Es ist vorbei, bevor es richtig angefangen hat. Anthony Huguenin bringt im Powerplay die Scheibe nicht unter Kontrolle. Dustin Jeffrey enteilt: 1:0. Erstes Powerplay für Lausanne: 2:0. Gespielt sind erst neun Minuten und zehn Sekunden.
Zwei Tore gegen Lausanne aufholen? Unmöglich. Absolut unmöglich in einem so kapitalen Spiel für eine Mannschaft mit dem limitierten spielerischen Potenzial der SCL Tigers. Sie haben das System und die Spieler, um «aus der Tiefe des Raumes» zu kontern, um Lücken, die ein anstürmender Gegner offen lässt, auszunützen.
Aber den taktisch kleinen Bruder des SC Bern können sie nicht «knacken», um einen Rückstand von mehr als einem Tor aufzuholen. Zweimal haben die Langnauer in diesem Viertelfinale in Lausanne ein frühes 0:1 wettgemacht und in einen 5:1-Sieg verwandelt. Zwei Tore haben sie nie aufgeholt.
Wie kann es zu einem solchen Debakel kommen? Langnau steht am Ende ohne taktische Kleider da und gnadenlos wird offenbar, wie viel weniger Talent Langnau hat.
Der Zement, der die Armen an Talent zusammenhält und ihnen Ruhm, Lob und Preis bescheren kann, setzt sich aus Demut, Bescheidenheit, Selbstvertrauen, Disziplin, taktische Schlauheit, Konzentration, Leidenschaft und Mut zusammen – und einer Prise Glück.
Der Treffer zum 3:0 hat diesen Zement zerbröselt und in rieselnden Kalk verwandelt. Am Ende stehen die Langnauer ohne ihre taktische Rüstung nackt im Durchzug der gegnerischen Offensive. Und als der vorübergehend geläuterte Chris DiDomenico auf die Strafbank geschickt wird, ist längst alles vorbei. Es steht bereits 4:0.
Zu viel Kraft und Energie haben die Emmentaler gebraucht, um bis in dieses siebte Spiel zu kommen. Zum Ende der besten Saison seit dem Titelgewinn von 1976 gibt es einen Blues statt Fanfarenklänge. Aber immerhin ein Trösterli: Loïc In-Albon erzielt das 4:0. Der erste Playofftreffer für den Nachwuchstürmer. Er wird nächste Saison für die SCL Tigers spielen.
Dieses Viertelfinale hat mit einem Aufreger (Langnau gewinnt in Lausanne 5:1) begonnen, der die Hockeywelt auf den Kopf stellt, und endet mit einem Aufreger, der die Hockeywelt wieder auf die Füsse und die SCL Tigers in die Schuhe stellt (8:1).
Die Enttäuschung von Trainer Heinz Ehlers wird sich im Laufe der nächsten Tage in Erleichterung verwandeln: Er muss nicht befürchten, dass seinen Jungs im Laufe des Sommers der Ruhm dieser Saison zu Kopfe steigt – wie damals nach der ersten Playoff-Qualifikation von 2011, die zu einer Selbstüberschätzung führte und zwei Jahre später in den Abstieg mündete. Er kann mit dem Hinweis auf das 8:1 im letzten Spiel Demut und Bescheidenheit einfordern.
Der HC Lausanne ist von der Spielanlage her wie eine Kopie des grossen SC Bern. Kein Wunder: Trainer Ville Peltonen ist ein Zauberlehrling von Berns grossem Welttrainer Kari Jalonen. Bevor er in Lausanne im letzten Sommer den ersten Job als Cheftrainer einer Profimannschaft übernommen hat, erlernte er das Handwerk als Assistent von Kari Jalonen.
Und so kommt es, dass Lausanne zwar wunderbar welsch tönt. Aber diese Mannschaft hat nichts mit der Hockeykultur in der Romandie zu tun. Lausannes Hockeyarchitekten vertrauen in allererster Linie auf bewährte Deutschschweizer. Den Kern der Mannschaft bilden die ehemaligen SCB-Junioren Christoph Bertschy, Joël Vermin, die ihr Nordamerika-Abenteuer abgebrochen haben und Captain Etienne Froidevaux. Und eine bittere Ironie des Schicksals für die Langnauer: Es ist ein Paradiesvogel, der den Untergang der Emmentaler einleitet: Anthony Huguenin hat die Scheibe an der blauen Linie verloren, die Lausanne das 1:0 ermöglichte. Lausanne hatte gestern einen Spieler welscher Zunge: den Haudegen Benjamin Antonietti. Er trifft zum 8:1. Langnau zwei: Torhüter Damiano Ciaccio und eben Anthony Huguenin.
Wegen der hohen System- und Temposicherheit Lausannes und Zugs sind nun im Halbfinale keine torreichen Spiele wie dieses finale 8:1 gegen Langnau zu erwarten. Und damit wird die Rolle des Torhüters noch wichtiger als sie ohnehin schon ist. Sage mir, ob Sandro Zurkirchen in Hochform ist, und ich sage dir, wie schwierig es für Zug wird.
Gegen die SCL Tigers war Sandro Zurkirchen in einer intensiven, hochstehenden Serie mit Ausnahme des letzten Spiels zwar nicht besser als Langnaus Damiano Ciaccio. Aber gut genug, um Lausanne die ersten Playoff-Halbfinals in der höchsten Liga zu ermöglichen. Wobei: Diese letzte Partie taugt nicht mehr zur Beurteilung der Goalies. Nach dem 2:0 hätte auch der liebe Gott das Tor der Emmentaler nicht mehr vernageln können. Damiano Ciaccios schwächste Fangquote der Saison (75 Prozent) ist mehr eine Kuriosität als eine Statistik, die Rückschlüsse auf die Qualität dieses Goalies erlaubt.
Lausanne gewinnt kaum Spiele dank seinem letzten Mann in der ritterähnlichen Ausrüstung. Aber Lausanne verliert in der Regel auch nicht wegen des Torhüters. Das reichte gegen Langnau.
Die Frage ist also, ob System und Goalie auch gegen Zug gut genug sind. Die unpolemischen Zahlen der Qualifikation sind ein Grund zur Sorge. Lausanne hat drei von vier Partien gegen Zug gewonnen.
Aber das will für eine Playoff-Halbfinalserie wenig heissen. Zug kann Playoff und hat 2017 den Final erreicht. Lausanne kann Playoff noch nicht so gut und hat soeben gegen Langnau zum ersten Mal überhaupt auf höchstem Niveau eine Playoffserie überstanden.
Eine zentrale Bedeutung wird der Spielverlauf haben: Lausanne ist mit seinem Systemhockey dann am erfolgreichsten, wenn der Gegner in Rückstand gerät und die defensiven Schleusen öffnen muss. Somit heisst es für die Zuger: Hütet euch vor frühen Gegentoren. Sonst ergeht es euch, wenn es dumm läuft, gar noch wie den Langnauern. Oder wenigstens fast.
Die Zuger konnten gegen Lugano nach jeder Druckphase und jedem Rückstand reagieren.
Das wird ein lustiges Jahr um Ambri fan zu sein...