Was ist Hockey-Romantik? Es gibt ein paar Erkennungsmerkmale. Erstens: Die Verankerung mit der Gegend, dem Dorf oder der Stadt mit einem Präsidenten, der fest ins soziale Netz des Umfeldes eingebrunden ist und sein Engagement als Mission versteht.
Zweitens die enge Zusammenarbeit zwischen Sportchef und Cheftrainer. Beide verstehen sich als Träger der lokalen Kultur, auch sie sind auf einer Mission und halten zusammen wie Pech und Schwefel. Idealerweise (aber nicht notwendigerweise) haben beide die gleiche Staatsbürgerschaft.
Drittens ein hohes Mass an Fachkompetenz beim Sportchef und beim Trainer. Viertens: Geld ist knapp. Aber es wird nicht gejammert. Der Sportchef versteht es, die finanziellen Mittel optimal einzusetzen und ist ein überzeugender Verhandlungspartner. Er kann nicht mit einem Griff ins Regal des Geldspeichers einfach das Angebot erhöhen. Er muss überzeugen. Oder auf den Punkt gebracht: Mehr Geist als Geld.
Wir haben diese Voraussetzungen in Langnau und in Ambri. Paolo Duca und Luca Cereda im Tessin wie Pascal Müller und Thierry Paterlini im Emmental. Langnau-Präsident Peter Jakob, anders im Wesen und Wirken zwar, aber mit ähnlicher Wirkung wie Filippo Lombardi. Beide sind die Erbauer beziehungsweise Erneuerer der örtlichen Hockey-Tempel.
Wir sehen: Die Direktbegegnungen zwischen Ambri und Langnau sind die Gipfeltreffen der Hockey-Romantiker. Logisch wäre also, wenn es bei den vier Direktbegegnungen in dieser Saison je zwei Siege für Ambri und Langnau gegeben hätte. Aber so ist es nicht.
Am Samstag hat Ambri die Langnauer zum vierten Mal in der laufenden Qualifikation besiegt. Auswärts 3:2. Vorher siegte Ambri 5:3 und 2:1 auf eigenem Eis und 4:3 in der Verlängerung beim ersten Gastspiel in Langnau.
Gerade dieses 3:2 in der letzten Direktbegegnung ist erstaunlich. Denn am Vorabend hatte Langnau auswärts mit der wahrscheinlich besten Saisonleistung ein starkes Biel 3:1 besiegt. Alles war perfekt: Das Defensivspiel, die schnelle Angriffsauslösung, das Spiel in Über- und Unterzahl mit 100 Prozent Erfolgsquote. Die Langnauer erzielen den Siegestreffer (2:1) im einzigen Powerplay der Partie und überstehen einen Fünfminuten-Ausschluss von Matthias Rossi.
Wie kann es sein, dass sich alles in 24 Stunden fast ins Gegenteil verkehrt? Beim 3:4 gegen Ambri gelingt kein Powerplay-Treffer und dafür kassieren die Emmentaler die Wende (das 1:1) in Überzahl.
Die Erklärung ist einfach: Es ist für Langnau einfacher gegen Biel zu spielen. Das Forechecking der spielerisch klar besseren Bieler ist viel weniger intensiv (sie ziehen sich oft in die Mittelzone zurück), es gibt mehr Raum für Konter und wer spielerisch so gut ist wie die Bieler, setzt auf die spielerische Kunst, verliert oft Zweikämpfe gegen bissige Aussenseiter. Das gilt auch für die Hockey-Romantiker aus der Leventina: Ambri hat in zwei der bisher drei Direktbegegnungen gegen Meister Zug triumphiert – 5:4 in Zug und nach Verlängerung 5:4 auf eigenem Eis.
Gegen Ambri ist es für die Langnauer hingegen unendlich mühseliger als gegen einen spielstarken Gegner wie Biel. Unter dem Druck eines unerbittlichen, rauen Forecheckings ist es schwieriger, ins Spiel zu finden. Die Räume sind eng und die Zweikämpfe sind härter. Ambri ist taktisch ähnlich programmiert wie Langnau. Gut strukturiertes Lauf-, Tempo- und Energiehockey.
Mag sein, dass Langnaus Ausländer eine Spur besser sind. Sie haben bisher 75 Treffer beigesteuert, jene von Ambri bloss 54. Aber Ambri ist offensiv prominenter mit Schweizern und Schweizer Lizenzen besetzt (Inti Pestoni, Daniele Grassi, Johnny Kneubühler, André Heim, Dominic Zwerger). Langnaus Schweizer haben bisher 30 Tore erzielt und jene von Ambri 65. Da es also auch hier so etwas wie eine Patt-Situation gibt – bessere Ausländer da, bessere Schweizer dort – erstaunt es, dass die Langnauer viermal verloren haben.
Aber eigentlich hat alles seine Logik: Ambri führte die wahre Romantik nach Jahren der Irrungen und Wirrungen bereits 2017 mit der Amtseinsetzung von Paolo Duca und Luca Cereda wieder ein. Langnau hat hingegen erst im letzten Sommer mit der Verpflichtung von Pascal Müller und Thierry Paterlini zu seiner Kultur, seinen Wurzeln und der Romantik zurückgefunden.
Der Zufall und die Zeit sind die grössten Tyrannen des Hockeys. So ist es nicht verwunderlich, dass Ambri auf die Pre-Playoffs hofft und Langnau die Playouts drohen.
Langnau und Ambri sind sich so ähnlich, dass ihre Sportchefs auf den Transferwühltischen nach den gleichen Spielertypen suchen: Nach einem «Rumpelstürmer» für mehr Kaderbreite, Energie, Wasserverdrängung.
Besser wären natürlich spielstarke Skorer. Aber die gibt es im Januar in den Transferbrockenstuben nicht. Langnaus Pascal Müller ist bereits fündig geworden: Er hat per sofort Matthias Rossi (32) von Gottéron übernommen. Eigentlich war der Wechsel erst auf die neue Saison geplant. Der kräftige Flügel (185 cm/101 kg) hat schon ganz ordentlich gerumpelt. Noch kein Skorerpunkt in drei Partien. Aber schon 25 Strafminuten. In Biel ist er unter die Dusche geschickt worden (Restausschluss, eine Spielsperren), weil er Luca Cunti in die Bande genietet hatte. Mit ihrer Neuerwerbung haben die Langnauer zweimal gewonnen (5:0 Gottéron, 3:1 Biel) und einmal verloren (3:4 Ambri).
Ambris Paolo Duca bemüht sich ebenfalls für einen, der ordentlich zu rumpeln vermag: um Thomas Rüfenacht (37). Der amerikanisch-schweizerische Doppelbürger hat bereits mehr als 600 Partien in der höchsten Liga bestritten (Langnau, Zug, Lugano, SC Bern), stand in zwei WM- und einem Olympiateam, hat fast 300 Punkte gebucht und über 900 Strafminuten abgesessen. Zuletzt war er ein Leitwolf in den SCB-Meisterteams von 2016, 2017 und 2019.
Aber seit der Meisterfeier 2019 konnte Rüfenacht wegen einer Knieverletzung nur noch 18 Partien bestreiten. Nun ist er bereit für ein Comeback und hat bei Ambri bereits trainiert. Sportchef Paolo Duca sagt: «Ob wir ihn unter Vertrag nehmen, ist noch offen.»
Rüfenacht habe sich im Training leicht verletzt. Nicht am Knie, sondern im Gesicht. Offenbar ist alles in bester Ordnung. Sein Agent bestätigt, das Comeback sei auf guten Wegen. Es gebe aber noch allerlei Papierkram zu erledigen.