Loslassen, die ruhmreiche Vergangenheit vergessen, mutig neue Wege gehen – so kann ein kleines Sportunternehmen erfolgreich sein. Die Kleinen müssen mutiger und kreativer sein als die Grossen.
So gesehen war es richtig, dass Langnaus Sportchef Jörg Reber den Vertrag mit dem schwedischen Aufstiegstrainer Bengt-Ake Gustafsson nicht mehr verlängert hat. Auch der Stilwechsel – weg vom skandinavischen Selbstverantwortungs-Voodoo und hin zum rauen nordamerikanischen Hockey – macht durchaus Sinn.
Aber am Ende des Tages sind nicht Stilrichtungen und Spielsysteme entscheidend. Sondern die Persönlichkeiten, die dahinter stecken.
Was spricht für Benoît Laporte? Nun, der kanadisch-französische Doppelbürger kennt das europäische Hockey als Spieler und Trainer. Er versteht es durchaus, autoritär aufzutreten. Aber im Herzen ist er ein freundlicher, liebenswerter Clown, und wenn die Spieler sein Wirken und Wesen durchschaut haben, dann ist er rettungslos verloren. Seine grösste Qualität ist das Eigenmarketing. Als er bei Basel war, sei es immer schon sein Traum gewesen, Trainer in Ambri zu werden. Das sagte er, als er den Job in Ambri bekam. Als er bei Ingolstadt war, sei es immer schon sein Traum gewesen, Trainer in Hamburg zu werden. Das sagte er, als er den Job in Hamburg bekam.
Nach dem freundlichen Bengt-Ake Gustafsson nun mit Benoît Laporte ein freundlicher Kanadier. Das macht Sinn. Der Kulturschock wäre mit einem richtigen Nordamerikaner wie Doug Shedden oder Hans Kossmann wohl zu gross gewesen. Aber ist Benoît Laporte der richtige Trainer für einen Aussenseiter? Kann er die taktischen Varianten einschulen, die es braucht, um gegen spielerisch überlegene Gegner zu bestehen? Kann er die einzelnen Spieler dazu bringen, unter schwierigsten Bedingungen das beste Hockey zu spielen? Ist er vertraut im Umgang mit einer neuen Spielergeneration, die Fragen hat und Antworten erwartet? Bei einem Trainer der SCL Tigers darf es auf diese Fragen nur ein klares «Ja» geben. Sonst ist die Trainerwahl riskant.
Bei Benoît Laporte gibt es auf keine dieser Fragen ein klares «Ja». Höchstens ein «Ja, vielleicht» oder ein «Ja, aber». Bei den meisten sogar ein klares «Nein». Mit Basel verlor er als Nothelfer die Liga-Qualifikation 2008 gegen Biel mit 0:4. Mit Ambri kam er im Frühjahr 2010 in seiner ersten Saison auf den letzten Platz und rettete die Mannschaft in der ersten Playoutrunde gegen Biel. Im Herbst wurden die Fans ungeduldig und während eines Spiels warf ein Zuschauer in der Valascia einen Koffer aufs Eis, um der Forderung nach einem Trainerwechsel Ausdruck zu verleihen. Am 18. Oktober 2010 ist Benoît Laporte gefeuert worden. Er hat sich anschliessend in der Deutschen Operetten-Liga DEL immerhin bei Hamburg bis im September 2014 gehalten. Die Struktur eines DEL-Teams ist allerdings nicht mit jener einer NLA-Mannschaft vergleichbar. Weil das halbe Kader aus Ausländern besteht, die für die NLA nicht gut genug wären.
Der fachliche Unterschied zwischen Bengt-Ake Gustafsson und Benoît Laporte lässt sich so beschreiben: Eine IT-Firma verzichtet auf die Weiterbeschäftigung ihres Chefingenieurs, der erfolgreich Programme entwickelt hat. Als Nachfolger wird ein Monteur eingestellt, der nur Erfahrung im Verlegen von Telefonkabeln hat.
Rückwärts in die Zukunft. Mit einem Trainer von gestern heute das Eishockey von morgen spielen. So lässt sich mit einem Flair für Boshaftigkeit Langnaus neue Philosophie auf den Punkt bringen. Der freundliche, umgängliche neue Trainer wird sich vorerst einmal grösster Beliebtheit im Dorf und bei den Fans erfreuen und bei den Spielern gut ankommen. Es wird es schon ein wenig rumpeln lassen. Aber auf Dauer fühlen sich Spieler und Fans nur wohl, wenn die Mannschaft erfolgreich ist.
Langnaus Sportchef Jörg Reber hat wahrlich den Mut zu einsamen, unkonventionellen Personalentscheiden. Mit der Verpflichtung von Benoît Laporte hat er sich zum einsamsten Mann der Liga und des Bernbiets gemacht. Schaffen es die SCL Tigers, dann wird er Sportchef des Jahres. Scheitert Benoît Laporte, dann ist auch Jörg Reber auf der ganzen Linie gescheitert und die SCL Tigers werden vor einem Scherbenhaufen stehen. Schlimmer als nach dem Abstieg im Frühjahr 2013.
Und auch Jahre nach dem Zwischenfall frage ich mich, wie jemand einen Koffer in die Valascia schmuggeln konnte :)