management. Aber manchmal ist der Trainer das Problem. So wie jetzt im Hallenstadion.
Es kann einfach nicht sein, dass die teuerste Mannschaft der Liga-Geschichte in der Dezember-Pause 19 Punkte hinter Tabellenführer Gottéron und 15 Punkte hinter den Lakers liegt. Die Zürcher sind im Powerplay bloss die Nummer 5 und im Boxplay gar nur die Nummer 10. Auch wenn die ZSC Lions in dieser Saison Verletzungspech haben und in den Playoffs noch alles möglich ist: Zu einem Hockey-Unternehmen mit dieser Bedeutung und Ausstrahlung gehört eine solide Leistungskultur während der ganzen Saison. Das sind die ZSC Lions ihren Kundinnen und Kunden schuldig.
Dass wir die punktbesten ZSC-Spieler in der Liga-Skorerliste auf den Positionen 19 (Malgin), 25 (Azevedo) und 31 (Andrighetto) finden, dass NHL-Rückkehrer Yannick Weber als Nummer 25 der Verteidiger in der Liga rangiert: Eigentlich fast ein Treppenwitz der Hockeyhistorie. Mit Taktik oder Talent, Glück oder Pech hat das alles nichts zu tun. Die Mannschaft hat diese Saison mehrmals bewiesen, dass sie taktisch gut geschult ist und sehr wohl meisterlich auftreten kann. Aber warum immer mehr nur noch an ausgewählten Abendvorstellungen? Das Problem ist der Chef. Nicht seine Fachkompetenz. Die steht nicht zur Debatte. Es geht um seine Flirterei, sein Kokettieren mit anderen Jobs. Am Ende des Tages nichts anderes als fehlender Respekt gegenüber der Organisation der ZSC Lions.
Peter Zahner und Sven Leuenberger wollen nichts von einem Trainerwechsel wissen. Das ehrt sie. Aber der Punkt, an dem das Wohl des Klubs wichtiger ist als das ehrenhafte Festhalten am Trainer, ist überschritten. Die ZSC Lions haben zwar in der ersten Saison unter Rikard Grönborg im Frühjahr 2020 die Qualifikation einer Saison ohne Playoffs gewonnen. Aber seither haben sie die entscheidenden Spiele verloren: Im Playoff-Halbfinal von 2021, den Cupfinal 2021 auf eigenem Eis und in der Champions Hockey League. Und diese Saison mussten sie in allen drei Partien gegen die Lakers – die Lakers! - als Verlierer vom Eis.
Es wird Zeit, Rikard Grönborg zu feuern. Michael Liniger, der Cheftrainer beim Farmteam GCK Lions würde mehr aus dieser Mannschaft herausholen. Ende der Polemik.
Das ist in einem Hockey-Team genauso wie in jedem Unternehmen.
Ausstiegsklauseln für die NHL mögen ja für Spieler funktionieren. Für Trainer tun sie es nicht. Der Fehler liegt hier beim Sportchef und beim Präsident, die einen solchen Vertrag akzeptiert haben.
Als Gegenbeispiel die Lakers, die als Mannschaft viel mehr sind als die Summe der einzelnen Spieler. Dies unter zwei Coaches, die beide dass Maximum aus den Spielern herausholen.