In der Abwehr der Calgary Flames ist Raphael Diaz die Nummer 7. Wenn irgendetwas mit einem der besten sechs Verteidiger passiert, muss er ran – und dann wie auf Knopfdruck bereit und gut sein. Diaz war bereits letzte Saison bei all seinen drei Teams (Montréal, Vancouver und zuletzt beim Stanley-Cup-Finalisten NY Rangers) oft nur Ersatz. Nun findet er sich in Calgary unter Cheftrainer Bob Hartley in der gleichen Situation wieder – und er hat den Frieden in dieser undankbaren Rolle gefunden.
Diaz' Spieltage laufen nach einem ganz besonderen Ritual ab. Meistens spielt der WM-Silberheld von Stockholm nicht. Von 29 Partien hat er nur 11 bestritten (kein Skorerpunkt, durchschnittlich 11:30 Minuten Eiszeit). Das bedeutet nach dem Warm Up mit dem Team ein extrem hartes, 40 Minuten langes Zusatztraining mit den zwei oder drei überzähligen Stürmern und dem Ersatzgoalie. «Das ist gut so», sagt Diaz, «so bleibe ich in Form.» Soeben war es genauso in Toronto. Am Dienstagabend sah der Schweizer von der Tribüne aus, wie sein Team 1:4 verlor.
Leaving office! Thanks to all my teammates, the @NYRangers and the fans for the great time in #NYC #whatAride pic.twitter.com/gaQ4cLsGB9
— Raphael Diaz (@diaz_raphael_61) 18. Juni 2014
Frustriert ist Raphael Diaz keineswegs. Natürlich gehört es zum NHL-Business, dass sich ein Spieler niemals beklagt. Sich niemals beklagen darf. Aber Raphael Diaz klingt aufrichtig, wenn er sagt: «Es gefällt mir in Calgary und ich kann meine Rolle gut akzeptieren.» Er lebt zusammen mit seiner kanadischen Freundin (die er in Montréal kennen gelernt hat) und auch das Wetter sorgt für gute Laune. «Es wird zwar sehr kalt. Aber mindestens an fünf Tagen pro Woche scheint die Sonne.»
Sein Ziel bleibt ein Stammplatz in der NHL. Vielleicht halt erst nächste Saison, nach Auslaufen seines Einjahres-Vertrages bei Calgary, in einem anderen Team. Die Flames setzen eher auf grosse, kräftige Verteidiger und sind so gut besetzt, dass für den spielstarken, aber für NHL-Verhältnisse eher sanften Diaz vorerst keine Chance auf einen Stammplatz besteht. Zumal er mit 700'000 Dollar Jahresgehalt auch ein «Billigarbeiter» ist. Die anderen sechs Verteidiger verdienen alle über zwei Millionen. Da gibt es halt auch vertragspolitische Gründe, warum der Schweizer nur die Rolle eines Jokers hat.
Eine Rückkehr in die Schweiz im Frühjahr 2015 nach vier Jahren NHL ist für den Zuger trotzdem absolut kein Thema. Er müsste 2015/16 noch ein letztes Jahr in Zug spielen. Erst dann wäre er auch in der NLA «Free Agent». Aber eben: Das beschäftigt ihn nicht. «Gedanken an eine Rückkehr würden mich bloss von meinem Ziel ablenken», sagt er. «Für mich hat die NHL weiterhin absolute Priorität.»
Wie schafft er es, als Joker bei guter Laune zu bleiben? Er mache auch Mentaltraining, verrät der Verteidiger. «Es ist einfach wichtig, mit einer positiven Einstellung aufs Eis zu gehen und das Selbstvertrauen zu bewahren. Wenn ich eine Chance bekomme, dann muss ich sofort bereit sein und dem Team helfen können.» Es falle ihm nicht schwer, diese positive Einstellung zu bewahren. «Ich freue mich auf jedes Training.»
Eine Versetzung ins Farmteam (wie Damien Brunner und zuletzt Teamkollege Sven Bärtschi) droht Raphael Diaz nicht. Zu wichtig ist er als Joker fürs Team. Zumal er sich als smarter, flinker, kompletter und scheibensicherer Verteidiger sofort ins System integrieren und in allen Situationen eingesetzt werden kann.
Aber eben: Wenn er Stammspieler und wieder Dollarmillionär werden will (er verdiente 2012/13 und 2013/14 je rund 1,25 Millionen Dollar) muss er Calgary wohl verlassen und in ein Team wechseln, das einen europäischeren Stil pflegt. Diese Teams gibt es in der NHL durchaus. Eine NHL-Karriere hängt halt oft auch davon ab, ob ein Spieler zur richtigen Zeit beim richtigen Team landet. Das war bei Raphael Diaz bisher noch nicht der Fall.