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Peter Guggisberg (31) verpflichten? Nein, lieber nicht. So haben fast alle Sportchefs reagiert, als der offensive Schillerfalter im Frühjahr in Kloten nicht mehr erwünscht war und sein hochdotierter, weiterlaufender Vertrag aufgelöst und ausbezahlt wurde. Einer sagte es etwas boshaft so: «Guggisberg wäre ja ein toller Spieler – aber halt wie ein Unfallauto. Wir lassen die Finger davon».
Ein bisschen Wahrheit steckt in dieser Einschätzung ja schon: wegen einer langwierigen Knieverletzung konnte Peter Guggisberg zwischen 2010 und 2013 in drei Saisons insgesamt nur 41 Partien (22 Punkte) bestreiten. Er hatte sich diese Blessur in der letzten Meisterschaftspartie vor dem Olympischen Turnier von 2010 zugezogen.
Der Emmentaler gilt auch als schwieriger Spieler. Er braucht einen einfühlsamen Trainer (wie einst in Davos mit Arno Del Curto). Aber diese Einschätzung ist nicht ganz richtig: Peter Guggisberg ist auch ein leidenschaftlicher Spieler. Leidenschaftliche Spieler sind bei kluger Führung durch den Trainer nie schwierig.
Ambri hat Inti Pestoni an die ZSC Lions verloren. Er hat in der letzten Qualifikation 40 Punkte gebucht. Peter Guggisberg wird mit ziemlicher Sicherheit nicht so produktiv sein. Aber er wird über die Aussenbahnen fegen und Ambris Spiel dynamisieren, die Fans elektrisieren und – wenn alles gut geht – mit seinem Wesen und Wirken für zusätzliche 40 Punkte sorgen.
Es kann sein, dass Ambri auf Augenhöhe mit den SCL Tigers um die letzten Playoffplätze spielen wird. Das ist die optimistische Prognose. Aber es kann auch sein, dass Ambri und Langnau die Playouts bestreiten. Das ist die pessimistische Prognose. Wenn es knapp wird, kann ein Spieler wie Peter Guggisberg die Differenz machen. Die Differenz für Ambri und gegen Langnau.
Peter Guggisberg ist vor 13 Jahren in Langnau ein NLA-Stürmer geworden, ehe er 2003 nach Davos wechselte. Die Langnauer haben in der vergangenen Saison einen Bruttogewinn von fast einer Million erwirtschaftet. Sie hätten die Mittel, um den «verlorenen Sohn» heimzuholen. Die Rückkehr des Spektakelflügels wäre zwar, wie ich oben ausgeführt habe, mit einem Risiko verbunden gewesen. Aber mit einem vertretbaren Risiko.
Langnaus Sportchef Jörg Reber hat sich nie um Peter Guggisberg bemüht. Er ist auch nicht sonderlich an einem «Coming home» von Daniel Steiner (in Biel freigestellt) interessiert. Er hat dafür gute Gründe: Die Chemie im Team ist dem tüchtigen Sportchef wichtig. Wenn er schon nicht genug Geld hat, um das Talent für die Playoffs einzukaufen, dann achtet er wenigstens darauf, dass niemand kommt, der die gute Stimmung trübt. Auf sorgfältige Auswahl der Dienstboten achteten einst schon die Bauern im Emmental. Auch Ueli der Pächter.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Das Problem ist bloss, dass Jörg Reber dieser an und für sich klugen Philosophie längst untreu geworden ist. Er hat nämlich ausgerechnet Rob Schremp (30) verpflichtet. Der Amerikaner spielte in den letzten fünf Jahren für acht verschiedene Teams – darunter für 2013/14 für den EV Zug, für den er fast einen Punkt pro Spiel produzierte.
Die vielen Klubwechsel sind kein gutes Zeichen. Und tatsächlich lassen die Geschichten, die über den Rock’n’Roller erzählt werden, keinen pflegeleichten, hart für die Mannschaft arbeitenden Musterprofi erwarten. In Zug wird erzählt, er sei wegen seiner Eskapaden nur knapp der fristlosen Entlassung entkommen. Die Einschätzungen lassen sich etwa so zusammenfassen: Göttliches Talent, aber ein Rock’n’Roller mit Hang zu Partys. Spielerisch brillant, aber nur auf offenem Eis, weil er den Zweikampf scheut. Wenn es so sein sollte, dann ist der Eklat, der Zusammenstoss mit Leitwolf Chris DiDomenico programmiert.
Jürg Reber sagt, er habe über Rob Schremp nur beste Auskünfte bekommen. Er setzt auf Läuterung im Herbst der Karriere. Warum auch nicht? Im beschaulichen Emmentaler Dorf hat schon so mancher wilde Mann in der «Gotthelf-Idylle» wenigstens vorübergehend seine innere Ruhe gefunden. Und wir können auch davon ausgehen, dass der talentierte kanadische Zweiweg-Center Brendan Shinnimin (er komplettiert das Ausländer-Quartett) als hart arbeitender Vorkämpfer und Vize-Leitwolf einen stabilisierenden und beruhigenden Einfluss auf Rob Schremp haben wird.
Aber wer Rob Schremp eine Chance gibt, müsste erst recht Peter Guggisberg eine Chance geben. Und Daniel Steiner sowieso. Im Vergleich zum Amerikaner sind die beiden Ur-Emmentaler bloss Chorknaben.
Vermeintlich «kleine» Hockeyunternehmen wie die SCL Tigers können den Mangel an Geld ab und zu mit dem Mut zum Risiko wettmachen – ein hohes Risiko allerdings, weil es im Falle eines Scheiterns keine finanziellen «Auffangnetze» gibt wie bei den Grossen. Aber wie der Dichterfürst Friedrich Schiller schon sagte: Wer nichts wagt, darf nichts hoffen.
Jörg Reber wagt viel mit Rob Schremp (aber mit ziemlicher Sicherheit ahnt er gar nicht, was er mit dem Amerikaner für ein Risiko eingeht), aber er wagte nichts mit dem Trainer (er hat den braven Scott Beattie SCB-Meistertrainer Lars Leuenberger vorgezogen), er wagte nichts mit Peter Guggisberg und er mag nichts mit Daniel Steiner wagen.
Der neutrale Beobachter macht sich im Juli grössere Sorgen um Langnau als um Ambri.