Nur eine Medienkonferenz im Erdgeschoss im Haus des Sports in Ittigen. Aber auch die Stunde der Sportromantiker.
So hohes Lob! Welch eine Wertschätzung! Ligadirektor Denis Vaucher bezeichnet die Fans als «das Salz» im grossen Hockeymenü. Um darzulegen, warum die Liga keine Spiele mehr ohne Fans im Stadion will.
Endlich bekommen die Fans das Lob, das ihnen gebührt. Sonst ist ja bei Medienkonferenzen, wenn die Fans ein Thema sind, die Rede von Sicherheitsproblemen, Sicherheitskosten, Gewalt und Unanständigkeit.
Ach, wie gut tut dieses Fan-Lob. Da kommen einem grad die Worte aus der Bergpredigt im Matthäus-Evangelium in den Sinn («Ihr seid das Salz der Erde» – «Ihr seid das Licht der Welt»).
Es ist also doch nicht so, dass die Stars nur des schnöden Mammons wegen spielen statt zu arbeiten. Und es ist auch nicht so, dass die Spieler die Wichtigkeit der Fans bloss betonen, weil ihnen das beim Medientraining beigebracht worden ist.
Nein, die Fans sind ein ganz, ganz wichtiger Teil der grossen Hockey-Familie. So wie der Mensch nicht vom Brot allein, so lebt der Hockeystar nicht vom Salär allein. Die Partien ohne Publikum am letzten Freitag und Samstag haben offenbart, wie wichtig die Fans, ihr Applaus und die Emotionen, die sie entfachen, im Stadion für alle sind. Als höchste Anerkennung für sportliche Heldentaten.
So erleben wir bei dieser Medienkonferenz im Haus des Sportes wunderbare Momente der Sportromantik. Den Schulterschluss mit dem Fussvolk. Alle im gleichen Boot. Wahrlich, ich sage euch, Spiele ohne Publikum soll es keine mehr geben.
Aber was ist, wenn Wasser ins Boot läuft? Gemeinsam Geld verlieren? So schön die Verbrüderung mit den Fans auch sein mag: Wird das Verbot für Massenveranstaltungen über den 15. März hinaus verlängert, werden die Klubs die Meisterschaft ohne Fans zu Ende zu spielen müssen.
Der Kabelnetz-Titan UPC bezahlt der Liga mehr als 20 Millionen im Jahr. Die Gegenleistung ist eine bestimmte, im Vertrag festgeschriebene Anzahl Spiele. Damit der Sport-TV-Sender «MySports» etwas zu senden hat. Und dann werden ausgerechnet die Playoffs – also die zugkräftigsten Partien – nicht gespielt? Geht nicht. Und wenn keine Fans ins Stadion gelassen werden, dann ist ja das Interesse an den TV-Übertragungen noch grösser.
Mag sein, dass Spiele ohne Publikum seelenlos sind wie eine im Studio nachgestellte Mondlandung. Aber für TV-Übertragungen sind sie bei weitem gut genug.
Einer weiss das ganz genau: Liga-Direktor Denis Vaucher. Ein kluger Fürsprecher und Pragmatiker. Nachdem er die Psalmen für die Fans gesungen hat, verkündet er, was die Klubvertreter soeben beschlossen haben. Mit einer Dreiviertelmehrheit. Die Meisterschaft wird bis zum 15. März unterbrochen. Kein Hockey auf der grossen Bühne.
Erwartet wird, dass der Bundesrat am 13. März entscheiden wird, ob das Verbot von Massenveranstaltungen aufgehoben oder verlängert wird. Dann werde man weitersehen.
Fragen werden gestellt: Wer ist Meister, wenn nicht mehr gespielt werden kann? Bis wann müsste der Spielbetrieb spätestens wieder aufgenommen werden, um doch noch den Meister und die Auf-/Absteiger zu ermitteln? Wann ist der letztmögliche Spieltag vor der WM, die am 8. Mai beginnt? Werden im Falle einer Verlängerung des Verbotes durch den Bundesrat doch Spiele ohne Publikum ausgetragen?
Es ist Denis Vauchers grosse Stunde. Nun muss er viel reden, ohne etwas zu sagen. Wie ein Politiker. Er redet viel und gibt doch keine verbindlichen Antworten. Er bestätigt nur diesen einen Beschluss: Pause in den beiden obersten Ligen bis zum 15. März.
Hinter dem 15. März zieht eine Nebelwand herauf, die alles verhüllt und keine konkreten Antworten zulässt. Denis Vaucher sagt, niemand wisse, was die Entwicklung der nächsten Tage bringe, was die Behörden über den 15. März hinaus anordnen werden. Es sei sogar so, dass die Reglemente nicht einmal sagen, wer im Falle eines Abbruches des Championats Meister wäre.
So viele Fragen und keine präzisen Antworten. Der Wissenstand ist nach der Medienkonferenz der gleiche wie vor der Medienkonferenz: Die Meisterschaft wird bis zum 15. März unterbrochen.
Diese Medienkonferenz ist also auf den ersten Blick belanglos. Weil ja nur verkündet wird, was bereits bekannt und längst gedruckt und gesendet worden ist.
Dabei geht fast vergessen, dass es ganz grosses juristisches Kino ist. Dass es hier um zweistellige Millionenbeträge geht. Ja, dass falsche Worte von offizieller Seite Millionen kosten können.
Wohlweislich ist kein Klubvertreter zu dieser Medienkonferenz gebeten worden.
Es ist für den Liga-Direktor ein juristischer Eiertanz vor den Mikrofonen und Kameras, die jedes Wort erfassen. Was er sagt, kann später vor Gericht verwendet werden. Eine explosive Mischung aus Geld, Geist und Viren. Noch nie hat sich die untrennbare Verknüpfung von Sport, Politik und Wirtschaft so dramatisch gezeigt. Wer will, kann sagen: das Eishockey zahlt den Preis für den Verkauf der Seele.
Der zentrale Punkt ist nämlich: so lange es höhere Gewalt ist (in diesem Falle die Entscheidungen des Bundesrates), so lange haften die Klubs nicht. Sie müssen sich ja den behördlichen Anordnungen unterziehen.
Der Entscheid, bis zum 15. März nicht zu spielen, weil man keine Partien ohne Publikum will, ist juristisch noch ohne jedes Risiko: Es bleibt nach dem 15. März noch genug Zeit, um notfalls ohne Publikum das ganze Programm über die Bühne zu bringen.
Die Klubs spielen die Meisterschaft nicht nur aus Freude am Sport. Sie spielen diese Meisterschaft auch, weil sie müssen. Das Geld kommt nicht nur von Gönnern, Werbern und den Fans. Insgesamt kassieren sie auch über 30 Millionen pro Saison aus den Kassen des privaten und staatstragenden Fernsehens. Sportlicher Geist für Geld.
Wenn die Klubs nun beschliessen, die Meisterschaft nach dem 15. März ganz abzubrechen oder zu verkürzen (weil man nicht ohne Publikum spielen will) – dann handelt es sich um Vertragsbruch. Die Klubs können für diesen Entscheid ins Recht gefasst und zur Kasse gebeten werden. Denn der Bundesrat verbietet ja nicht, Spiele auszutragen. Er verbietet wegen der Viren lediglich, Zuschauerinnen und Zuschauer ins Stadion zu lassen.
Wenn Verbandspräsident Michael Rindlisbacher sagt, man sei im ständigen Gedankenaustausch, man sitze ja im gleichen Boot und beide Seiten seien an einer weiteren guten Zusammenarbeit interessiert, dann hat er sicherlich recht. Die TV-Verträge laufen ja noch bis 2022. Niemand hat ein Interesse an einem «juristischen Armageddon.»
Aber er, sein Liga-Direktor und die Klubvertreter unterschätzen, wie explosiv diese noch nie dagewesene Mischung aus Geld, Geist und Viren tatsächlich ist. Aber einer ahnt beim Smalltalk die Brisanz. Reto Müller, stellvertretender Chefredaktor und Moderator und Kommentator bei «MySports», wehrt auf eine entsprechende Frage ab:
Mag sein, dass die Stürmer auch in den Playoffs hin und wieder die klarsten Abschlussmöglichkeiten auslassen. Ja, manchmal sogar das leere Tor nicht treffen. Die UPC-Juristen werden hingegen die Chancen nicht verpassen, die sich bieten, um die Millionenverluste zu verringern, die der Kabelnetzbetreiber mit dem Hockeygeschäft einfährt.
Die Playoffs sind bis zum 15. März auf Eis gelegt. Die Playoffs in den Anwalts-Kanzleien haben soeben begonnen. Schade, dass das Publikum bei diesen juristischen Playoffs ausgeschlossen ist.
Ohne Fans. Alle Spiele.
TV setzt sich durch.
Keine Frage.
Wenn die Playoffs nicht mit Publikum ausgetragen werden können, sehe ich schwarz für die WM (dort kann man ja nicht ein paar Wochen vorher abwarten..).
Wie auch immer, das vom Eismeister angestossene Anwalts-Playoff wird ihn nun in den nächsten zwei Wochen beschäftigen und uns unterhalten...vielleicht aufgelockert mit Artikeln über den Playout-SCB und Langenthal, welches Olten gebodigt hat. Eismeister, wir warten.