Stell Dir vor, es ist Cup und niemand merkt es. So lässt sich die von der Ausgangslage her spannendste Cup-Partie der ersten Runde auf einen Nenner bringen. Das unbesiegte 1. Liga-Spitzenteam Burgdorf gegen das NLB-Schlusslicht Olten. Das Amateurhockey und die Profiliga NLB berühren sich sozusagen.
Trotzdem: Weiterkommen in der ersten Runde ist für Oltens Dino Stecher (50) gegen den Erstligisten EHC Burgdorf selbstverständlich. Nach Basels Konkurs ist er als Trainer arbeitslos geworden. In Olten hat er nun einen 50-Prozent-Job als Assistent von Cheftrainer Scott Beattie (46) bekommen. Die anderen 50 Prozent des Lohns zahlt weiterhin die Arbeitslosenkasse.
Jetzt ist er mit den Oltnern also nach Burgdorf gereist. Dino Stecher mag solche Spiele ganz und gar nicht. Der ganze Druck auf dem eigenen Team und ein Gegner, der rein nichts zu verlieren hat. «Du stehst angespannt an der Bande und beim Gegner drüben haben sie einfach Spass.» Auch Oltens neuer Sportchef, Langnau-Ruinierer Köbi Kölliker, ist irgendwie nervös und zitiert seinen Assistenz-Trainer noch vor dem Spiel zu einem Vieraugen-Gespräch.
Olten ist nie in Gefahr. Bereits beim ersten Abschlussversuch zwickt der Kanadier Shayne Wiebe die Scheibe unhaltbar hoch ins Netz zum 1:0 (5. Min.). Aber acht Sekunden nach der ersten Pause haben die Oltner das Tagesziel trotzdem verfehlt. Dino Stecher hat nämlich vor dem Spiel kategorisch erklärt: «Gegen einen Erstligisten dürfen wir einfach kein Tor kassieren. Hier müssen wir zu null gewinnen.» Er selber habe in seiner Karriere nie ein Tor gegen einen unterklassigen Gegner zugelassen. Dino Stecher hatte einst bei Olten und Gottéron als Torhüter Kultstatus.
Aber eben: Bereits acht Sekunden nach der ersten Pause verkürzt Burgdorfs Patrick Meyer gegen Michael Tobler auf 1:2. Diese Schmach des Gegentreffers bleibt der Tolggen im Oltner Reinheft. Der taktisch gut organisierte Erstligist kann das Spiel bis weit ins Mitteldrittel hinein offen halten und drückt sogar kurze Zeit auf den Ausgleich. Erst in der Schlussphase verkommt die Partie mit drei Treffern in den letzten 130 Sekunden zum Zirkus.
Aber Cupstimmung ist nie so recht aufgekommen. Der Gegner ist halt auch zu wenig attraktiv. Keine Cup-Romantik. Kein David-gegen-Goliath-Groove. Vielleicht wäre es mit dem SCB oder Langnau ein bisschen stimmungsvoller geworden. Aber nicht nur diese Partie in Burgdorf hat gezeigt: Der Cup im Eishockey ist ein Kunstprodukt ohne Tradition und Kultur.
Darüber kann auch der da und dort künstlich angefachte Medien-Rummel nicht hinwegtäuschen. Es fehlt die Intensität. Es fehlt der Glaube an die Sensation bei Spielern und Publikum. So war die Stimmung in unseren Hockeystadien vor 40 Jahren, wenn mal Dukla Jihlava oder Chimik Woskresensk ihre Kunst vorführten und der Sieger schon vor dem ersten Bully feststand.
Ruben Kauz ist wohl der einzige, der in Burgdorf gemerkt hat, dass ein Cupmatch veranstaltet worden ist. Als Spieler hatte er in der 1. Liga Kultstatus. Sein Vater war Eismeister in Burgdorf. Er ist jetzt Geschäftsführer der Localnet Arena. Sie steht auf geschichtsträchtigem Boden. Gleich nebenan ist vor gut einem Jahr das Eidgenössische Schwingfest abgehalten worden und das Hockey-Stadion diente damals als Medienzentrum.
Zwei Sicherheitsbeauftrage vom Verband waren schon am Nachmittag da. Sie machten eine Runde und gaben ein paar Anweisungen. «Wir mussten beispielsweise die Papierkörbe entfernen und durch Plastiksäcke ersetzen», sagt Kauz. So wurde sichergestellt, dass niemand während des Spiels einen Abfallkübel aufs Eis schmeissen konnte.
Was auch noch aufgefallen ist: Vor der Arena hat der Cup-Hauptsponsor (Zürich Versicherung) einen Marktstand aufgebaut. Aber sonst ist eigentlich alles mehr oder weniger wie bei einem guten 1. Liga-Spiel. Sogar die Zuschauerzahl. Das Stadion ist nicht ausverkauft. 1037 Fans sind gekommen. Bei 1. Liga-Spitzenspielen sind es schon mal 1300 Zuschauerinnen und Zuschauer.
Dieser Cup ist Zirkus und ein bisschen Tanz ums goldene Werbe-Kalb. Warum also in der ersten Runde mit den Teams aus der 1. Liga nicht konsequent auf Zirkus setzen? Warum in der ersten Runde nicht eine Handicap-Formel? Lasst die 1. Liga-Mannschaften nächstes Jahr die Erstrundenspiele gegen oberklassige Gegner mit einer 5:0-Führung beginnen. Dann kommt vielleicht doch noch etwas Cup-Romantik auf.