Der Abbruch der Eishockey-Meisterschaft ist die grösste Betriebsstillegung in der Geschichte der schweizerischen Unterhaltungsindustrie Die Klubs der National League (NL) und der Swiss League (SL) sind Kapitalgesellschaften unter dem Dach von Swiss Ice Hockey (SIHF). Sie produzieren nach festgelegtem Programm Jahr für Jahr eine Art «Lindenstrasse auf Eis». Die NL beispielsweise 50 Folgen vom Herbst bis Ende Februar und als Höhepunkt die Playoffs. Nebenher werden im März und im April kleinere und grössere Dramen um Aufstieg und Untergang inszeniert
Dieses umfangreiche Programm wird dem werten Publikum, Werbern/Sponsoren und den TV-Anstalten verkauft. Etwas mehr als 2,5 Millionen Tickets sind diese Saison in den beiden höchsten Ligen abgesetzt worden. Der Gesamtumsatz beträgt mehr als 200 Millionen Franken. Am Unterhaltungsgeschäft Eishockey hängen direkt oder indirekt rund 1500 Arbeitsplätze.
Wenn nun diesem Betrieb von einem Tag auf den anderen sechs Wochen vor Ende der Saison der Stecker gezogen wird, ist das zwar das Ende der Show. Aber es ist erst der Anfang der juristischen und finanziellen Aufarbeitung dieser Stilllegung.
Für die Klubs geht es erst einmal darum, den Schaden zu begrenzen. Alle Ausgaben zu stoppen, die nicht mehr notwendig sind. Die am besten bezahlten Angestellten mit Zeitverträgen (Trainer, Spieler) können in den meisten Kantonen (es gibt unterschiedliche Regelungen) nicht für die Monate März und April auf Kurzarbeit gesetzt werden. Angestellte mit gewöhnlichen Arbeitsverträgen – das Büro- und Gastropersonal, die Betreuer des Teams – dürfen hingegen für die restlichen zwei Monate des Betriebsjahres aufs Arbeitsamt geschickt werden.
Obwohl nun nicht mehr trainiert und gespielt wird, gibt es bei der Eis- und Stadionmiete nur wenig Sparpotenzial. Es handelt sich in der Regel um Pauschalverträge für die ganze Saison.
Die Hockey-Unterhaltungsindustrie ist untrennbar mit der gesamten Wirtschaft verflochten. Unabhängig vom vorzeitigen Abbruch der Saison werden erst die nächsten Wochen und Monate werden, ob die Werbepartner/Sponsoren ihre Verträge für die nächste Saison einhalten oder erneuern. Oder besser: ob sie aufgrund der Wirtschaftslage noch dazu in der Lage sind. Je härter Welt-Viruskrise die Wirtschaft trifft, desto schlimmer für die Klubs.
Eine Auseinandersetzung dürfte sich über längere Zeit hinziehen: die Aufarbeitung der Stillegung zwischen dem Kabelnetzbetreiber UPC Schweiz und den Klubs. UPC ist der wichtigste Einzelkunde der Eishockey-Unterhaltungsindustrie. Für etwas mehr als 30 Millionen Franken pro Saison kauft UPC das Programm für seinen Sportsender «MySports» ein.
Dieses Programm ist die Meisterschaft der beiden höchsten Ligen. Wie viele Spiele das sind, ist vertraglich geregelt. Auch unser staatstragendes Fernsehen SRF ist mit einer vergleichsweise kleinen Summe mit im Boot. Aber schon aus politischen Gründen kann sich Leutschenbach keinen aggressiven Kapitalismus leisten und wird in dieser Sache keine juristischen Zähne zeigen.
Nun hat höhere Gewalt (Anordnungen der Behörden) per sofort die Stilllegung des gesamten Meisterschaftsbetriebes herbeigeführt. Höhere Gewalt – die Klubs sind aus dem Schneider. Irrtum. Inzwischen zeigt sich: den Klubs ist ein Irrtum unterlaufen. Am Montag, dem 2. März haben sie im Rahmen einer ausserordentlichen Liga-Versammlung beschlossen, mit den Playoffs nicht gemäss Modus (und Vertrag mit UPC) am 7. März zu beginnen. Sondern abzuwarten, ob der Bundesrat die bis zum 15. März erlassenen Beschränkungen (keine Zuschauer) verlängern oder aufheben wird. Dann sollten die Playoffs und die Auf/Abstiegspartien der beiden obersten Ligen verspätet ab dem 17. März notfalls unter Ausschluss der Fans austragen werden («Geisterspiele»).
Diese Verschiebung kann die Klubs noch Millionen kosten. Denn es war ihr Entscheid, die Meisterschaft anzuhalten und damit dem TV-Partner den Sendestoff (die Spiele) nicht vertragsgemäss ab dem 7. März zu liefern. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, mit den «Geister-Playoffs» und einer «Geister-Platzierungsrunde» nach Terminplan zu beginnen und die Playoffs der Swiss League hätten fortgesetzt werden können. Keine höhere Gewalt hinderte die Klubs daran.
Wäre die Spiele in den beiden höchsten Ligen nach ordentlichem Terminplan ausgetragen worden, dann hätte «MySports» reichlich Sendestoff bekommen: bis zum Abbruch der Meisterschaft gestern wären mindestens 30 Partien möglich gewesen. Und zwar Partien, die «MySports» hohe Aufmerksamkeit beschert hätten: nie geht es um mehr und nie ist das Interesse grösser als in den Zeiten der Playoffs. Erst recht, wenn die Spiele wegen des Ausschlusses des Publikums nur am Fernsehen und grösstenteils nur bei «MySports» verfolgt werden können.
Es ist Punkt, bei dem die UPC-Juristen ansetzen. Die Angelegenheit ist juristisch so hochheikel, dass sich niemand zur Sache zitieren lässt. Die gestrige offizielle UPC-Stellungnahme bewegt sich zwischen Diplomatie und purer Heuchelei. «MySports und UPC nehmen den heutigen Entscheid des SIHV bezüglich der Beendigung aller Meistschaftsentscheidungen zur Kenntnis. Wir sind uns mit dem Verband und den Vereinen einig, dass die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit aller Spieler, Funktionäre und Zuschauer in dieser aussergewöhnlichen Situation von höchstem Belang ist.»
Brisant ist dabei, dass es nicht nur um mögliche Kürzungen der TV-Gelder (sie bringen den Klubs in der National League pro Saison etwas mehr als 1,6 Millionen ein) für diese Saison geht. Es ist ein offenes Geheimnis, dass «MySports» für UPC ein Verlustgeschäft ist. Die Frage wird auch geprüft, ob es möglich ist, aus dem noch bis 2022 (also zwei weitere Saisons) laufenden Vertrag auszusteigen.
Die Meisterschaft 2019/20 ist auf dem Eis beendet. Aber sie wird uns noch wochenlang beschäftigen. Das Ende, das erst ein Anfang ist.
Ich fände eine gute Lösung:
Keine Rückforderungen seitens der UPC für entgangene Spiele in dieser Saison, aber eine (an Spielen gemessene, prozentuale) Reduktion der Zuwendungen für die nächste Saison.
Das gäbe den Klubs eine Planungssicherheit für die nächste Saison (weniger Einnahmen = weniger Budget) und würde nicht einzelne Klubs an den Rand eines Ruins treiben...
Was meint Ihr dazu, liebe Hockey-Freunde?
Falls nicht, ist es durchaus vorstellbar, dass es eng werden könnte.