Ist Hans Kossmann (52) die Schweizer Antwort auf Mike Keenan (64)? Nach der 1:4-Niederlage in Zürich stellt sich diese Frage immer dringender. Der HC Fribourg-Gottéron steht jetzt nach Verlustpunkten zusammen mit den Rapperswil-Jona Lakers auf dem letzten Tabellenplatz. Sechs Niederlagen in acht Spielen. Eine arge Enttäuschung. Im Selbstverständnis ist Gottéron ein Spitzenteam und sieht sich auf Augenhöhe mit den Titanen der Liga.
Tatsächlich war Gottéron den Zürchern optisch keineswegs unterlegen: 33:25 Torschüsse für die Freiburger. Der Teufel steckte im Detail. Die ZSC Lions spielten konstanter, verlässlicher, disziplinierter und machten weniger Fehler. Die grosse, mächtige Titelmaschine. Und erstaunlich: Die Zürcher traten leidenschaftlicher auf als die Gäste, die doch sonst für ihren «heiligen Zorn» in kritischen Situationen landesweit berühmt sind.
Wieder kein schlechter Start, dann die Aussetzer und deswegen halt eine Niederlage. 1:4 in Zürich. Plüss als einziger Torschütze
— Le Dragon Gotteron (@GalternDrache) 29. September 2014
Aber wir sind vom Thema abgeschweift. Warum der Vergleich mit Mike Keenan? Nun, der Kanadier gilt als «härtester Hund» der Trainerbranche. Keiner faltet die Spieler so zusammen. Dabei wirkt «Iron Mike» ausserhalb der Kabine zurückhaltend, höflich und gebildet. Er setzt das Führungsprinzip des ehemaligen US-Präsident Theodore Roosevelt im Eishockey um: «Sprich sanft und trage einen grossen Knüppel bei dir, dann wirst du weit kommen.» Will aufs Eishockey übertragen heissen: Höflich gegenüber den Medien und den Klubbesitzern – aber unerbittlich im Umgang mit den Spielern.
Mike Keenan, aktuell Trainer von Metallurg Magnitogorsk, hat mit Philadelphia und Chicago den Stanley-Cup-Final erreicht. Aber den Cup holte er nur mit den Rangers (1994). In Philadelphia, Chicago, St. Louis und Florida kam es jeweils im vierten Jahr zum Bruch, die Rangers verliess er bereits nach einem Jahr. Letzte Saison holte er mit Magnitogorsk den KHL-Titel. Nach russischen Führungs-Massstäben ist Mike Keenan wohl ein netter Onkel.
Hans Kossmanns Wesen und Wirken mahnt stark an Mike Keenan. So wie er tobt bei uns keiner in der Kabine und im Einzelgespräch. Nicht Arno Del Curto, nicht Guy Boucher, nicht Marc Crawford und nicht Chris McSorley.
Wie Mike Keenan ist auch der «eiserne Hans» dazu in der Lage, seine Spieler an die Belastungsgrenze zu treiben. Fachtechnisch und taktisch ist er über alle Zweifel erhaben. In den letzten drei Jahren erreichte der kanadisch-schweizerische Doppelbürger mit Gottéron die Ränge drei, eins und zwei plus 2013 das Playoff-Finale gegen den SC Bern. Nur während der «Belle Epoque» mit Slawa Bykow in den 1990er-Jahren war Gottéron noch erfolgreicher.
Wie Mike Keenan ist auch Hans Kossmann ein guter Kommunikator. Er parliert fliessend Französisch und Deutsch und spielt in Fribourg auf den lokalen Medien wie auf einer Fidel. Wer so sanft redet, kann doch gar nicht so böse mit den Spielern sein. Nach der Niederlage im Hallenstadion liess er sich keine Gefühlsregung anmerken und brachte geschickt die Entschuldigungen vor, die wir von allen Trainern in dieser Situation kennen.
Man habe gut gespielt und die Tore halt nicht gemacht. Im September sei noch nie ein Titel verspielt worden. Einige Spieler seien wegen Verletzungen in der Vorsaison noch nicht in Form. Und so weiter und so fort. Wenn seine Spieler solche Entschuldigungen vorbringen würden, dann ginge Hans Kossmann durch die Decke.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich Hans Kossmann keineswegs als Schweizer Antwort auf Mike Keenan sieht. Der «eiserne Hans» sagt sogar: «Ich kann mir nicht erklären, wie Sie darauf kommen, mein Führungsstil als hart zu bezeichnen und mich mit Mike Keenan zu vergleichen.» Als wolle er einen Beweis für kuschligen Führungsstil liefern, sagt er auch: «Am Dienstag habe ich den Spielern frei gegeben. Sie sollen sich jetzt etwas erholen.» Ob von den Anstrengungen oder von ihrem Trainer hat er nicht gesagt.
Hans Kossmanns Bewunderer sagen, nur er sei mit seiner unerbittlichen Härte dazu in der Lage, den welschen Schlendrian auszutreiben. Die guten Resultate der letzten drei Jahre seien ausschliesslich mit diesem ganz besonderen Führungsstil möglich geworden. Seine Kritiker hingegen monieren, er übertreibe es. Im vierten Amtsjahr beginne sich dieser extreme Führungsstil abzunützen.
Aber möglicherweise wird Hans Kossmann nicht an seinem Führungsstil scheitern. Die Torhüter könnten sein Schicksal werden. Um den Ehrgeiz des genügsamen welschen Jahrzehnttalents Benjamin Conz (23) anzustacheln, hat er den Junioren-Nationaltorhüter Melvin Nyffeler (19) von den ZSC Lions geholt. Das Resultat ist vorerst verheerend: Beide haben Fangquoten von unter 87 Prozent (Conz 86,53, Nyffeler 86,42).
Wenn der Torhüter nicht mindestens 90 Prozent der Schüsse hält, kann seine Mannschaft fast nicht gewinnen. Auch beim 1:4 gegen die ZSC Lions war Benjamin Conz mit einer Fangquote von 84,00 Prozent ein Lottergoalie. Mit Conz und Nyffeler drohen Gottéron ganz unabhängig vom Führungsstil des Trainer die Playouts.
Bei Mike Keenan kamen die Schwierigkeiten in der Regel in der 4. Saison. Nun steht auch Hans Kossmann bei Gottéron im kritischen vierten Amtsjahr. Soeben hat ihm der Verwaltungsrat den Vertrag als Trainer und Sportchef bis Ende der nächsten Saison verlängert. Aber inzwischen sind nicht mehr alle davon überzeugt, dass Hans Kossmann im Frühjahr 2016 noch bei Gottéron an der Bande stehen wird.