Machtkampf in Gaza eskaliert – Hamas ringt nach Geiselfreilassung um die Vorherrschaft
Die zerstörten Strassen Gazas sind nicht länger von israelischen Angriffen geprägt. Stattdessen bestimmen nun innerpalästinensische Kämpfe das Bild, während die Hamas um ihre frühere Autorität ringt – und der Gazastreifen weiterhin von Gewalt gezeichnet ist.
Am Montag mobilisierte die Hamas 7000 Kämpfer, um den Gazastreifen zu «säubern». In mehreren Bezirken zeigen bewaffnete Kämpfer Präsenz – eine Machtdemonstration, die zugleich Angst schürt und den Anschein von Ordnung vermitteln soll. In Hamas-nahen Telegram-Kanälen werden «Kollaborateure und Verräter» genannt, die bereits Ziel von Gefechten und Hinrichtungen wurden. Auch am Dienstag planen die Islamisten, weitere Abtrünnige hinzurichten, schreibt Blick.
«Die Hamas kündigt an, am Dienstag im Zentrum des Gazastreifens weitere mutmassliche ‹Agenten› zu erschiessen, die für Israel arbeiten», meldet das Newsportal Visegrád 24 auf X.
Auf sozialen Medien kursieren Videos von einer öffentlichen Hinrichtung mit Hunderten Schaulustigen. Die Umstehenden halten Handys hoch und filmen die Szenen. Mit auf dem Rücken gefesselten Händen knien sieben «Verurteilte» am Boden, Hamas-Kämpfer richten ihre Gewehre auf sie. Die Aufnahmen stammen vom Montag, berichtet die «Times of Israel».
Hamas gegen die Doghmush-Gruppe
Doch die Hamas ist längst nicht mehr die unangefochtene Macht. In Gaza-Stadt eskaliert derzeit ein Machtkampf zwischen der Bewegung und der einflussreichen Doghmush-Gruppe. Seit der Ausrufung der Waffenruhe kam es bei heftigen Gefechten zu Dutzenden Todesopfern auf beiden Seiten.
Hamas said to kill over 30 Gazans as group moves to reassert its grip on Strip https://t.co/mFeEl8XC9e
— The Times of Israel (@TimesofIsrael) October 14, 2025
Nach Angaben der Hamas starben 32 Mitglieder der «Familiengang» sowie sechs eigene Kämpfer. Die Auseinandersetzungen finden vor allem in ohnehin instabilen Vierteln statt, in denen die Kontrolle der Hamas schon zuvor brüchig war. Die Doghmush-Gruppe sieht in dem Vorgehen einen Angriff auf ihre Autonomie, während die Hamas ihre einst unangefochtene Autorität bedroht sieht und entschlossen gegen rivalisierende Gruppen vorgeht, die ihren Einfluss infrage stellen.
Bei den Gefechten am Wochenende kam auch der bekannte Hamas-Influencer Saleh Aljafarawi, online unter dem Namen «Mr. Fafo» bekannt, ums Leben. Seine Leiche wurde auf der Ladefläche eines Lastwagens aufgefunden. Aljafarawi fiel im Schusswechsel zwischen rivalisierenden Gruppen, berichtete der TV-Sender Al Jazeera.
Hamas ruft gleichzeitig zur Kapitulation auf
Parallel ruft das selbst ernannte Innenministerium der Hamas zur Kapitulation auf und bietet Milizen sowie einflussreichen rivalisierenden Clans Amnestie an. Zugleich signalisiert die Bewegung ihren politischen Anspruch: Sie sei bereit, «ein neues Kapitel» in den Beziehungen zur Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) aufzuschlagen, berichtete der arabischsprachige Sender Al Arabiya. Ein Hamas-Vertreter betonte, man strebe keine neuen Konflikte an und relativierte zugleich die Debatte über eine mögliche Entwaffnung. «Entwaffnung ist ein komplexes Thema, aber wir werden eine Lösung finden. Wir verfügen lediglich über einfache Waffen.»
Bei solchen Kämpfen wurde am Wochenende auch der bekannte Hamas-Influencer Saleh Aljafarawi (†28) getötet, im Netz unter dem Namen «Mr. Fafo» bekannt – «Fuck around and find out». Aljafarawis Leiche lag auf der Ladefläche eines Lastwagens. Er starb im Schusswechsel zwischen den verfeindeten Gruppen, meldete der TV-Sender Al Jazeera. Seine kugelsichere «Presse»-Weste konnte ihn nicht retten. Der Tod des jungen Influencers wirkt wie eine Warnung: Zwar schweigen Israels Waffen, doch auch wer ins Kreuzfeuer innerpalästinensischer Konflikte gerät, riskiert sein Leben. (fak)