Es ist kalt und windig in Paris. Und ruhig. Wer mag, kann allerhand in diesen ruhigen Sonntag interpretieren. Etwas stimme nicht oder es sei unheimlich still. Doch so ist es bei kaltem, windigem Wetter oft in Paris. Die Strassen sind weitgehend leer.
Ungewöhnlich ist die starke Polizeipräsenz – vor allem und gerade rund ums WM-Stadion. Nie mehr seit die Eishockey-WM im Ostblock ausgespielt worden ist (zuletzt 1986 in Moskau) stehen so viele uniformierte und nicht uniformierte Sicherheitskräfte ums Stadion herum.
In Frankreich gilt wegen der Terrorgefahr immer noch der Ausnahmezustand. Was sich an einem kleinen administrativen Detail zeigt. Ein ausländischer Chronist musste nach der Ankunft zwei Tage auf seine Zulassung (Akkreditierung) warten. Bis der französische Geheimdienst grünes Licht gibt. Alle, die eine WM-Akkreditierung bekommen (inkl. Spieler und Funktionäre) müssen den Sicherheits-Check durchlaufen. Unter der Oberfläche eines ruhig dahinplätschernden Alltages lauert eben doch die Angst.
Die Eishockey-WM lässt Paris kalt. Ein Fremder, der nichts von der Eishockey-WM weiss, wird nur durch Zufall davon erfahren. Die Spiele der Franzosen im Stadion am Rande des «Parc de Bercy» sind nicht einmal ausverkauft. Die Eishockey-WM ist ein sportlicher Geheimtipp. Ähnlich wie der GC-Cup im Squash in Zürich. Ja, Eishockey in Paris ist ungefähr wie Squash in Zürich.
Aber das macht es für die Schweiz nicht einfacher. Die Franzosen sind einer der Gegner auf dem Weg ins Viertelfinale. Die WM im eigenen Land befeuert die Spieler zusätzlich, und sie gelten sowieso als eines der Nationalteams mit dem grössten Zusammenhalt. Eine WM ist für alle der absolute Höhepunkt einer Saison. Unvergessen bleibt, wie IIHF-Präsident René Fasel eine Wette einlösen und in der Kabine der Franzosen nach dem 2:1-Sieg über Russland 2013 in Helsinki die französische Nationalhymne singen musste.
Aber eben: Paris zeigt der Hockey-WM die kalte Schulter. Ausverkauft war die «Accor Hotels Arena», das Hallenstadion von Paris an der Seine mit 11'433 Fans auch für die Partie gegen Finnland nicht. Bloss 7893 waren für das erste Spiel gegen Norwegen gekommen.
Aber bald einmal brausten Jubelstürme durchs Rund als sei der hinterste und letzte Sitz verkauft worden. 5:1 gegen Finnland. Hockey-Frankreich rockte. Frankreichs erster Sieg gegen Finnland an einer WM. Nicht einmal 24 Stunden nach der 2:3-Startpleite gegen Norwegen.
Ein Sieg der Disziplin und der Leidenschaft – und eines starken Torhüters. Anders als beim 2:3 gegen Norwegen stand nicht einmal Lausannes Cristobal Huet im Tor. Florian Hardy, die Nummer 2 aus der österreichischen Operettenliga (Dornbirn) ermöglichte die Sensation mit einer Fangquote von 97,67 Prozent.
Der amerikanisch-französische Doppelbürger Dave Henderson, seit 2004 Frankreichs Cheftrainer, nennt seine Spieler «Guerriers». Wörtlich übersetzt «Krieger». In der Hockeysprache ein durchaus gängiger Ausdruck für bissige, leidenschaftliche Spieler mit einer intensiven Spielweise. Er betont, Talent alleine genüge auf diesem Niveau gegen einen Titanen wie Finnland nicht.
Das Talent der Franzosen ist allerdings nicht zu unterschätzen. Neben NLB-Profis wie Captain Laurent Meunier und Kevin Hecquefeuille (La Chaux-de-Fonds), Servette-Hinterbänkler Florian Douay oder NLA-Saurier Cristobal Huet (41) gibt es mit Center Pierre-Edouard Bellemare (Philadelphia) und Flügel Antoine Roussel (Dallas) zwei bestandene NHL-Stürmer und mit Damien Fleury und Stephane Da Costa auch zwei KHL-Profis im Team.
Doch unverdrossen rühmt Cheftrainer Dave Henderson das Talent der Schweizer, spricht von einer grossen helvetischen Hockey-Nation, die doch erst 2013 das WM-Finale erreicht hat, hebt unsere Nationalmannschaft in den Himmel und beschwört die Aussenseiterrolle. So schlecht sind wir also gar nicht.
Am Dienstag tritt also der grosse Favorit Schweiz gegen den krassen Aussenseiter Frankreich (20:15Uhr, live SRF2) an. Affaire à suivre.