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Wer die Spiele der Schweizer beim Deutschland Cup nicht gesehen hat und nur den Erklärungen der verschiedenen Protagonisten lauscht, kommt zum Schluss: Eine grossartige Nationalmannschaft hat in Augsburg nur mit viel Pech und wegen der Schiedsrichter den ersten Turniersieg seit 2007 verpasst.
Not-Nationaltrainer John Fust rühmt das exzellente Box- und Powerplay. «Die jungen Spieler werden von den Erfahrungen bei diesem Turnier profitieren.» Niemand habe dieser Mannschaft viel zugetraut und man habe trotzdem bis zum letzten Spiel auf den Turniersieg hoffen können. Er verweist auf die starke Belastung der wichtigsten Spieler. «Sie mussten wegen verschiedener Ausfälle viel Eiszeit verkraften und waren deshalb am Schluss müde.» Warum wurden nicht mehr Spieler mit zum Turnier genommen? «Da fragen sie besser das Management.» Und dann sagt er noch das, was alle Coaches sagen, die mit den Schiedsrichter nicht zufrieden sind: Er sage nichts zu den Schiedsrichtern.
Nationalmannschafts-Direktor Raeto Raffainer ist zufrieden. Sehr sogar. Er lobt die Leader im Team und weist darauf hin, dass man bis zum letzten Spiel eine Chance auf den Turniersieg gehabt habe. Auf die Frage warum man denn nicht mehr Spieler mit nach Augsburg genommen habe, um die Ausfälle zu kompensieren, sagt er: «Wir wollten noch Spieler von Davos nachnominieren. Arno Del Curto war einverstanden. Auf sein Angebot haben wir dann wegen der Belastung der Davoser durch die Champions League verzichtet.» Na ja, es gäbe ja auch noch elf andere NLA-Teams mit möglichen Nationalspielern.
Also alles im grünen Bereich. Oder doch nicht? Kommunikation ist im Sport von heute fast so wichtig wie die Leistung. Wer rühmt, hat gute Chancen, dass das dann auch so von den Chronistinnen und Chronisten in die Welt hinausgetragen und vom Publikum geglaubt wird. So funktioniert Politik. So funktioniert manchmal auch der Sport.
Aber es gibt auch eine andere Sicht der Dinge. Eine neutrale. Noch selten ist eine miserable Leistung so schamlos schöngeredet worden wie dieser missglückte Auftritt unserer Nationalmannschaft in Augsburg. Wir haben beim Deutschland Cup den schlimmsten Auftritt einer Nationalmannschaft seit den frühen 1980er Jahren gesehen.
Am meisten Gegentore, mit Abstand am meisten Strafminuten. Am Anfang steht ein starker Auftritt und ein 3:2 in einem wilden Spiel gegen Deutschland. Aber dann folgt der rasche Zerfall. Ja, noch nie in der Neuzeit hat sich eine Nationalmannschaft im Laufe eines Turniers so schnell aufgelöst.
Eine 4:1-Führung und der Turniersieg werden in der zweiten Partie wegen Auflösung von Disziplin und Ordnung verspielt (4:5 n.V). Zum Schluss folgt gegen die Slowakei ein Spiel, das eigentlich eine Farce war (0:4). Mit einem neuen Rekord: Simon Moser kassiert aus einer einzigen Aktion 50 Strafminuten: Zweimal 5 Minuten plus Restausschluss. Das ergibt theoretisch 50 Minuten.
Ist Simon Moser ein Bösewicht? Nein. Er sagt dazu: «Ich war verärgert, weil ich Sekunden vor Schluss des zweiten Drittels völlig unnötig gecheckt worden bin. Ich habe meinen Gegenspieler bloss am Aufstehen gehindert und sicher nicht gegen den Kopf geschlagen. Die Strafen haben mich schon ein wenig überrascht …» Simon Moser ist tatsächlich ein disziplinierter und auch intelligenter Spieler mit Matur. Wie die TV-Bilder zeigen: seine Version ist durchaus glaubwürdig. Eine Fünfminutenstrafe für einen vorangehenden Stockschlag ist berechtigt. Die zweite Fünfminutenstrafe für einen angeblichen Check gegen den Kopf hingegen nicht.
Was war nun also los in Augsburg? Nun, eigentlich ist es ganz einfach. Führungsfehler auf allen Ebenen. Das Problem ist nicht fehlendes Potenzial. Wir haben auf allen Stufen so gute Spieler wie nie zuvor. Das Problem ist eine völlig überforderte Führung. Nationalmannschafts-Manager Raeto Raffainer (33) fehlt jede Erfahrung für den Job. Das Unterschätzen des internationalen Hockeys nimmt groteske Formen an. Dazu gehört, mit zu wenig Spielern zum Deutschland Cup zu reisen. Dazu gehört das Unterschätzen der Aufgabe eines Nationaltrainers.
Wegen der Entlassung von Glen Hanlon zur Unzeit (Anfang Oktober) musste U20-Cheftrainer John Fust zusammen mit U18-Nationalcoach Thierry Paterlini die Nationalmannschaft für den Deutschland Cup übernehmen. Deshalb hatte John Fust immer noch seine eigentliche Aufgabe im Kopf: die Vorbereitung des U20-Nationalteams auf die WM Ende Dezember. Diese Mannschaft hat in diesen Tagen ebenfalls ein Turnier bestritten und John Fust sagt: «Ich war hier in Augsburg fast alle drei Stunden in telefonischem Kontakt mit meinem Stellvertreter Christian Wohlwend.»
Der tüchtige John Fust hatte sozusagen zwei Teams im Kopf: Jenes, das ihm in Augsburg entglitten ist und jenes U20-Nationalteam, das gleichzeitig in Poprad spielte. Er ist als «doppelter John» von Raeto Raffainer verheizt worden. Logisch also, dass die Dinge aus dem Ruder gelaufen sind.
So gesehen trifft John Fust wenig und die Spieler keine Schuld. Sie haben gekämpft, manchmal sogar heroisch. Sie haben alles versucht. Für sie gilt, was im 19. Jahrhundert über die von den Generälen miserabel geführten Soldaten der kaiserlichen österreichischen Armee gesagt worden ist: Löwen, geführt von Eseln.
Zumindest kommentiert von einem Pfau!