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Die Sternstunde der «Swiss Devils» – ein Tag, so schön wie ein WM-Final

Jonas Siegenthaler, Nico Hischier, Timo Meier und Akira Schmid von den New Jersey Devils.
Das Schweizer Quartett in New Jersey: Jonas Siegenthaler, Nico Hischier, Timo Meier und Akira Schmid (von links).Bild: zvg
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Die Sternstunde der «Swiss Devils» – ein Tag, so schön wie ein WM-Final

Die Krönung einer Entwicklung, die vor 28 Jahren begonnen hat. Eine Sternstunde, sportlich so wertvoll wie die verlorenen WM-Finals von 2013 und 2018: Vier Schweizer prägen am 1. Mai 2023 eine 7. Partie in den Stanley-Cup-Playoffs.
03.05.2023, 05:0503.05.2023, 23:40
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Dieser Tag zeigt mehr noch als die beiden WM-Finals die atemberaubende Entwicklung unseres Hockeys in den letzten 25 Jahren.

Die Entwicklung beginnt am 29. Januar 1995 mit dem ersten NHL-Einsatz eines Schweizers. Pauli Jaks kommt im Tor der Los Angeles Kings gegen Chicago zu einem Teileinsatz: Beim Stand von 1:4 wird er in der ersten Pause eingewechselt. Die Kings (mit Wayne Gretzky) verlieren 3:6. Pauli Jaks pariert 23 von 25 Schüssen gegen Titanen wie Jeremy Roenick, Tony Amonte und Chris Chelios. Es bleibt sein einziger NHL-Einsatz. Schweizer als Hauptdarsteller im Milliarden-Spektakel NHL? Völlig undenkbar.

Michel Riesen und Reto von Arx werden im Herbst 2000 die ersten Feldspieler. Inzwischen sind bereits mehr als 40 Schweizer in der NHL zum Zuge gekommen. Einige haben Star-Status erreicht und führen oder führten ein NHL-Team als Captain (Mark Streit, Roman Josi, Nico Hischier) oder haben den Stanley Cup gewonnen (David Aebischer, Martin Gerber, Mark Streit). Im Sommer 2017 schreibt Nico Hischier Geschichte: Er wird im NHL-Draft als Erster ausgewählt.

Den vorläufigen Höhepunkt haben wir nun am 1. Mai 2023 erlebt. Die New Jersey Devils besiegen im 7. Spiel in der ersten Playoffrunde die New York Rangers 4:0 und rücken in die nächste Runde gegen Carolina vor. Die Chancen gegen dieses Team stehen mindestens 50:50.

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Das Devils-Hirn: Nico Hischier jubelt in Richtung Teamkollege Dougie Hamilton.Bild: keystone

Zum ersten Mal seit dem verlorenen Final 2012 haben die Devils – Stanley Cup-Sieger 1995, 2000 und 2003 – eine Playoffserie gewonnen. Mit vier Schweizern in wichtigen Rollen.

Torhüter Akira Schmid (22) stoppt alle 31 Abschlussversuche, wird zum besten Spieler der Partie gewählt und ist mit einer Fangquote von 95,10 Prozent aktuell der statistisch beste Playoff-Goalie. Er ersetzt seit den verlorenen zwei ersten Spielen Vitek Vanecek. Die Nummer 1 hatte eine Fangquote von 82,70 Prozent. Akira Schmid ist der erste Goalie der Devils ohne Gegentor in einem 7. Spiel seit Martin Brodeur.

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Ein Titan in Spiel 7 gegen die Rangers: Akira Schmid.Bild: IMAGO/USA TODAY Network

Captain Nico Hischier (24) ist der Dynamo des Tempospiels und mit fünf Assists der beste Playoff-Spielmacher der Devils.

Jonas Siegenthaler (25) schultert im 7. Spiel als Verteidigungsminister am meisten Eiszeit aller Feldspieler (23:07 Minuten).

New Jersey Devils defenseman Jonas Siegenthaler (71) moves the puck around New York Rangers center Barclay Goodrow (21) during the first period of an NHL hockey game, Saturday, April 29, 2023, at Madi ...
Marathon-Mann Siegenthaler erhält in Spiel 7 die meiste Eiszeit.Bild: keystone

Timo Meier (26) wird zum tragischen Helden der 7. Partie. Im Schlussdrittel läuft er auf offenem Eis in einen Check von Jacob Trouba und muss zur Kontrolle in die Kabine. Zum Handshake ist er zurück auf dem Eis und schüttelt dem Captain der Rangers zur Versöhnung die Hand. Sein Agent Daniel Giger war beim Spiel und beruhigt: «Er hat keine Gehirnerschütterung und kann wieder spielen.» Jacob Trouba traf mit der Schulter zuerst Timo Meiers Kopf und ging straffrei aus. Bei unserer Regelauslegung: Restausschluss und Sperre.

Die Situation von Timo Meier ist interessant: New Jersey hat ihn geholt, um das Team für die Playoffs zu optimieren: Der Appenzeller hat in der Regular Season 40 Treffer erzielt. In den sieben Playoffpartien hat er bei 29 Abschlüssen noch nicht getroffen. Sein Vertrag läuft aus. Angestrebt wird eine Verlängerung (bei New Jersey oder anderswo) von bis zu 7 Jahren mit einem Salär von 7 bis 10 Millionen pro Jahr. Daniel Giger geht davon aus, dass die torlose Playoffserie keinen Einfluss auf die anstehenden Verhandlungen hat.

«Timo Meier hat seinen Wert als 40-Tore-Stürmer. Er spielt in den Playoffs gut und hatte bisher im Abschluss einfach kein Glück.»
New York Rangers defenseman Jacob Trouba, top center, checks New Jersey Devils right wing Timo Meier (96) during the third period of Game 7 of an NHL hockey Stanley Cup first-round playoff series Mond ...
Timo Meier muss nach einem harten Trouba-Check vom Eis.Bild: keystone

Vielversprechend ist die Ausgangslage bei Akira Schmid. Er steht nächste Saison im dritten und letzten Einstiegs-Vertragsjahr mit der Salärlimite von 775'000 Dollar. Die Devils haben die Möglichkeit, im Sommer den Vertrag vorzeitig zu verlängern. Gut möglich, dass Akira Schmid dank der fünf Playoff-Einsätze vorzeitig einen Vertrag bekommt, der ihn ab Sommer 2024 zum Millionär macht.

Nicht nur Hockey-Romantiker erkennen im Stil der jungen New Jersey Devils ein wenig die Edmonton Oilers der 1980er Jahre. Die Oilers setzten – unter anderen Rahmenbedingungen – ebenso auf Tempo und Technik und flogen unter der Regie von Wayne Gretzky in fünf Jahren zu vier Stanley Cups. Wie die Devils heute mit den vier Schweizern hatten die Oilers damals im Stanley-Cup-Siegerteam von 1987 auch europäische «Exoten» in wichtigen Rollen: die drei Finnen Reijo Ruotsalainen, Jari Kurri und Esa Tikkanen.

Zum Vergleich mit den Devils passt, dass Wayne Gretzky am 19. November 1983 die New Jersey Devils als «Mickey-Mouse-Team» verhöhnte. Es sollte sein einziger verbaler Fehltritt bleiben. Nach einem 13:4-Sieg, zu dem er 8 Punkte beigesteuert hatte, sagte er:

«Well, it’s time they got their act together. They’re ruining the whole league. They had better stop running a Mickey Mouse organization and put somebody on the ice.»

Hätte er noch angefügt, die Devils sollten sich mit Schweizern verstärken, um konkurrenzfähig zu werden, dann wären der Spott und die Empörung noch grösser gewesen.

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