Kann das Charisma des Sportchefs den Substanzverlust eines Meisterteams kompensieren? Nein. Auch dann nicht, wenn der Sportchef Kevin Schläpfer heisst.
Der Baselbieter musste gleich in seiner ersten Saison das unpopuläre Sparprogramm «100 000 Salär sind genug» umsetzen (ausser Captain Stefan Tschannen darf keiner sechsstellig verdienen). So ist der Titelverteidiger vom Transferwind verweht worden. Zur Erinnerung: Unter anderem haben Nico Dünner (25, zu den Lakers), Robin Leblanc (37, Rücktritt), Giacomo Dal Pian (26, zu Ambri), Toms Andersons (26, zu Langnau), Philipp Rytz (35, zu Olten), Luca Wyss (21, zu Zugs Farmteam) und Trainer Per Hanberg (zu Kloten) das Meisterteam im letzten Frühjahr verlassen.
Mit seinem tüchtigen kanadischen Trainer Jeff Campbell (er hatte zuvor als ausländischer Stürmer Kultstatus) ist Kevin Schläpfer zufrieden. Aber der Transfer-Aderlass ist einfach zu gross. Zumal die beiden billigen ausländischen Stürmer Andrew Clark (14.) und Joey Benik (24.) in der Liga-Skorerliste bloss fleissige Hinterbänkler sind. Die berühmteste Hockey-Person in Langenthal ist nicht mehr ein Spieler. Sondern der Sportchef.
Wenigstens bleiben die Leihspieler Mika Henauer (19, vom SCB), Alain Bircher (22), Stefan Rüegsegger (21) und Bastian Guggenheim (18, von Langnau) erst einmal für die Playoffs. Aber diese talentierten Flaumbärte können die Mannschaft höchstens ein wenig ergänzen.
Logisch also, dass der Titelverteidiger die Qualifikation «nur» auf Rang 6 beendet hat und nun im Viertelfinal gegen Olten als Aussenseiter antritt. Auf dem Weg zum Titel hatten die Langenthaler letzte Saison die Oltner im Halbfinal eliminiert. Nun wäre ein solcher Triumph eine veritable Sensation.
Eigentlich können den Langenthalern nur Meistergoalie Philip Wüthrich (nächste Saison beim SCB) und ein bisschen Magie helfen. Sie haben diese Saison erst eine Direktbegegnung gewonnen: am 23. Dezember in Olten (4:1). Kevin Schläpfer weiss warum: «Ich habe das Spiel unten neben unserer Spielerbank verfolgt. Offenbar hat das gewirkt. Wir haben gewonnen und ich werde nun am Mittwoch wieder dort unten stehen.» Um Trainer Jeff Campbell dreinzureden? «Nein, Nein. Ich sagte doch, dass ich neben und nicht auf der Spielerbank stehen werde.» Eigentlich sollte Oltens Manager Patrick Reber seine Ordnungskräfte anweisen, Kevin Schläpfer am Mittwoch auf die Tribüne zu verbannen.
Vom Hockey-Gott in Biel also zum Glücksbringer in den Playoffs der Swiss League. Kevin Schläpfer hat wahrlich auch schon bessere Hockey-Tage gesehen. Er hätte im Oktober 2015 Nationaltrainer werden können. Wer weiss, wie seine Karriere, wie die Geschichte unseres Hockeys seither verlaufen wäre, wenn er das Angebot angenommen hätte. Nun ist Patrick Fischer Nationaltrainer und Kevin Schläpfer nach der unfreiwillig freiwilligen Amtsniederlegung in Biel, der Entlassung in Kloten und langen Monaten der Arbeitslosigkeit am 1. Mai 2019 Sportchef in Langenthal geworden.
«Es ist gut wie es ist» sagt er. Mit sich und seiner Karriere trotz allem im reinen. Nach wie vor füllt er mit seiner Präsenz jeden Raum. Vielleicht ist es ja so, dass er sich manchmal in einer kleinen, überschaubaren Welt wohler fühlt als ganz oben wo die Luft dünner ist. Lieber der erste im Dorf als der Zweite in Rom. Und der Job in Langenthal lässt ihm auch mehr Zeit, um sich um die Karriere seines Sohnes Elvis zu kümmern.
Kevin Schläpfer hat drei Kinder: Die Söhne Elvis (18) und Lovis (15) und die Tochter Elisha (13). Aber nur Elvis strebt eine Profikarriere im Eishockey an. Lovis ist am Gymnasium und möchte später Physik studieren. Will er auf diesem Weg eine ähnliche Reputation wie sein Vater erlangen, muss er wohl der nächste Einstein werden.
Für Elvis wird es nicht einfach sein, seinen Vater zu übertreffen. Kevin Schläpfer war ein schlauer «Instinkt-Stürmer» und Leitwolf mit feinen Händen aber hölzernen Füssen. Dominant in der zweithöchsten Liga (538 Punkte in 598 Spielen) aber bloss Mitläufer ganz oben (212 NLA-Spiele/59 Punkte). Aufstiegsheld mit Olten, Langnau und Chur. Aber nur einmal Hinterbänkler in einem Meisterteam (1990 in Lugano). Immer ein bisschen mehr offensiver Zirkus als defensive Pflichterfüllung.
Immerhin hatte er einen «Kickstart» im Hockey-Business: 1989 bekommt er mit 20 bereits einen Profivertrag mit Lugano. Nach einem persönlichen Gespräch mit dem grossen Geo Mantegazza. Die Legende geht, er habe sechsstellig verdient und sich erst einmal einen Porsche gekauft. Er ist also schon ganz oben bevor alles überhaupt so richtig angefangen hat. Aber höher als in Lugano (Meister 1990) sollte er im Laufe seiner 20 Jahre dauernden Spielerkarriere, die er 2006 in Langenthal beenden wird, nicht mehr steigen.
Einen so fulminanten Start in eine Karriere gibt es heute nicht mehr. Elvis arbeitet sich Schritt für Schritt nach oben. Er steht in der entscheidenden Phase seiner Karriere. Er gehörte zum U18 WM-Team und kam bis ins WM-Vorbereitungscamp zur letzten U20-WM. Er steht an der Schwelle zur höchsten Liga. Aber er hat sie noch nicht überschritten. Dieser letzte Schritt ist der schwierigste.
Als Spielertyp ist Elvis nicht der nächste Kevin. Ihm fehlt die verspielte Schlauheit seines Vaters. Sein Stil ist geradliniger, intensiver, er ist eher mehr «Fräser» als Künstler. Er steht bis zum Ende der nächsten Saison in Biel unter Vertrag, pendelt zwischen den Elite-Junioren, Langenthal und Biel. Am Mittwoch wird er in den Playoffs mit Langenthal nicht zum Einsatz kommen.
Spielerväter können fordernd sein. Kevin Schläpfer in dieser Beziehung keine Ausnahme. Aber es ist rührend, wie er sich zurücknimmt, wenn er mit seinem Sohn zusammen ist. Wir treffen uns in der Hotel- und Freizeitanlage seines langjährigen Freundes Markus Bösiger in Langenthal. Papa Schläpfer, der ruhelose, temperamentvolle Macher, der oft mehr rennt als geht («Hallo, tschau, hallo, tschau, tschau!») ist erstaunlich ruhig und entspannt. Er redet Elvis nicht drei und erweckt nie den Eindruck, alles besser wissen zu wollen.
Unten in der Bar des Hotels «Meilenstein» steht ein Flügel. So wie wir Kevin Schläpfer als rockenden und rollenden Zampano im Laufe der Jahre kennen und schätzen gelernt haben, sieht er in einer solchen Klimperkiste höchstens die Möglichkeit, einen Bierkrug abzustellen.
Sein Sohn weiss dieses edle Instrument hingegen sehr zu schätzen. Er setzt sich hin, beginnt spontan ohne Notenvorlage virtuos zu spielen. Sollten die Langenthaler bereits im Viertelfinal scheitern, so kann Elvis seinem Vater mit einem Blues trösten. Wie wäre es mit «Darn that Dream» («Verdammt dieser Traum») von Miles Davis?
Kevin Schläpfer hat in Langenthal als Sportchef einen Vertrag bis 2023. Auf Dauer wird es ihm nicht genügen, auf dem Transfermarkt den «billigen Jakob» und als Höhepunkt der Saison während der Playoffs das Maskottchen für seine Mannschaft zu spielen. Er hat eine Ausstiegsklausel für die höchste Liga. Der Traum von einer Rückkehr als Trainer oder Sportchef auf die ganz grosse Bühne hat er ganz tief in seiner Hockey-Selle nicht aufgegeben. Er wird ihn nie aufgeben.
Die Frage ist eigentlich nicht, ob Kevin Schläpfer diesen Schritt ins nationale Rampenlicht doch noch einmal schaffen wird. Sondern eher, wer es als erster oben ankommt. Sein Sohn Elvis oder er.
Als ich letztes Frühjahr mit Schläpfer telefoniert habe, war das einfach nur geil.. der Typ ist mit seiner Art zum schiessen 😆!!
Gegen Olten wird das aber ziemlich sicher nichts dieses Jahr - doch zum Glück hat meine Meinung keine Auswirkung auf den Ausgang der Serie, denn auch den SCL muss man zuerst noch 4 Mal schlagen!
Das hiesse dann, Papa Kevin hat die Reputation eines Wayne Gretzky als Spieler bzw. eines Scotty Bowman als Coach? Oder wie ist das zu versehen?