Zu jeder Saison gehört ein Meister wie zu jedem Auto ein Nummernschild. Ja, wir können uns gar nicht mehr vorstellen, wie es denn wäre, wenn die nächste Saison ohne Titelverteidiger beginnt. Seit Anbeginn der Zeiten (seit der Gründung der Nationalliga 1937) hat es nur einmal (1939/40) keine Meisterschaft und keinen Meister gegeben. Aber das waren andere Zeiten. Sport hatte nicht die Bedeutung von heute und Geld wurde auch nicht umgesetzt.
Die ZSC Lions haben die Qualifikation gewonnen. Liga-Direktor Denis Vaucher sagt, es gebe kein Reglement, das sage, wer Meister sei, wenn die Playoffs nicht stattfinden können. «Man denkt, alles sei doch heute geregelt. Aber es hat sich niemand vorstellen können, dass diese Situation einmal eintreten könnte.»
Die ZSC Lions nach der Qualifikation zum Meister zu küren wäre regeltechnisch eine Modusänderung. Modusänderungen während einer laufenden Meisterschaft erfordern eine Dreiviertelmehrheit. Die Klubvertreter haben heute telefonisch mit 17:3 Stimmen den Abbruch der Meisterschaft beschlossen. Morgen Freitag treffen sie sich in Ittigen (BE) zu einer ausserordentlichen Ligaversammlung. Dabei kommt es zur Abstimmung, ob die ZSC Lions Meister sind. Eine Dreiviertelmehrheit ist notwendig. Alle Klubs der beiden höchsten Ligen sind in der Frage stimmberechtigt.
Aber eigentlich ist klar: sind die ZSC Lions klug, verzichten sie auf einen geschenkten Titel.
Nichts sorgt im Sport für mehr Spott und jahrelange Häme als geschenkte Siege und Triumphe. Noch heute wird im Bernbiet bei Gelegenheit moniert, der SCB sei ja 1986 nur am «grünen Tisch» wieder aufgestiegen. Tatsächlich waren die Berner im Aufstiegskampf an Chur gescheitert und kamen nur in die höchste Liga zurück, weil Arosa sich freiwillig in die 1. Liga zurückzog.
Vieles spricht also dafür, dass der SC Bern eine weitere Saison Meister sein darf. Sozusagen als «Doppelmeister». Das hat erst noch den Vorteil, dass verschiedene meisterliche Beschriftungen rund um den Klub nicht abgeändert werden müssen.
Ein boshafter Zeitgenosse hat SCB-Manager Marc Lüthi vorgehalten, nun dürfe man sagen, der SCB sei 1986 am grünen Tisch aufgestiegen und nun sei der SCB am grünen Tisch vor dem ersten ernsthaften Abstiegskampf bewahrt worden. Darauf entgegnete der nie um eine Antwort verlegene Marc Lüthi: «Wir können auch sagen, dass wir die Playoffs nicht verpasst haben. Man kann nicht etwas verpassen, das nicht stattfindet.» Und mahnt, es sei jetzt nicht die Zeit für Scherze.
Lässt uns also eine Saison ohne Meister ratlos zurück? Nicht ganz. Eine Wahrheit ist eben doch bestätigt worden. Kommt es drauf an, dann verliert der EV Zug.
Der Tag der Wahrheit der Saison 2019/20 ist der 29. Februar 2020. Die ZSC Lions spielen im Hallenstadion unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der 50. und letzten Partie um den Qualifikationssieg. Zug reist mit zwei Punkten Vorsprung auf die Zürcher ins Hallenstadion. Das 50. und letzte Spiel der Saison ist also wie ein Final. Mit Vorteil EVZ: Schaffen es die Zuger bis in die Verlängerung oder das Penalty-Schiessen, dann sind sie Qualifikationssieger.
Zu diesem Zeitpunkt ist bereits allen klar, dass die Durchführung der Playoffs in Gefahr ist. Schon im Vorfeld dieser letzten Runde geht die Frage um, ob im Falle eines Falles der Qualifikationssieger zum Meister ausgerufen werden könnte. Also ist allen bewusst: Es geht um sehr viel. Es kommt drauf an.
Die ZSC Lions gewinnen 4:1. Wie immer in diesem Jahrhundert verlieren die Zuger, wenn es im Kampf um die Meisterschaft drauf ankommt. Schon nach einer Viertelstunde führen die Zürcher 2:0 und dominieren das Spiel (38:29 Torschüsse).
Zug ist so chancenlos wie im Playoff-Final von 2017 und 2019 gegen den SC Bern. Im Tor stand damals Tobias Stephan. Wahrscheinlich der beste Torhüter unserer Hockeygeschichte, der nirgendwo eine Meisterschaft gewonnen hat. Wäre er auch an diesem 29. Februar im Tor gestanden, dann gäbe es eine Ausrede: Mit Tobias Stephan kann man einfach nicht gewinnen.
Aber im letzten Sommer zügelte Tobias Stephan nach Lausanne. Im Tor steht jetzt der Titan Leonardo Genoni. Meister mit Davos, Meister mit Bern, WM-Finalist. Ihn haben die Zuger zum bestbezahlten Torhüter der Liga gemacht, um endlich zum zweiten Mal nach 1998 Meister zu werden. Die Zuger haben neben dem Eis keine Mühe und Kosten gescheut, um im Frühjahr 2020 endlich wieder den Titel zu holen.
Nun war es an diesem 29. Februar 2020 so, wie es auch mit Tobias Stephan war. Zug verliert, wenn es zählt. Daraus lernen wir: Tobias Stephan ist in den letzten Jahren zu Unrecht kritisiert worden. Es lag nicht an ihm. Wir müssen die Geschichte umschreiben. Zug hat nicht wegen Tobias Stephan zwei Finals verloren. Zug ist dank Tobias Stephan überhaupt zweimal in den Final gekommen.
Wären die Zuger in den Playoffs erneut gescheitert, dann hätte sich Zugs Sportchef Reto Kläy fragen müssen, ob Dan Tangnes der richtige Trainer ist, um das ersehnte Ziel zu erreichen. Der Norweger war nämlich auch noch nie Meister. Der Abbruch der Saison erlöst Reto Kläy von dieser Frage. Aber kein Schelm, wer vermutet, dass er sich diese Frage ganz heimlich, wenn gar niemand in seine Hockey-Seele schauen kann, trotzdem stellt.
Und so bleibt uns als Erkenntnis aus der unvollendeten Saison 2019/20: Eishockey-Titelkampf ist, wenn Zug verliert.
Die Mannschaftskasse des EVZ freut sich auf 5460 Zweifränkler welche von Herr Zaugg überwiesen werden.
...Der Norweger, der noch nie irgendetwas gewonnen hat? Er hat einen Zweijahresvertrag. Wenn er Ende der ersten Saison mit Leonardo Genoni (2019/20) noch immer Zugs Trainer ist, soll jeder Buchstabe dieser Kolumne ein «Zweifränkler» in der EVZ-Mannschaftskasse sein.
Ich habs für sie auszählen Lassen macht grosszügig abgerundet 6000 Zeichen
Der EVZ wird Ihnen Danken Herr ZAugg