Andres Ambühl ist am 14. September 41 Jahre alt geworden und spielt immer noch formidables Hockey. Er läuft und läuft und läuft. Die Zeiten mögen ändern, Andres Ambühl bleibt.
Von allem Anfang an ist klar, dass er es weit bringen wird. Im ersten Scouting-Report über ihn heisst es zu Beginn seiner Karriere beim HC Davos unter Arno Del Curto: «Gewann mit dem HCD die Elite-Junioren-Titel 2000 und 2001 und war Captain des U 18 WM-Silberteams von 2001. Torgefährlicher Zweiweg-Center ohne Schwächen und mit erstaunlicher Spielintelligenz.» 2013 und 2024 wird er mit der Nationalmannschaft im WM-Final stehen. Bei der Silber-WM 2018 ist er nicht dabei. Arno Del Curto hat ihm Erholungszeit verordnet und von einer WM-Teilnahme abgeraten.
Mehr als 1000 Spiele und fast ein Vierteljahrhundert Spitzenhockey also. Garniert mit den Titeln von 2002, 2005, 2007, 2009, 2012 und 2015. Die meiste Zeit in Davos oben. Er war nur kurze Zeit unten im Flachland: Während der Saison 2009/10 in Amerika (im Rangers-Farmteam, AHL/50 Spiele/27 Punkte) und von 2010 bis 2013 in Zürich (Meister 2012). Inzwischen ist er der letzte Mohikaner des Ruhmes: der letzte noch aktive Spieler aus dem ersten HCD-Meisterteam der Ära Arno Del Curto im Frühjahr 2002.
In Nordamerika würde Andres Ambühl als «Heidiland-Gretzky» vermarktet. Er ist ein echter Bergbauernbub aus dem Bündnerland. Aus dem Sertigtal bei Davos. Wahre helvetische Sportromantik. Es ist die Landschaft, die Johanna Spyri zu «Heidi», einem Klassiker der Weltliteratur, inspiriert hat.
Es geht nicht darum, die Wurzeln des besten Bündner Spielers seit Bibi Torriani romantisch oder gar ironisch zu verklären. Da seien die Hockey-Götter davor. Tatsächlich sind seine Herkunft, sein geerdetes, freundliches und bescheidenes Wesen, seine Gelassenheit und sein stilles Selbstvertrauen wichtige Gründe dafür, warum aus ihm ein Stürmer mit Weltformat geworden ist, nicht nur Rekordhalter in unserer höchsten Liga.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Inzwischen ist er mit 141 Einsätzen auch WM-Rekordhalter. Kein Spieler der Welt hat mehr WM-Partien gespielt. Beide Bestmarken sind – wie die meisten Rekorde von Wayne Gretzky – für die Ewigkeit und werden mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr übertroffen.
Was die Liga-Bestmarke des HCD-Leitwolfes (seit 2014 Captain) aufwertet: Er ist nicht der Legende und des Rekordes willen nach wie vor im Team. Er hätte diese Saison seinen Platz auch dann, wenn er Fritz Meier heissen würde: Nach wie vor schultert er fast 15 Minuten Eiszeit pro Partie und drei Skorerpunkte hat er auch schon.
Mit einer Grösse von 176 Zentimetern bestätigt der 336-fache Internationale auch ein Klischee: Kleine, leichte Läufer, die mit dem Florett fechten, laufen länger als grosse, schwere und kräftige Titanen, die mit dem Zweihänder zu Werke gehen. Tempo, Energie und Schlauheit sind für die sportliche Langlebigkeit besser als Wucht, Kraft und Wasserverdrängung. Andres Ambühl läuft leichter und deshalb länger als die Konkurrenz. Er beherrscht die seltene Kunst der Leichtigkeit des spielerischen Seins.
Die Frage ist natürlich: Was hat Andres Ambühl getan, um den Alterungsprozess aufzuhalten? Kräutertee oder Murmeltiersalbe für Muskeln und Gelenke aus dem Sertigtal? Dazu hat er einmal gesagt: «Ich habe eigentlich nichts getan, um diesen Prozess aufzuhalten, und lebe heute nicht anders als vor zehn Jahren. Ich habe wohl das Glück einer von Natur aus robusten Verfassung und ich bin von Verletzungen weitgehend verschont geblieben.»
Er habe nicht einmal seine Ernährung umgestellt: «Es ist mir zu aufwendig, zu studieren, was ich essen soll und was nicht. Ich esse, was ich schon als Bub gegessen habe und was mir schmeckt. Jeder soll essen, wie er mag. Das ist auch gut für das Wohlbefinden.»
Die robuste Natur, diese «Heidiland-DNA», spielt bei seiner spielerischen Langlebigkeit sicherlich eine zentrale Rolle. Natürlich spürt er, dass er nicht mehr 20 ist und darüber hat er gesagt. «In erster Linie merke ich, dass um mich herum in der Garderobe alle jünger werden. In gewissen Bereichen merke ich aber schon, dass ich älter geworden bin. Mit zunehmendem Alter legt man beispielsweise ein grösseres Augenmerk auf die Regeneration als noch vor ein paar Jahren. Nicht unbedingt wegen der Müdigkeit, sondern vor allem, um Verletzungen zu vermeiden.»
Aber all die Analysen greifen zu kurz, um diese Karriere zu ergründen. Eigentlich ist die Erklärung seines Erfolgsgeheimnisses ganz einfach: Es ist die Leidenschaft für dieses Spiel, die diese einmalige Karriere ermöglicht und ihn über die Jahre getragen hat. Die Leidenschaft des ewigen Spielers. Diese Leidenschaft beseelt alle Granden des Welteishockeys, von Andres Ambühl bis Wayne Gretzky. Mag sein, dass Leidenschaft nicht alles ist. Aber ohne diese Leidenschaft ist alles nichts.
Im Frühjahr läuft der Vertrag von Andres Ambühl aus. Eine Verlängerung sollten wir noch nicht gänzlich ausschliessen. Was er nach seinem Rücktritt machen wird, ist ohnehin klar: Seine Kollegen sind der Meinung, er sollte Sportchef werden. Andres Ambühl gilt als wandelndes Hockey-Lexikon. Als einer, der über Hockey, über die Stärken und Schwächen der Spieler alles wisse.
Aber hat der HCD mit Jan Alston nicht bereits einen tüchtigen Sportchef? Ja, hat er. Das muss kein Problem sein: Nach dem SCB-Vorbild kann ja auch der HCD einen Ober- und einen Untersportchef beschäftigen. Andres Ambühl könnte beim HCD als Untersportchef ins Business einsteigen.