Es ist der 24. Dezember, Glen Metropolit befindet sich mit seiner Freundin und dem Hund auf dem Jakobshorn. Dennoch nimmt er sich Zeit. Es passt zu ihm, der 49-jährige Kanadier ist ein sehr zuvorkommender Mensch. Und er hat einen Weg hinter sich, der allerhöchste Anerkennung verdient.
Metropolit wuchs in einem Viertel in Toronto namens Regent Park auf, das geprägt war von Kriminalität, Drogen und Prostitution – manchmal hörte er Schüsse. Seinen leiblichen Vater hat er nie gesehen, er zog geschätzt 50 Mal um, lebte auch in Pflegeheimen.
Der Grossvater war alkoholabhängig und starb an einer Überdosis. Halbbruder Troy wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt, weil er einen prominenten Anwalt und dessen Frau entführt hatte. Im Gefängnis tötete er einen Mitinsassen mit mehreren Messerstichen und erhielt weitere acht Jahre aufgebrummt.
«Das war das Leben, das ich kannte», blickt Metropolit zurück. Dennoch spricht er wegen seiner Freunde von einem grossartigen Leben. «Was immer die Umstände sind, du kannst das Beste daraus machen. Ich wollte nicht stehlen, fand eine gute Gruppe von Leuten. Sport war das, was ich liebte.» Er spielte Fussball, Football, Baseball und natürlich Eishockey, dann war er glücklich. Gab es kein Eis, feilte er stundenlang mit einem Ball an seiner Technik.
Metropolit ging zudem immer wieder vor der Schule in die Kirche und betete um Hilfe für seine Familie und dass er es in die NHL schafft. Beide Wünsche gingen in Erfüllung. Seiner Mutter geht es gut, seiner Halbschwester ebenfalls und Troy ist nicht mehr im Gefängnis, hat einen Job. Selber ist er Vater zweier Töchter und eines Sohnes, der derzeit in Davos weilt. Mit der Ex-Frau hat er nach wie vor ein gutes Verhältnis.
In der NHL bestritt Metropolit 437 Partien für sieben verschiedene Teams, in denen er 58 Tore sowie 106 Assists erzielte. Der Weg dorthin war äusserst beschwerlich. In seinem Draft-Jahr spielte er auf einem der tiefsten High-School-Levels. Aufs College ging er nicht. Er hätte zwar ein Stipendium in Anspruch nehmen können, wegen seiner schlechten Noten hätte er allerdings nicht mehr Eishockey spielen können. Das wollte er nicht.
Darum übte er den Sport dann professionell aus. Weil er zunächst jedoch nicht genug verdiente, spielte er im Sommer für 400 oder 500 Dollar pro Partie (so genau weiss er es nicht mehr) Rollhockey. Eine weitere spezielle Anekdote: Er verzichtete als Junior auf Slapshots, weil er es nicht riskieren wollte, dass der Stock in Brüche geht. Nicht umsonst war er ein begnadeter Passgeber.
Mit 21 Jahren konnte Metropolit dann etwas Geld auf die Seite legen, woraufhin er im Sommer an seiner Physis arbeitete. Das ermöglichte es ihm, das nächste Level zu erreichen. Am 2. Oktober 1999, im Alter von 25 Jahren, ging sein Traum mit dem NHL-Debüt bei den Washington Capitals in Erfüllung. Im zweiten Spiel einen Monat später gelangen ihm die ersten Skorerpunkte, und zwar gleich deren drei.
2005/06 bestritt er mit Lugano seine erste Saison in der Schweiz. In den Playoffs trug er mit 9 Toren und 17 Assists in 17 Partien massgeblich zum bisher letzten Meistertitel der Bianconeri bei. Nach der zwischenzeitlichen Rückkehr nach Nordamerika zog es ihn 2010 abermals in die Schweiz, wo er für Zug, erneut Lugano und kurz für Bern tätig war. Im ersten von zwei Jahren beim EVZ war er wie 2005/06 der beste Skorer der NLA-Qualifikation. Die letzten drei Jahre spielte er für Mannheim respektive Bozen, 2017 beendete er die Karriere.
Danach zog es Metropolit zurück nach Florida, da er seinen Kindern nahe sein wollte. Zu diesem Zeitpunkt sah er sich nicht als Coach. Er betrieb ein Fitness- und Wellness-Studio. Allerdings vermisste er das Eishockey, deshalb nutzte er die Chance, als ihm die Tampa Bay Lightning 2019 den Wiedereinstieg ermöglichten. Er half bei der Entwicklung von Talenten.
Vor dem Engagement bei Davos im Jahr 2022 arbeitete er eine Saison bei der türkischen Nationalmannschaft, aktuell die Nummer 38 der IIHF-Weltrangliste. «Das war eine grossartige Erfahrung», sagt Metropolit. Er war beeindruckt vom Stolz und der Leidenschaft der Spieler. Ohnehin zieht er harte Arbeit Talent vor. Ebenso wichtig ist ihm, ein guter Teamkollege zu sein.
Metropolit ist ein perfektes Vorbild und ein Botschafter dafür, was mit Glauben an sich alles möglich ist. Sein Rucksack an Erfahrungen ist mehr als gut gefüllt. Nun der nächsten Eishockey-Generation helfen zu können, schätzt er sehr. Obwohl der HCD in der National League aktuell nur Tabellen-9. ist, sieht er die Mannschaft auf dem richtigen Weg. «Wir sind daran, gewinnen zu lernen», sagt Metropolit. Allerdings gelte es, weniger Strafen zu nehmen. Diese würden viel Energie rauben.
Mit Josh Holden, seit dieser Saison der Headcoach des Rekordmeisters, hat er zwei Jahre in Zug zusammengespielt. Waltteri Immonen, der andere Assistent bei den Davosern, kannte er schon vor dem Engagement im Bündnerland. «Wir ergänzen uns gut», so Metropolit, der für das Powerplay und die Offensive zuständig ist. Nun will er mit dem HCD am Spengler Cup brillieren. Das Jakobshorn ist ein perfektes Symbol für seinen steinigen Weg. (ram/sda)