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Götterdämmerung? So heisst die nordische Sage über den Untergang der Götter, der Titanen, den Untergang der Welten. Richard Wagner hat sie zu einer gewaltigen Oper verarbeitet.
Haben wir in diesem Derby also die Götterdämmerung, den kommenden Untergang des Titanen ZSC Lions geschaut? Ein bisschen Dramatik muss ja sein. Die grosse, mächtige Hockeymaschine der ZSC Lions hat diese Qualifikation dominiert und nebenbei auch noch den Cup gewonnen. Der Qualifikationssieg ist nach wie vor möglich – und natürlich der Titelgewinn auch. Schliesslich waren die Zürcher mit Trainer Marc Crawford 2013 Halbfinalist, 2014 Meister und 2015 Finalist. Also sollte eine 3:4-Niederlage nach Penaltys eigentlich noch kein Grund zur Beunruhigung sein. So macht es den Anschein.
Der grosse Dichterfürst Goethe lehrt uns: die Welt urteilt nach dem Scheine. Aber die Hockeygötter tun es nicht. Deshalb haben die Kloten Flyers 4:3 nach Penaltys gewonnen. Wenn der Weg in die Playoffs der Strecke zwischen dem Hallenstadion und dem Schluefweg entspricht, dann sind die Klotener gestern in die Tiefgarage ihres Heimstadions eingefahren. Sie werden die Playoffs schaffen.
Dieses 199. Zürcher Derby schien ja eine klare Sache. Die ZSC Lions auf Platz 1 mit 88 Punkten. Die Kloten Flyers auf Platz 8 mit 61 Zählern. Die ZSC Lions konnten locker spielen. Ohne den vielzitierten Druck. Die Kloten Flyers standen hingegen unter maximalem Druck.
Aber eben: der Schein trügt. Am Ende siegt der Aussenseiter. Ja, eigentlich hätten die Klotener den Sieg schon nach 60 Minuten verdient.
Der Hockeypuritaner wird sagen: ein schwaches Spiel. Viel zu viele Fehler. Viel zu wenig taktische Disziplin. Viel zu geringe Intensität. Wer gute Unterhaltung mag, ist hingegen begeistert nach Hause gegangen. Die Kloten Flyers, die so oft noch einen Weg in die vermeidbare Niederlage gefunden haben, schienen auch jetzt den Sieg im Schlussdrittel nach einer 3:1-Führung zu verschenken.
Es steht noch 3:2. Torhüter Martin Gerber kommt raus, sein Ersatz Lukas Boltshauser geht rein. Sein erster Einsatz in der NLA für die Kloten Flyers. Kurz darauf kehrt Gerber ins Tor zurück, kassiert das 3:3, fährt wieder raus und bleibt auf der Bank. Trainer Sean Simpson sagt, Gerber sei aufgrund einer «Oberkörperverletzung» definitiv ausgewechselt worden. Wie schlimm die Blessur ist, weiss er noch nicht. Martin Gerber leidet seit längerer Zeit an einer Blessur seiner Fanghand.
Lukas Boltshauser (22), auf diese Saison verpflichtet und ausersehen, Martin Gerber (41) in naher Zukunft zu ersetzen, lässt keinen Treffer zu und wird im Penaltyschiessen die Titanen Roman Wick und Auston Matthews stoppen.
Die Niederlage scheint für die ZSC Lions im Kampf um den Qualifikationssieg bedeutungslos. Aber der Schein kann auch da erneut trügen. Vielleicht sind es diese zwei Punkte aus dem gestrigen Derby, die Kloten auf den 8. und letzten Playoffplatz bringen.
Bei einer Viertelfinalserie gegen die Kloten Flyers scheinen die ZSC Lions klare Favoriten zu sein. Aber die Hockeygötter urteilen eben nicht nach dem Scheine. So wie das Spiel gestern gelaufen ist, so arrogant wie die favorisierten ZSC Lions aufgetreten sind, so wie die Kloten Flyers diesmal einen Weg gefunden haben, ein Spiel doch noch zu gewinnen, könnte es durchaus sein, dass es im Viertelfinale zu einer Sensation kommt. Und die Kloten Flyers auf Kosten ihres Lokalrivalen den Halbfinal erreichen.
Was die ZSC Lions zutiefst beunruhigen muss: Die Kloten Flyers haben diese Saison vier von sechs Derbys gewonnen. Je zwei auf eigenem Eis und zwei im Hallenstadion. Vier Siege! Richtig, das reicht exakt, um eine Playoffserie zu gewinnen.
Sean Simpson ist kein Coach für einen Titanen. Seine grossen Triumphe hat er immer als Aussenseiter gefeiert. Mit den ZSC Lions gewann er als Aussenseiter die Champions Hockey League und mit einem Sieg gegen Chicago den Victorias Cup. Aber in der Meisterschaft scheiterte er als Favorit mit den Zürchern zweimal kläglich im Viertelfinale. Mit der Nationalmannschaft schrieb er als Aussenseiter das Silbermärchen von Stockholm, aber als Medaillenanwärter erreichte er anschliessend beim Olympiaturnier 2014 und bei der WM 2014 nicht einmal den Viertelfinal.
Nun ist er drauf und dran, mit den Kloten Flyers grad noch die Playoffs zu erreichen und dort in seiner besten Rolle, in der Rolle des Aussenseiters, eine Sensation zu schaffen.
Kommt es denn tatsächlich zum Viertelfinal gegen die ZSC Lions, dann wird es eine Serie der «Lottergoalies». Die ZSC Lions haben in der Qualifikation bisher so klar dominiert, dass beinahe vergessen gegangen ist, dass sie möglicherweise mit einem Lottergoalie in die Playoffs müssen. Es ist keineswegs sicher, dass Lukas Flüeler für die Playoffs wieder fit und in Form sein wird. Ist Niklas Schlegel (21) gut genug für den Gewinn der Meisterschaft? Er ist talentiert, er hat gestern im Derby sein Team mit ein paar «big Saves» im Spiel gehalten. Aber eben das Spiel nicht gewonnen. Die Fangquote von 82,35 Prozent ist ungenügend.
Die Kloten Flyers können sich auch nicht darauf verlassen, dass Martin Gerber in den Playoffs fit sein wird. Lukas Boltshauser hat seinem Team den Sieg gerettet. Durchaus möglich, dass ihm dieser Sieg jenes Selbstvertrauen gibt, das er braucht, um eine Viertelfinalserie gegen die ZSC Lions zu gewinnen.
Ja, gewiss, das war jetzt nun alles Spekulation. Die ZSC Lions sind noch nicht Qualifikationssieger, die Kloten Flyers noch nicht in den Playoffs und ob es tatsächlich zum Viertelfinal ZSC Lions gegen die Kloten Flyers kommen würde, steht in den Sternen. Und Chefdirigent Marc Crawford hat noch zwei Wochen Zeit, um in seinem Orchester Ordnung zu schaffen und die taktischen und spielerischen Instrumente so zu stimmen, dass darauf der Triumphmarsch gespielt werden kann.
Aber der neutrale Beobachter hat in diesem unterhaltsamen Zürcher Derby so viel gesehen, was gegen die ZSC Lions und für die Kloten Flyers spricht, dass er sich vom schönen Schein des 1. Platzes und der grossen ZSC-Namen nicht blenden lässt und denkt: Vielleicht hat mit dieser Partie die Götterdämmerung der ZSC Lions begonnen. Unabhängig davon, wer der Gegner im Viertelfinale sein wird.
Es ist vielmehr das Grundübel vom Z. Man glaubt einfach daran, dass man im letzten Drittel die drei Punkte heimfahren kann. Gegen ein Team, das mit dem Rücken zur Wand steht und unbestreitbar Qualitäten hat, ist das natürlich ein fataler Fehler. Und wir stehen wieder wie in den letzten paar Jahren vor der Frage: Kann ZSC den Schalter umkippen? Was braucht es, damit die Mannschaft 60 Minuten lang vor dem eigenen Tor wegputzt und beim Gegner vor der Kiste steht? Das ist der Angstfaktor Nr. 1!