Ambris Trainer Luca Cereda sucht nach dem 0:4 in Bern nicht nach Ausreden. Er ist Realist und anerkennt, dass der SCB ab Spielmitte einfach besser war. Es ist nicht diese Niederlage, die ihn um den Schlaf bringt. Es ist seine Qual der Wahl, die ihn oft nicht schlafen lässt. Er hat diese Saison zum ersten Mal acht Ausländer zur Verfügung. Torhüter Janne Juvonen, die Verteidiger Tim Heed, Jesse Virtanen und Kodie Curran sowie die Stürmer Dominik Kubalik, Jonathan Ang, Jakob Lilja und Philippe Maillet.
Luca Cereda erklärt sein Problem am Beispiel der Vorbereitung auf den SCB-Match. «Es war unklar, ob Kodie Curren in Bern würde spielen können. Also musste ich überlegen, welche Ausländer ich einsetzen soll, wenn er doch fit sein sollte und welche, wenn er nicht spielen kann. Es gibt bei acht Ausländern so viele verschiedene Kombinationen, dass ich die ganze Nacht darüber gebrütet habe und nicht schlafen konnte.»
Was hat das nun mit SCB-Torhüter Philip Wüthrich zu tun? Sehr viel. Ambris Problem: Wenn Janne Juvonen im Tor steht, können nur fünf ausländische Feldspieler eingesetzt werden. Kommt Gilles Senn zum Zuge, sind es sechs. Ausländische Spieler nehmen Schlüsselpositionen ein. Erst recht bei nominell eher unterdurchschnittlich mit Schweizern besetzten Teams wie Ambri.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Wenn einer nicht spielen kann, weil er dem ausländischen Goalie Platz machen muss, sind Umstellungen in den Linien und in den Powerplay-Formationen notwendig. Luca Cereda sagt: «Stabilität und Konstanz wären einfacher zu erreichen, wenn die vielen Wechsel auf den Ausländerpositionen nicht wären.» Und damit sind wir beim Kernproblem: Zwei gute Schweizer Goalies würden die Dinge vereinfachen.
Und so kommen wir zu Philip Wüthrich. Er wird im Januar 27. Sein Talent steht nicht zur Debatte. Aber wenn er je eine charismatische Nummer 1 oder WM-Goalie werden will, dann muss er nächste Saison bei einem Klub spielen, bei dem er eine echte Chance im Kampf um die Nummer 1 bekommt. Er ist am entscheidenden Punkt seiner Karriere angelangt. Gut, dass sein Vertrag in Bern Ende Saison ausläuft. So hat er bei der Karriereplanung freie Hand.
Drei Klubs bemühen sich intensiv um den SCB-Goalie. Ambri, Langnau und – natürlich – der SCB. Das Problem in Bern: Wenn der SCB auch nächste Saison einen ausländischen Torhüter beschäftigt (Adam Reideborns Vertrag läuft aus) und Jussi Tapola weiterhin an der Bande steht (der Finne hat bereits bis Ende nächster Saison prolongiert), dann wird Philip Wüthrich nicht verlängern. Weil er dann im Kampf um die Nummer 1 einfach keine Chance hat.
Das ist überall so: Der ausländische Goalie ist gesetzt, für einen Schweizer bleibt nur der Platz am Katzentisch. Im letzten Frühjahr hatte Philip Wüthrich den SCB im 6. Viertelfinalspiel gegen Zug zu einem 3:0 gehext. Aber Jussi Tapola stellt für die 7. Partie trotzdem Adam Reideborn ins Tor. Der SCB verliert 0:3 und der schwedische Goalie muss sich eine höchst bescheidene Fangquote von 89,47 Prozent notieren lassen.
Wollen Obersportchef Martin Plüss und Untersportchef Patrik Bärtschi mit Philip Wüthrich verlängern, dann müssen sie ihm glaubhaft versichern können, dass sie nächste Saison keinen ausländischen Goalie beschäftigen werden. Um ein Haar wäre die Rechnung aufgegangen: Wenn es gelungen wäre, Langnaus Stéphane Charlin (22) ab nächster Saison zu verpflichten. Der Ober- und Untersportchef haben sich intensiv bemüht. Aber Stéphane Charlin hat nicht in Bern unterschrieben und es wird schier unmöglich sein, seine Rückkehr nach Genf noch zu verhindern.
Womit wir bei Langnau sind: Langnau kann sich ein Wechselspiel zwischen einem einheimischen und einem ausländischen Goalie nicht leisten, ohne die taktische Stabilität des Teams – eine der Stärken – zu gefährden. Weil Stéphane Charlin Ende Saison gehen wird, ist Sportchef Pascal Müller auf der Suche nach einem starken einheimischen Schlussmann, der gut genug ist, um in den Schuhen von Stéphane Charlin zu stehen.
Die perfekte Lösung: Philip Wüthrich. Mit dem Duo Luca Boltshauser/Philip Wüthrich wären die SCL Tigers nächste Saison auf der Goalieposition geputzt und gekämmt. Kommt dazu: Die Langnauer haben bewiesen, dass sie wissen, wie ein Torhüter besser gemacht werden kann. Stéphane Charlin ist als vergessenes und verlorenes Talent nach Langnau gekommen und wird das Emmental als Nationalgoalie mit NHL-Karrierechancen verlassen. Keine Frage: Auch Philip Wüthrich würde an der Ilfis noch besser.
Mit ganz ähnlichen Aussichten lockt Ambris Sportchef Paolo Duca. Sein Trainer Luca Cereda sagt: «Wüthrich wäre ein sehr interessanter Goalie für uns.» Wo er recht hat, da hat er recht: Ambri hätte mit dem Duo Gilles Senn/Philip Wüthrich die perfekte Lösung, könnte wieder Konstanz mit sechs ausländischen Feldspielern anstreben und Luca Cereda würde nicht mehr um den Schlaf gebracht. Ein Wechsel nach Ambri hätte auch einen besonderen Reiz: Mehr Hockeyromantik und Verehrung als im kargen Bergtal der Leventina gibt es an keinem anderen Ort.
Ideal bei Langnau und Ambri: Luca Boltshauser bzw. Gilles Senn wissen, dass sie nicht gut genug sind, um die Nummer 1 für sich beanspruchen zu können. Der Konkurrenzkampf wird also fair sein und wenn sich Philip Wüthrich gegen Gilles Senn oder Luca Boltshauser nicht durchsetzen kann, dann ist es Zeit, über einen Transfer nach Visp oder Olten und eine berufliche Karriere neben dem Hockey nachzudenken.
Somit haben wir die drei Optionen für den SCB-Goalie: In Bern bleiben, nach Langnau oder Ambri zügeln. Sein Agent André Rufener sagt kryptisch (= verschlüsselt): «Schauen wir mal, alles ist möglich, die Saison ist noch jung und es ist zu früh, um etwas zu sagen.» Immerhin: Dass eine Verlängerung in Bern oder ein Wechsel nach Langnau oder Ambri Optionen sind, verneint er nicht kategorisch. Eine Entscheidung dürfte frühestens im November fallen.
Die Statistik spricht aber eine ganz andere Sprache.