Jeff Tomlinson ist der vielleicht meistunterschätzte Trainer der letzten 20 Jahre. Weil er nie für einen der meisterlichen Titanen gearbeitet hat. Was er bei den Lakers (Aufstieg, Cupsieg, Etablierung in der NL) und Kloten (Aufstieg, Etablierung in der NL) erreicht hat, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Tomlinson ist einer der wenigen Bandengeneräle, die sowohl geschickte «Schlachtenlenker» an der Bande, schlaue Taktiker, kluge Analytiker als auch Ausbildner sind.
Bereits nach dem Aufstieg im letzten Frühjahr war längere Zeit offen, ob der Kanadier weitermacht. Die Klotener bemühten sich deshalb offiziell um Thierry Paterlini. Er hat es aber vorgezogen, Trainer in Langnau zu werden.
Aber nun ist der Entscheid gefallen: Aus Rücksicht auf seine Gesundheit wird Jeff Tomlinson Ende Saison definitiv aus dem Tagesgeschäft aussteigen. Der Klub kann weiterhin in einer beratenden Funktion auf ihn zählen.
Was nun? Wie nun verlässliche Gewährsleute berichten, gibt es intern unterschiedliche Glaubensrichtungen: Sportchef Larry Mitchell – so sagen einflussreiche Kreise – sei unsere Hockeykultur im Allgemeinen und die ganz besondere DNA des Klotener Hockeykosmos ähnlich fremd wie einst einem britischen Kolonialbeamten in Indien die Geheimnisse des Buddhismus. Was richtig interpretiert heisst: Als Kanadier könnte Mitchell versuchen, einem Landsmann aus seinem Netzwerk in Deutschland einen Job zu verschaffen.
In der Führung unter dem geschäftsführenden Präsidenten Mike Schälchli (er ist zwar formell nicht Geschäftsführer, aber es wird im Büro kein Bleistift ohne seine Zustimmung gespitzt) gibt es ebenso einflussreiche Kreise, die ein Gegengewicht zum kanadischen Sportchef bilden und sich der Besonderheit der Klotener Kultur sehr wohl bewusst sind. Die den Status eines Ausbildungsklubs hegen und pflegen und daher lieber einen Trainer möchten, der die jungen Talente fordert und fördert. Der weiterhin gut strukturiertes Lauf- und Tempohockey zelebrieren lässt und taktische Fallenstellerei verabscheut.
Kloten hat ein sehr gut funktionierendes Coaching-Team. Assistent Kimmo Rintanen hat Kultstatus. Er stabilisiert mit seiner ruhigen, besonnenen Art, seiner immensen Erfahrung als Spieler (er stürmte zehn Jahre für Kloten) und seiner Fachkompetenz die ganze Sportabteilung.
Aber wäre es klug, den eher introvertierten Finnen zum Cheftrainer zu machen? Wäre es nicht besser, einen temperamentvollen Cheftrainer zu engagieren, der einerseits Dynamik und Begeisterung ins Team trägt und andererseits klug genug ist, auf die weisen Ratschläge von Rintanen und Jeff Tomlinson zu hören?
Eigentlich passt Christian Wohlwend perfekt zum Anforderungsprofil. Sein Vertrag in Davos läuft aus. HCD-Sportchef Jan Alston hat sich noch nicht dazu durchringen können, eine Verlängerungsofferte zu machen oder sich auch nur vorbehaltlos zu seinem Trainer zu bekennen. Könnte das eine Chance für Kloten sein?
Und was ist eigentlich mit Michael Liniger? Neun Jahre lang ein Leitwolf in Kloten und seit sechs Jahren Cheftrainer beim ZSC-Farmteam GCK Lions? Er war in der Vergangenheit auch schon in Kloten ein Thema. Oder was macht eigentlich Heinz Ehlers? Der dänische Nationaltrainer möchte gerne in die Schweiz zurückkehren. In den nächsten Wochen werden wohl mehr als zwanzig Namen an der Gerüchtebörse gehandelt werden.
Bisher ist nur klar: Kloten braucht auf nächste Saison einen neuen Trainer. Und die Anstellung dieses Trainers ist so wichtig, dass sie nicht Sportchef Larry Mitchell überlassen werden kann. Der geschäftsführende Präsident Mike Schälchli steht vor der heikelsten Personalentscheidung seiner erfolgreichen Amtszeit.