Er hat als Verbands-Sportdirektor Nationaltrainer Patrick Fischer «erfunden» und gehört zu den Silberschmieden von 2018. Er hat als Sportdirektor beim HCD die Nachfolge von Arno Del Curto geregelt und Trainer Christian Wohlwend «erfunden». Aber beim SCB ist er gescheitert und als Manager am 21. April abgesetzt und freigestellt worden.
Soeben einen der lukrativsten Jobs im Schweizer Hockey verloren? Das Missgeschick ist Raeto Raffainer (41) nicht anzumerken. Er ist freundlich, umtriebig und charismatisch wie immer, als er am Donnerstagabend in Kloten auf den Abflug nach Riga wartet. Seine Frisur wirkt sogar noch modischer als sonst. Optisch der perfekte, dynamische Jung-Manager.
Über das SCB-Abenteuer spricht er nicht. Er sagt lediglich, er sei von der Entlassung völlig überrascht worden. Es habe keinerlei Anzeichen gegeben. Vielleicht erklärt gerade das sein Scheitern: Er hat zu wenig gespürt, wie das ganz besondere SCB-Innenleben tickt. Vielleicht war er eine Spur zu selbstsicher.
Stoff für eine SCB-Polemik liefert er also nicht. Logisch. Diskretion und Verschwiegenheit gehören in diesem Geschäft zu einer mit schöner Abgangsentschädigung versüssten Trennung. Daran hält sich übrigens auch Marc Lüthi. Seit er zornig aus dem SCB-Präsidentenhimmel herabgestiegen ist und sich wieder auf den Manager-Thron gesetzt hat, verliert er kein böses Wort über Raeto Raffainer.
Gründe für böse Worte gibt es in Bern auch keine. Vielleicht werden bernische Lokalhistoriker einmal bei der Aufarbeitung der SCB-Geschichte lediglich herausfinden, dass selbst das grösste Hockeystadion Europas zu klein war, um zwei der grössten helvetischen Hockey-Egos dauerhaft beherbergen zu können.
Raeto Raffainer ist jetzt ein ruheloser Hockey-Weltreisender und Diplomat. Er gehört als Mitglied des Councils zur elfköpfigen Regierung des Eishockey-Weltverbandes (IIHF). Damit ist er nach dem Ende der Amtszeit von IIHF-Präsident René Fasel der einzige Schweizer mit Einfluss auf globaler Ebene.
Wer im Council sitzt, kommt bei bezahlten Spesen viel in der Welt herum. «Vom Aufwand her ist es ein 20-Prozent-Job», sagt der Bündner. Soeben war er Chairman (oberster Funktionär) bei der zweitklassigen WM in England (die Briten und Polen sind aufgestiegen). Er hatte das Turnier zu beaufsichtigen.
Nun gehört er hier in Riga zum Direktorat. Also zur Turnier-Direktion. Seine Aufgabe: die Pflege der IIHF-Beziehungs-Plantage. Sich um die IIHF-Partner kümmern. Die lassen sich die WM etwas kosten: Für die Werbe- und TV-Rechte zahlt die Vermarktungsagentur Infront gut 30 Millionen im Jahr. Da ist es angezeigt, für gute Laune zu sorgen. Zumal die Stimmung ein wenig gereizt ist: Durch den Ausschluss von Russland und Weissrussland hat Infront gut und gerne ein Drittel der Werbe- und TV-Einnahmen verloren.
Wir erleben Raeto Raffainer in Riga als Diplomat in seiner besten Rolle. In einer doch recht schwierigen Situation rücksichtsvoll die schönen und richtigen Worte finden. Beim SCB ist er in dieser Mission gescheitert. Weil da die letzte Wahrheit Woche für Woche oben auf der Resultattafel stand.
Eigentlich ist Raeto Raffainer ein politisches Naturtalent. Warum nicht eine gewisse Bekanntheit für ein politisches Amt nützen? Wie Matthias Aebischer, der es mit seiner Bildschirm-Bekanntheit für die SP ins Parlament gebracht hat. Oder wie Ueli Schmezer, der nun versucht, im Herbst auf der SP-Liste in den Nationalrat zu kommen.
Solche Vorschläge empfindet Raeto Raffainer als boshaft und distanziert sich in aller Form. Sorry.
Die Hoffnung, es gebe wenigstens eine Skandalstory, erfüllt sich auch nicht. Sein verletztes Auge ist nicht das Resultat einer Prügelei in einem Pub während der WM in England. «Ich bin mit dem Bike gestürzt und musste die Wunde über dem Auge mit sechs Stichen nähen lassen. Ich habe Glück gehabt.» Einer wie Raeto Raffainer holt sich ein blaues Auge nicht bei einer Barschlägerei. Sondern beim Fitness-Training.
Aber eben: Wie weiter? Es gibt einen hochinteressanten Job, der bald neu vergeben wird: Sportdirektor beim internationalen Verband. Christian Hofstetter hat diese lukrative Stelle aufgegeben, um Generalsekretär der WM-Organisation 2026 (Zürich und Fribourg) zu werden.
Keine Frage: eine Position wie geschaffen für Raeto Raffainer. Aber nun ist er in eine Zwickmühle geraten: Er kann nicht Council-Mitglied und gleichzeitig Sportdirektor sein. Er weiss nicht einmal, ob er für eine Bewerbung als Council-Mitglied zurücktreten müsste. Dieses Gremium wählt den Sportdirektor.
Ein Rücktritt aus dem Council wäre das vorzeitige Ende einer hockeypolitischen Funktionärskarriere, die Raeto Raffainer im Laufe der nächsten 15 Jahre mit etwas Glück bis ins Präsidium bringen könnte. Es macht also schon Sinn, wenn er sagt: «Nein, ich bewerbe mich nicht um den Job eines Sportdirektors.»
Eigentlich braucht er so schnell keine bezahlte Arbeit. Seine Gattin Luisa arbeitet in einer Kaderposition beim Bundesamt für Informatik und Telekommunikation. Er könnte sich sogar eine Auszeit leisten, herunterfahren und sich neu erfinden. «Aber dazu bin ich einfach nicht der Typ.»
Und so kommt es, dass Raeto Raffainer als ruheloser Hockey-Weltreisender und Diplomat gerade Station in Riga macht.
Der Unterschied zwischen ihm und vielen anderen "dynamischen" Managern war, dass bei Eishockeyfirmen die Kunden ein viel direkteres Feedback abgeben als sonst üblich in der Wirtschaft.
Solche Luftikusse gibt es zu hauf. Sie können sich aber besser verstecken und mit Zahlen auf geduldigem Papier reinwaschen.