Wenn es Langnau nicht für Rang 10 (das Play-in) reichen sollte, wird im Rückblick dieses Derby ein Thema sein. Die SCL Tigers führten in Bern 3:0 und 4:1 und verloren doch nach Penaltys zwei Punkte. Die Torfolge (0:3, 1:3, 1:4, 4:4) ist so verrückt wie logisch: Die Langnauer wussten nicht, warum sie 3:0 und 4:1 führten. Deshalb wussten sie mit dieser Führung auch nichts anzufangen. Sie stolperten ratlos mit sechs Schüssen zu einer 3:0-Führung, kamen gar noch zu einem 4:1 und gaben den Vorsprung wie ein naives Juniorenteam wieder preis.
Sage mir, ob Dominik Kahun tanzt, und ich sage dir, ob der SCB gewinnt. Er tanzt gegen Langnau, wie noch nie in dieser Saison. Weil ihn die Langnauer tanzen lassen. Durchschnittlich kommt er nach offizieller Statistik der Liga pro Spiel zu 2,72 Torschüssen. Die Langnauer lassen ihn gewähren und er kommt auf 9 Torschüsse. Niemand störte seine Kreise. Niemand kümmerte sich um ihn. Niemand krümmte ihm ein Härchen und es fehlte nur noch, dass seine Gegenspieler vor Ehrfurcht ein Autogramm von ihm begehrten.
Wer Dominik Kahun nicht checkt (gemeint ist ein korrekter Check), hat gegen den SCB keine Chance. Der deutsche Nationalstürmer, bei schönem spielerischem Wetter die SCB-Antwort auf Guy Lafleur und bei rauem spielerischem Klima «unsichtbar», erzielte zwei Treffer und legte für die anderen zwei auf. Die Langnauer hätten eigentlich einen Mann fürs Grobe (im Rahmen der Regeln) erstmals dabeigehabt: Phil Baltisberger. Er hilft bis Ende Januar aus. Der defensive Defensiv-Verteidiger, der froh ist, wenn er die Scheibe nicht hat und sich an einem Gegenspieler orientieren kann, kam auf 15:16 Minuten Eiszeit. Doppelt so viel wie zuvor bei den ZSC Lions. Er hat sein erstes Spiel für die SCL Tigers mit einer +1-Bilanz beendet. Er ist für die «Dominik-Kahun-Festspiele» nicht verantwortlich.
Das schon beinahe groteske Torschussverhältnis von 58:21 zeigt, wie passiv, wie naiv, wie emotions- und hilflos die Langnauer waren. Im Durchschnitt muss ein Torhüter 30 Pucks pro Spiel parieren. Luca Boltshauser hat also in dieser einen Partie so viel zu tun gehabt wie sonst in zwei Spielen. Was ihm trotz vier Gegentreffern eine bäumige Fangquote von 93,10 Prozent beschert hat. Adam Reideborn musste sich mit blamablen 80,95 Prozent begnügen – und war trotzdem Sieger. Auch das eine statistische Verrücktheit.
Jussi Tapola war trotz der wundersamen Wende und dem ersten Penalty-Sieg der Saison nicht zufrieden. Er änderte das übliche Protokoll eines Matchtages: Nach der Partie versammelte er die Mannschaft zu einer sofortigen ausserordentlichen viertelstündigen Sitzung hinter geschlossenen Türen.
Was war das Thema? «Die ersten fünf Minuten.» Der SCB-Trainer kritisierte oder lobte hinterher nicht einzelne Spieler. «Wir hatten zwei Gruppen: Spieler, die bereit waren, und solche, die es nicht waren. Das darf nicht mehr sein.» Hat er getobt? Das sei nicht notwendig gewesen. «Ich habe erklärt, dass wir es den besten Fans der Welt und allen in dieser Organisation schuldig sind, für ein Spiel bereit zu sein. Es ist nicht an mir, zu erklären, warum wir nicht alle bereit waren. Es ist an den Spielern, für sich selbst darauf eine Antwort zu finden.» Oder um es auf den Punkt zu bringen: Jussi Tapola hat seinen Jungs den Spiegel vorgehalten. Das müsste eigentlich bei gut bezahlten Berufssportlern genügen. Es ist eine subtilere und mit ziemlicher Sicherheit wirkungsvollere Führungsmethode, als einfach zu toben. Ein Trainer, der tobt, hat die Kontrolle verloren. Ein Trainer, der in einem kritischen Moment cool und kontrolliert bleibt, kommt womöglich weiter.
Der Pessimist mag einwenden: Ein Trainer hat dafür zu sorgen, dass sein Personal bereit ist. Punkt. Erst recht vor einem Derby. Doppelpunkt. Das ist richtig. Der Optimist hingegen sagt, entscheidend sei, wie der Trainer auf einen «verschlafenen» Start reagiert. Weder auf der Spielerbank noch auf dem Eis ist beim SCB während dieser Partie Hektik oder gar Panik ausgebrochen. Nicht nach dem 0:3, nicht nach dem 1:4. Die Spieler haben mit erstaunlicher Ruhe und Gelassenheit einfach weitergemacht, die freien Räume genutzt, die ihnen ein an taktischer Naivität kaum mehr zu überbietender Gegner gelassen hat. Auch deshalb ist es gelungen, zwei Powerplay-Treffer zu erzielen. Das bedeutet: Der Coach hat nie die Übersicht verloren und die Dinge im Griff.
Eine Frage ist noch: warum kein Time-out nach dem 0:3? Jussi Tapola sagt: «Wozu? Jeder wusste, dass wir nicht bereit waren. Es war also nicht notwendig, das auch noch zu sagen. Ein Time-out in dieser Situation ist mehr Showtime fürs Publikum und hat wenig Wirkung.» Der SCB-Trainer sollte recht behalten. Die Wende führten seine Spieler auch ohne die Kunstpause Time-out herbei.
Der SCB befindet sich unter Jussi Tapola nach wie vor in einer «Findungsphase», begeistert selten und ein perfektes oder nahezu perfektes Spiel haben wir unter dem neuen SCB-Trainer noch nicht gesehen. Und doch steht der SCB auf Rang 5 im Januar so gut da wie nie mehr seit den ruhmreichen Zeiten von Kari Jalonen. Was, wenn der SCB die Play-offs erreicht, mit vier oder gar fünf und nicht bloss einem sehr guten Ausländer antreten kann? Jussi Tapola ist bei seiner Mission «Make the SCB great again» erst auf halbem Weg und schon in der Spitzengruppe der Liga angekommen. Am Ende dieser Entwicklung müsste eigentlich der nächste Meistertitel stehen.
Wenn auch noch Sportchef Andrew Ebbet seinen Job macht, ist der SCB spätestens nächste Saison Titelkandidat. Eine Ausländerlizenz hat der SCB für diese Saison noch übrig. Der Sportchef sagt, die wolle er für einen ausländischen Stürmer einsetzen und nicht zur Absicherung für einen Torhüter verwenden. Sein Ziel muss es sein, einen zweiten Dominik Kahun zu finden. Macht er sich mit diesem Vorsatz an die Arbeit, findet er mindestens einen halben Kahun. Und auch das wäre schon ein Erfolg.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Welche Entwicklung? Dass man in den drei letzten Spielen gegen deutlich schwächer aufgestellte Teams (Ajoie, Kloten, Tigers) eines klar verliert, eines klar gewinnt und eines mit Ach und Krach gewinnt?
Es ist eine Entwicklung von einer desaströsen letzten Saison zu einer mittelmässigen dieses Jahr. Zaugg legt nun einfach den Lineal darauf und sieht dann den Meistertitel nächstes Jahr (!)