Zuerst die Ausgangslage: Publikumsinteresse in der Schweiz für Frauenhockey? Bisher im Vergleich zum Männerhockey nahezu null. Frauenhockey hatte bei den Klubs und im Verband keine Bedeutung. Das ändert sich gerade. Nicht, weil die Verbandenden und die Klubenden endlich einsichtig geworden sind und das enorme Potenzial des Frauenhockeys erkannt haben. Es geht um Geld. Wenn die Förderung des Frauenhockeys weiterhin vernachlässigt wird, drohen Kürzungen der staatlichen und halbstaatlichen Fördergelder, die Swiss Olympic an die Sportverbände verteilt.
Die Klubenden haben zudem erkannt, dass sich mit Frauenhockey zwar kein Geld verdienen lässt. Aber Frauenhockey kann heute eine «Imagemaschine» sein: Wer bei Gesprächen mit Sponsorenden und Werbenden mit bedeutungsschwerer Miene erklären kann, man fördere natürlich auch das Frauenhockey, das sei ein Kernanliegen des Klubs, darauf lege man immensen Wert, dann wird es leichter, Werbende und Sponsorende zu überzeugen und in Geldausgebende zu verwandeln. Die Zuschüsse fürs Frauenhockey kann man ja dann intern trotzdem in die Spielersaläre investieren.
Logisch also, dass die Verbandenden und die Klubenden auf den fahrenden Zug aufspringen. Auf einmal bekennt sich der SC Bern zum Frauenhockey, beim Verband sitzt neu Kathrin Lehmann im Verwaltungsrat und nun kommt der EV Zug ins Spiel.
Die Zugenden wollen noch im November die Zusicherung, dass sie nächste Saison mit einem Team direkt in die sieben Teams umfassende höchste Frauenliga einsteigen dürfen. Den mühseligen Weg von der vierten bis hinauf in die höchste Spielklasse, den alle anderen gegangen sind, wollen sich die Zugenden nicht antun.
Jahrelang ist über das fehlende Interesse der Klubs am Frauenhockey geklagt und gejammert worden. Also ist es höchst erfreulich, dass sich nun mit dem EV Zug ein Titan zum Frauenhockey bekennt und bereit ist, Geld in die Frauenförderung zu investieren. Ist es da nicht klug, den roten Teppich auszurollen und dem EV Zug gleich einen Platz in der höchsten Frauenliga zu offerieren?
Nein, dieses Vorgehen ist nicht klug. Sondern eine bodenlose sportliche und politische Dummheit. Eine schallende Ohrfeige für alle, die sich über Jahre fürs Frauenhockey engagiert haben. Der EV Zug hat noch kein Frauenteam. Bei einem direkten Einstieg in die höchste Liga muss dieses Team im Kern mit Spielerinnen aus bereits bestehenden Teams der höchsten Liga zusammengestellt werden. Die Klubs, die sich jahrelang und in selbstloser Art und Weise um die Förderung des Frauenhockeys gekümmert haben, verlieren ihre besten Spielerinnen. Transferreglemente, die dies verhindern oder wenigstens eine finanzielle Entschädigung regeln, gibt es nicht.
Das ist nicht nur für Titanen wie die ZSC Lions bitter, die seit mehr als 20 Jahren in vorbildlicher, ja selbstloser Art und Weise das Frauenhockey fördern. Es ist noch bitterer für kleinere Klubs, für Romantikerinnen wie jene aus Langenthal, die sich nach oben gespielt und gearbeitet haben und nun ihre besten Spielkameradinnen verlieren werden.
Das ist die sportliche Dummheit. Doch es gibt eine noch viel grössere politische Dummheit. In unserem Hockey gibt es heute eine Art Gewaltentrennung. Der Verband ist fest in Zuger Hand und in der Liga dominieren die Berner. Wer im Verband ein Büro öffnet, sieht einen Zuger: Sportdirektor Lars Weibel ist Zuger, Patrick Fischer und Colin Muller, die Nationaltrainer der Männer und Frauen, sind Zuger und inzwischen hat der Verband praktisch alle sportlichen Tätigkeiten nach Cham ins Leistungssportzentrum der Zuger ausgelagert. Der wahre Verbandssitz ist das OYM in Cham und nicht mehr das «Hockey-Büro-Versailles» in Glattbrugg.
Dafür sitzen in den Ligabüros in Ittigen bei Bern die Berner: Liga-Manager Denis Vaucher, Spielplan-General Willi Vögtlin und Schiedsrichterchef Andreas Fischer, die drei einflussreichsten Liga-Funktionäre sind «Hardcore-Berner». Willi Vögtlin war in den 1990er Jahren als SCB-Manager gar einer der Vorfahren von Marc Lüthi. Liga-Sportchef Philipp Bohnenblust ist ebenso Berner wie Liga-Marketingchef Reto Bürki. Und auch Willi Vögtlins Sohn Pascal arbeitet bei der Liga.
Diese lokal vernetzten Machtzentren gehören nun mal zum Hockey. Weil ja alle Hockeyenden ihre Wurzeln bei einem Klub haben. Um die politische und sportliche Glaubwürdigkeit zu wahren, ist es wichtig, sich an den Grundsatz der Verwaltung im alten Preussen zu halten: Es genügt nicht, unbestechlich zu sein. Es ist auch alles zu unterlassen, das den Eindruck erwecken könnte, man sei bestechlich. Das Herz kann man ja trotzdem auf dem rechten Fleck haben. Diesem Grundsatz wird bis heute recht gut und erfolgreich nachgelebt. Zwischen der Liga und dem Verband gibt es eine «Balance of Power».
Mit einer bis zur Lächerlichkeit zugespitzten (Medien-)Kampagne werben die Zugenden nun für ihre direkte Zulassung zur höchsten Frauenliga. Bewilligt das zuständige Verbands-Gremium Zugs Antrag, dann entsteht zu Recht der Eindruck: Zug kann und darf alles. Zug kann sich dank der Macht des Geldes und des geballten Einflusses bei den Verbandenden alles erlauben und sich um bestehende Reglemente rotieren.
Wird Zugs Direkteinstieg in die höchste Frauenliga bewilligt, sollten sich die anderen Klubs im Frauenhockey zu einem «Ladies' Agreement» (als Gegenstück zum Gentlemen's Agreement) zusammenschliessen und einfach die Spiele gegen die Zugerinnen boykottieren. Gar nicht antreten. Eine Forfait-Niederlage hinnehmen und den Zugerinnen kampflos den Titel überlassen. Die echten Titel spielen die Klubs im Rahmen des «Ladies' Agreement» unter sich aus.
Das Erfolgsgeheimnis der Schweiz ist auf allen Ebenen der Kompromiss. Wenn die Zugenden ins Frauenhockey einsteigen wollen, dann sollen sie einen Bonus bekommen. Aber ein direkter Einstieg in die höchste Liga muss tabu sein. Warum nicht als Kompromiss den direkten Einstieg in die zweithöchste Leistungsklasse erlauben? Noch besser ist der Weg, den die Bernenden gegangen sind: Der SCB, der sich in der Bundesstadt wohlweislich endlich, endlich ums Frauenhockey kümmert, integriert Bomo Thun aus der höchsten Liga, so etwas wie ein Ambri des Frauenhockeys, in den SCB.
Zug hätte beispielsweise die Möglichkeit, die Frauenabteilung des EHC Sursee zu integrieren und im Standort Sursee zu belassen. Das wäre echte, ehrliche Förderung des Frauenhockeys.
Wie wir es auch drehen und wenden: Ein direkter Einstieg eines Klubs in die höchste Frauenliga, der beim Verband die Fäden zieht, ist eine sportliche Farce und eine bodenlose politische Dummheit. Beides kann leider unter Verbandspräsident Michael Rindlisbacher nicht ausgeschlossen werden.
Wenigstens wird dieser Fehler rückgängig gemacht.
Aber der direkte Einstieg in die höchste Liga muss nicht sein. Eine Mannschaft aufbauen und dann mit selbst ausgebildeten Spielerinnen aufzusteigen wäre eine tolle Leistung.