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Eismeister Zaugg: Kein Kompromiss im Fall Lian Bichsel

Dallas Stars defenseman Lian Bichsel is congratulated as he passes the team box after he scored the winning goal as time ran out in an NHL preseason hockey game against the Colorado Avalanche, Monday, ...
Lian Bichsel konzentriert sich vorerst auf seine Karriere in den USA.Bild: keystone
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Gescheiterter «Friedensgipfel» – Lian Bichsel bis und mit 2026 nicht im Nationalteam

Verteidiger-Juwel Lian Bichsel bleibt bis und mit der WM 2026 aus dem Nationalteam ausgeschlossen. Die Unversöhnlichkeit (oder ist es Arroganz?) im Umgang mit einem der talentiertesten Spieler des Landes irritiert.
06.11.2024, 05:19
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Eigentlich müssten die Verbandsgeneräle den Hockey-Göttern für einen Verteidiger wie Lian Bichsel auf den Knien danken. Er ist im Mai erst 20 geworden. Letzte Saison war er in der höchsten schwedischen Liga überragend. Der NHL-Erstrundendraft versucht nun in der Organisation der Dallas Stars einen Platz in der wichtigsten Liga der Welt zu erkämpfen.

Aber Lian Bichsel ist bis und mit der WM 2026 – also auch für das olympische Turnier 2026 – von Verbands-Sportdirektor Lars Weibel und Nationaltrainer Patrick Fischer aus dem Nationalteam ausgeschlossen worden.

Nicht etwa, weil er ein Hallodri wäre. Sondern weil der Musterprofi Aufgeboten für das U20-Nationalteam aus gut nachvollziehbaren sportlichen Gründen (Konzentration auf die Karriere im Erwachsenen-Hockey) nicht Folge geleistet hat. Selten hat eine sportliche Verbands-Entscheidung die Eishockey-Öffentlichkeit so aufgebracht.

Die vornehmste Aufgabe eines Verbandspräsidenten ist es, heikle Situationen mit Engagement, Fingerspitzengefühl und Bescheidenheit zu meistern. Er darf sich nicht in die tägliche Arbeit der Verbandsadministration oder der Sportabteilung einmischen. Dadurch würde er zum Störfaktor. Aber kraft der Autorität seines hohen Amtes ist er dazu in der Lage, als Vermittler Wogen zu glätten. Oder müsste dazu eigentlich in der Lage sein.

Die Hoffnungen waren also berechtigt, dass Stefan Schärer den «Fall Bichsel» im Rahmen eines «Friedensgipfels» im Sommer lösen wird. Zumal der Verbandsvorsitzende eine Handball-Vergangenheit hat. Mit André «Ändu» Bichsel, dem Vater von Lian Bichsel, spielte er sogar im Nationalteam. Tatsächlich hatte Stefan Schärer noch vor der Silber-WM in Prag angekündigt, sich um diese Angelegenheit zu kümmern.

Nun sind ein paar Monate ins Land gezogen. Am Wochenende stehen die ersten Länderspiele auf dem Programm und es ist Zeit, bei Stefan Schärer nachzufragen: Was haben Sie in der Sache erreicht? Die Antwort ist einigermassen ernüchternd. Nichts. Stefan Schärer sagt:

«Ich habe mich mit seinem Vater unterhalten und die Angelegenheit dann unserer Sportabteilung überlassen.»

Und dann? Was ist dabei herausgekommen?

«Da müssen Sie sich bei der Sportabteilung erkundigen.»

Das tönt nicht gerade nach einer engagierten Friedensmission. Nationaltrainer Patrick Fischer bestätigt auf Anfrage, dass es keine Versöhnung gegeben habe und die harsche Sanktion weiterhin in Kraft bleibe.

«Es hat Gespräche gegeben. Beide Seiten haben ihre Argumente noch einmal vorgebracht. Wir haben entschieden, dass es beim Ausschluss bis und mit der WM 2026 bleibt. Wir haben uns diesbezüglich bereits mehrfach geäussert und von unserer Seite gibt es dazu aktuell nichts mehr hinzuzufügen. Der Entscheid bleibt nach wie vor bestehen und wird von allen Instanzen unterstützt.»

Der «Friedensgipfel» ist also gescheitert. Aber ist diese härteste Sanktion der Neuzeit gegen einen der besten jungen Spieler sinnvoll, der sich disziplinarisch und sportlich nichts hat zuschulden kommen lassen? Lian Bichsel bringt alle Voraussetzungen mit, um sich bis 2026 zu einem Leistungsträger der Nationalmannschaft zu entwickeln. Da die NHL ihre Profis freigibt, würde er fürs Olympiaturnier 2026 auf jeden Fall zur Verfügung stehen.

Stefan Schaerer, Praesident der Schweizer A-Nationalmannschaft, spricht an einer Medienkonferenz zur Vertragsverlaengerung von Trainer Patrick Fischer, aufgenommen am Mittwoch, 14. Februar 2024 in Klo ...
Stefan Schärer vermochte im Fall Bichsel keinen Kompromiss herbeizuführen.Bild: keystone

Patrick Fischer vermeidet es diplomatisch klug, auf solche polemischen Anmerkungen einzugehen und findet immerhin tröstliche Worte:

«Lian ist noch jung und es wird für ihn nach 2026 noch mehrere Gelegenheiten für eine Olympia-Teilnahme geben ...»

Wie verhärtet die Fronten in dieser Angelegenheit inzwischen sind, mag die Antwort von Lian Bichsels Manager Frédéric Holdener nach einer Bitte um Stellungnahme zeigen:

«Für uns ist diese Sache erledigt und wir geben dazu keinen Kommentar mehr ab. Lian Bichsel konzentriert sich auf seine Karriere in Nordamerika.»

Stefan Schärer ist bei seiner bisher wichtigsten innenpolitischen Mission als Verbandspräsident also gescheitert. Mag sein, dass die grandiose Silber-WM der Demut und Kompromissbereitschaft allenthalben nicht förderlich war. Mag sein, dass Prinzipien – Aufgeboten für die Nationalteams ist auf allen Stufen Folge zu leisten, basta – Sinn machen.

Switzerland
Patrick Fischer wird bis 2026 auf Lian Bichsel verzichten.Bild: keystone

Aber die Basis in der Schweiz ist mit 16'098 Junioren im Vergleich etwa zu Schweden (43'759) oder Finnland (35'457) schmal. Wir müssen zu jedem Talent Sorge tragen und diese Unversöhnlichkeit (oder ist es Arroganz?) im Umgang mit einem der talentiertesten Spieler irritiert.

Gehört denn nicht die hohe Kunst des Kompromisses und der Diplomatie zu den Erfolgsgeheimnissen der Eidgenossenschaft?

P.S. Nationaltrainer Patrick Fischer hat recht: Für Lian Bichsel bleiben trotz der Verbannung vom olympischen Turnier 2026 noch viele Möglichkeiten, um zu olympischer Ehre zu kommen: Die Schweiz will ja die Winterspiele 2038 organisieren. Lian Bichsel wird dann mit 34 im besten Verteidigeralter und – wenn die Hockey-Götter wollen – dazu in der Lage sein, unsere Nationalmannschaft als neuer Roman Josi vor eigenem Publikum zu einer Medaille zu führen. Dann wird es nach der Medaillenfeier rückblickend bei Diskussionen im TV-Studio mit Alt-Nationaltrainer Patrick Fischer versöhnlich heissen: Man habe zwar damals mit dem Ausschluss aus dem Nationalteam arg übertrieben und würde das heute nicht mehr so machen. Aber vielleicht habe es halt doch geholfen und nun sei ja alles gut gekommen …

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77 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eidi
06.11.2024 06:01registriert Oktober 2018
Weibel gehört halt immer noch weg. Trotz WM Silber.
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The Moose
06.11.2024 07:09registriert März 2019
Fischi 2034 nicht mehr im Amt? Da lehnt sich der Eismeister aber weit aus dem Fenster....
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Rolf_N
06.11.2024 20:29registriert Mai 2017
Ich verstehe es nicht. Bichsel wurde auf seinen Wunsch von Dallas an Rögle ausgeliehen da er dies als Beste Option für seine Entwicklung sah. Er wollte dies natürlich nicht verkacken, weshalb er auf die u20 verzichtete. Und was macht unser Verband um solche Talente zu fördern? Ihn bei seiner Entscheidung unterstützen? Nein, man verbannt ihn lieber für ein paar Jahre aus der A-Mannschaft. Völlig absurd das ganze.
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