Der Pokal wird in die Mitte des Eisfeldes gestellt. Es geht in Basel um einen nationalen Hockey-Titel. Die Nationalhymne wird gespielt. Alle erheben sich. Endlich wieder grosses Hockey in Basel. Die Basler haben mit der Final-Qualifikation bereits den Wiederaufstieg in die zweithöchste Liga geschafft. Nun dürfen sie im Final der MySports League gegen Hockey Huttwil gar um einen nationalen Titel spielen.
Den ersten Final (Modus Best of Five) hat Basel auf eigenem Eis 2:5 verloren. Den zweiten in Huttwil nach einer 2:0- und 3:1-Führung 3:4. Nun ist am Samstag endlich der erste Sieg gelungen (4:1). Am Dienstag geht es in Huttwil weiter. Die vergessenen Hockey-Romantiker aus der drittgrössten Stadt der Schweiz können sogar Meister werden. Gegen den Klub aus einem Städtchen mit 5000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Eishockey und Basel. Eine schwierige Beziehung. Am besten erklärt eine Episode die Bedeutung des Spiels in dieser Stadt. Stefan Tschannen stürmte in der letzten Hochphase des Basler Hockeys vor dem Abstieg aus der höchsten Liga (2006 bis 2008) für die Basler und wohnte in der Stadt. Der Nachbar fragte ihn, womit er denn seinen Lebensunterhalt verdiene. Auf seine Antwort, er sei Hockey-Profi soll der freundliche Nachbar erstaunt gefragt haben, wo er denn spiele. – In Basel. – Was, haben wir einen Hockey-Club?
Ist es heute anders? Auf den ersten Blick scheint es so: 2'637 Baslerinnen und Basler sind am Samstag herbeigeeilt, um den dritten Final gegen Huttwil zu sehen. Aber es war halt Gratiseintritt. Beim ersten Finalspiel musste das Portemonnaie gezückt werden und es kamen nur halb so viele: 1'289. Eishockey und Basel ist nach wie vor keine Liebesgeschichte.
Die Frage, warum in einer Stadt Eishockey nicht «funktioniert», ist eigentlich einfach zu beantworten. Entweder fehlt die Infrastruktur oder die Tradition. Es kann sein, dass eine Stadt ganz einfach zu klein oder die Konkurrenz durch andere Sportunternehmen zu gross ist. Oder es kümmern sich nie die richtigen Leute ums Eishockey.
Aber in Basel finden wir so keine Antworten. Dass der FC Basel die wichtigste sportliche Institution in der Stadt ist, kann keine Erklärung sein. Bern hat die Young Boys und den SC Bern. Aus Zürich kommen die ZSC Lions, GC und der FC Zürich. In Genf sind der Servette FC und der HC Servette zu Hause und in Lugano der HC Lugano und der FC Lugano. Lausanne leistet sich den FC Lausanne-Sport und den HC Lausanne. Bloss in Basel ist nur der Fussball in der höchsten Liga vertreten. Der EHC Basel hingegen spielte diese Saison bloss in der dritthöchsten Spielklasse.
Die Infrastruktur kann nicht der Grund sein. Seit 2002 hat auch Basel einen Hockeytempel, der allen Ansprüchen genügt: Gut erreichbar, Parkplätze, Komfort. Und hier ist in diesem Jahrhundert zweimal der Aufstieg nach ganz oben in die höchste Liga (2003 und 2005) gelungen. Aber die Eishockeybegeisterung ist ausgeblieben.
Oder scheiterten die Versuche, Eishockey in Basel wieder zu beleben, an der Inkompetenz der Macher? Nein. Das wäre eine höchst ungerechte Beurteilung. Grosse Männer haben es versucht. Immer wieder. Paul-André Cadieux war da und zuletzt führten Kent Ruhnke als Trainer und der grübelnde Zweifler Ueli Schwarz als Manager (er ist heute TV-Experte und Verwaltungsrat beim EHC Biel) die Basler im Frühjahr 2005 spektakulär in die höchste Liga zurück und ein Jahr später gar in die Playoffs. Aber es hat einfach nicht funktioniert. Mehr als 3'365 pro Spiel (Saison 2005/06) sind nie gekommen. 2008 folgt die Relegation in die zweithöchste Liga, sechs Jahre später der Konkurs und der Abstieg ins Amateurhockey.
An der Tradition kann es auch nicht liegen. Eishockey war in Basel schon populär, als es den SC Langnau (heute SCL Tigers), den HC Lugano, die Rapperswil-Jona Lakers oder den EV Zug noch gar nicht gab und der EHC Biel gerade gegründet wurde. Ja, Basel war eine Eishockey-Hauptstadt: Die 16'000 Zuschauer beim Länderspiel gegen die Tschechoslowakei am 5. März 1939 (2:0) bedeuteten bis zur Partie gegen Russland am 6. Dezember 1986 (2:10) in Bern Rekord. In den 1950er Jahren war der EHC Basel, 1932 gegründet, der Zuschauer-Krösus unseres Hockeys mit regelmässig zwischen 5000 und 10'000 Fans. Der EHC Basel gehörte nach dem 2. Weltkrieg zu den Topteams und erreichte 1946 hinter Davos und 1952 hinter Meister Arosa den zweiten Platz.
Für einen Meistertitel reichte es Basel zwar nie und Emil Handschin gehört zu den besten Spielern unserer Hockeygeschichte, die nie Meister geworden sind. Aber vielleicht finden wir doch hier eine Antwort: Nach dem Abstieg im Frühjahr 1963 mit 18 Niederlagen aus 18 Spielen und 32:149 Toren (es war Langnaus erste Saison in der NLA) kehrte Basel erst 2003 wieder in die höchste Liga zurück. Mehr als 40 Jahre, eine ganze Generation lang, hatte es in Basel kein Spitzenhockey mehr gegeben. Möglicherweise war diese Pause zu lang.
Nun hat also in der MySports League, in der dritthöchsten Liga ein neues Abenteuer begonnen. Mit zwei Legenden. Mit Geschäftsführer Olivier Schäublin (44) und Trainer Christian Weber (58), dessen Vertrag durch den Aufstieg um ein Jahr verlängert worden ist. Oliver Schäublin kennt unser Hockey aus mehr als 700 Partien in der höchsten und zweithöchsten Liga und in Basel hat der Emmentaler aus Burgdorf 2016 seine aktive Karriere in der 1. Liga beendet. Nun ist er so etwas wie der Marc Lüthi von Basel. Er hat in der Basler Hockeykultur Kultstatus und einen besseren Mann könnten sie in Basel an der Spitze des Hockeyklubs nicht finden: Kompetent, engagiert, glaubwürdig und gut vernetzt in der nahen und weiten Hockey-Welt. Das erste Ziel ist mit dem Aufstieg in die Swiss League schon erreicht. Vielleicht gelingt mit einem Finalsieg über Hockey Huttwil sogar die Krönung. Es müssen nicht mehr Siege gegen den SC Bern oder Davos sein. Basel ist halt bescheiden geworden.
Welche Rolle werden die Basler nächste Saison in der Swiss League spielen? Gemäss Olivier Schäublin wird das Budget nicht einmal drei Millionen betragen. Das ist halb so viel Geld wie in Olten oder Visp ausgegeben wird. Er möchte zwar die Mannschaft verstärken. Beispielsweise drei Stürmer einkaufen, die 30 oder mehr Punkte buchen können. Aber nicht mehr als 60'000 Franken pro Saison bezahlen. Sein alter Freund Mark Streit sitzt beim SC Bern im Verwaltungsrat. Nun wird eine Partnerschaft mit dem SCB angestrebt. Einerseits auf Junioren-Ebene. Basel spielt nur bis zur Stufe U15 auf höchstem Niveau. Die besten Talente sollen künftig ab der U15 beim grossen SCB eine Chance bekommen. Vom SCB erhofft sich Olivier Schäublin als Leihgabe drei bis vier Spieler, die noch nicht ganz reif sind für ganz oben. Basel also so etwas wie ein SCB-Farmteam. Es ist ja nicht so weit von Bern nach Basel.
Hockey soll auch sonst wieder für Gesprächsstoff in der Stadt sorgen. Am 17. April spielt die Schweiz in Basel im Rahmen der WM-Vorbereitung gegen Frankreich. Dann wird schon wieder die National-Hymne gespielt. Bestrebungen laufen, die U18-WM im April 2023 nach Basel und Biel zu holen. Und nächste Saison eben die Auftritte in der Swiss League.
Basel also doch eine Hockey-Stadt? Einmal mehr sind die Basler Hockeyromantiker. Wie bei allen bisher in diesem Jahrhundert gescheiterten Versuchen, Profihockey in dieser Stadt zu etablieren. Das letzte Abenteuer auf nationaler Ebene endete im Sommer 2014 in der damaligen NLB (heute Swiss League) im Konkurs und dem Abstieg ins Amateurhockey. Basels Schicksal: Zu viel und zu gut, um sich mit Amateurhockey zufriedenzugeben. Aber zu wenig, um im Profihockey eine Rolle zu spielen.
Es wird bereits sehr schwierig, nächste Saison in einer der reichsten Städte der Welt auch nur ein Budget von knapp drei Millionen zu finanzieren. In der letzten Saison in der zweithöchsten Liga erreichten die Basler vor acht Jahren einen Zuschauerschnitt von 1'381 pro Partie. Mit einer Mannschaft, die immerhin auf den 6. Platz kam. Nun waren es diese Saison in der höchsten Amateurliga 1'013 pro Spiel und in den Playoffs mit zweimaligem Gratiseintritt 2'142.
Olivier Schäublin ist Romantiker und Realist. Als Romantiker hofft er auf Hockeybegeisterung und als Realist geht er davon aus, dass die Basler in der ersten Saison sportlich in der Swiss League eine Rolle wie vielleicht Winterthur spielen können. Winterthur ist bisher in sieben Jahren in der zweithöchsten Liga nie über Rang 9 und beim Budget nie über zwei Millionen hinausgekommen. Und existiert doch. Mit den Zürchern sind die Hockey-Basler wesensverwandt: Auch Winterthur ist eine Stadt, in der im Sport eigentlich nur Fussball zählt und sich halt bloss Romantikerinnen und Romantiker ins Hockey-Stadion verirren. Diese Saison 558 pro Partie.
In Basel werden es nächste Saison vielleicht gut 1000 sein. Winterthur gewann diese Saison 10 von 50 Partien. Viel mehr Siege wird auch Basel nächste Saison in der Swiss League nicht einfahren. Beruhigend zu wissen, dass es nächste Saison aus der Swiss League keinen Absteiger gibt.
Winterthur, die sechstgrösste Stadt des Landes kann Basels Vorbild im Eishockey sein: Einfach zufrieden sein mit einer bescheidenen Rolle in der Swiss League. Siegen ist nicht alles im Hockey-Leben. Lieber Romantik, Ausbildung, Tapferkeit und Ritterlichkeit in der Niederlage, hin und wieder ein Länderspiel statt Streben nach Ruhm und Siegen.
Basel, nach Winterthur die zweite Hauptstadt der Hockey-Romantiker? Die alles entscheidende Frage ist: Können Baslerinnen und Basler so bescheiden sein wie die Winterthurerinnen und Winterthurer?
Das sehen die Unihockeyaner und Handballer aber ganz anders ...
"Aber in Basel finden wir so keine Antworten. Dass der FC Basel die wichtigste sportliche Institution in der Stadt ist, kann keine Erklärung sein." - Doch lieber Zaugg, du zeigst hier offensichtliche Basler Wissenslücken: Der Fussball ist im Vergleich zu all diesen anderen Städten dermassen dominant, dass für Handball, (Uni-)Hockey, Basketball und weiteres schlicht kein (wirtschaftlicher) Platz an der Sonne ist. Fuessball isch Lääbe.
Und eine Partnerschaft mit Bern ist genauso dumm wie die Wintis mit Kloten: als Schwächerer Part wirst du i m m e r über den Tisch gezogen! Alles schon hautnah erlebt.