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Eine Frage eines neutralen TV-Reporters zeigt uns das Drama um Kevin Schläpfer. Loris Prandi vom Tessiner Staatsfernsehen bestellt aus organisatorischen Gründen in Ambri bereits vor der Partie bei Biels Manager Daniel Villard den Interviewpartner. «Wenn Ambri gewinnt, brauchen wir Martin Steinegger. Sonst nicht.»
So ist das also: Verliert Biel erneut, muss der Sportchef Auskunft geben. Zu einem zentralen Thema: Muss Kevin Schläpfer gehen? Gewinnt Biel, stellt sich die Frage noch nicht.
Ein Blick zurück erklärt uns diese Situation. Am Donnerstag, es ist der 15. Oktober, verzichtet Kevin Schläpfer im Rahmen einer aufwühlenden Medienkonferenz unter Tränen auf den Posten des Nationaltrainers. Um seinen Vertrag (bis 2018) in Biel erfüllen zu können («Les larmes de Jeudi»). Seither kommt Biel einfach nicht mehr in Fahrt.
In Ambri fährt Biel im zwölften Spiel nach der «Tränenkonferenz» die neunte Niederlage ein. Sollte der freundliche Loris Prandi auf Polemik gehofft haben, wird er enttäuscht. Martin Steinegger entlässt seinen Trainer nicht. Er stellt ihn auch nicht vor laufender TV-Kamera in Frage.
Jeder andere Coach müsste in der gleichen Situation um seinen Job bangen. Oder wäre schon gefeuert worden. Wie ist es möglich, dass die Bieler nicht einmal daran denken, Kevin Schläpfer zu kritisieren, geschweige denn des Amtes zu entheben?
Mathieu Tschantré (31), seit dem Wiederaufstieg von 2008 Captain, weiss warum. «Kevin Schläpfer ist bei uns unentlassbar. Das ist einfach so. Dass weiss jeder und akzeptiert jeder. Spieler, die neu zu uns kommen, wissen das jeweils noch nicht. Aber nach kurzer Zeit begreifen sie es.» Von einer Krise will er auch gar nichts wissen. «Wir sind mit Kevin Schläpfer 2014 schon durch die Liga-Qualifikation gegen Visp gegangen und er ist nicht in Frage gestellt worden. Jetzt sind einfach die Erwartungen höher und deshalb wird die Situation dramatisiert.»
Kevin Schläpfer, seit 2010 im Amt, geniesst in Biel den Status eines «Hockey-Gottes». Es gibt keine Autorität, die über einem «Hockey-Gott» steht. Und daher auch niemanden, der einen «Hokey-Gott» entlassen kann.
Deshalb wird in Biel nicht der Trainer kritisiert, sondern das ausländische Personal. Martin Steinegger bestätigt, dass ein zusätzlicher ausländischer Stürmer gesucht und Tim Stapleton möglicherweise nach Lugano transferiert wird. «Wir haben eine Anfrage aus Lugano. Wir haben nein gesagt. Vorerst.» Ein Tausch mit Ilari Filppula stand zur Debatte. Aber Steinegger winkt ab. «Das ist für uns kein Thema.»
Logisch: Es macht wenig Sinn, einen Ausländer, der die Erwartungen nicht erfüllt, gegen einen Ausländer zu tauschen, der an einem anderen Ort nicht genügt. Es geht jetzt offensichtlich nur noch darum, den Preis für Tim Stapleton ein wenig hochzutreiben. Er ist Biels teuerster Ausländer seit dem Wiederaufstieg von 2008 – und hat in 24 Spielen gerade mal 5 Tore erzielt. «Die Leistungen unserer Ausländer sind enttäuschend», sagt Daniel Villard diplomatisch. Die Bieler können ihr Glück fast nicht fassen, diesen teuren Mann möglicherweise loszuwerden.
Das Interesse Luganos hat allerdings einen Grund. Der neue Trainer Doug Shedden ist ein langjähriger Freund von Tim Stapleton. Der Amerikaner hat kürzlich sogar gesagt: «Ich verdanke ihm meine Karriere.» Tatsächlich kam er in den zwei Jahren unter Doug Shedden bei Jokerit Helsinki (2006 bis 2008) wieder so in Fahrt (gut einen Punkt pro Spiel), dass er doch noch den Sprung in die NHL und anschliessend in die KHL schaffte. Nun steht er vor der Rückkehr zu seinem einstigen Förderer. Was uns zeigt: Doug Shedden hat in Lugano bereits so viel Macht, dass er Transfers inszenieren kann. Bald wird er allmächtig sein.
Aber wir sind vom Thema abgekommen. Wenden wir uns wieder Biel zu. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Theater um die Nationaltrainer-Offerte und der aktuellen Krise? Als Nationalmannschafts-Direktor Raeto Raffainer Kevin Schläpfer hinter dem Rücken von Biels Management Anfang Oktober eine Offerte machte, stand Biel noch auf dem 4. Platz. Inzwischen sind die Seeländer auf den 11. und zweitletzten Rang abgerutscht.
«Diese Frage ist mir wohl schon 500 Mal gestellt worden», sagt Mathieu Tschantré. «Dann beginnt man irgendwann sich selber auch diese Frage zu stellen. Aber ich sehe keinen Zusammenhang.» Auch Martin Steinegger sieht das so und Kevin Schläpfer sagt: «Für mich ist es kein Problem und wir sollten aufhören, das als Ausrede heranzuziehen.» Daniel Villard gibt hingegen zu bedenken: «Seit dieser Angelegenheit läuft es nicht mehr. Das ist eine Tatsache.»
Wer nicht weiss, wie es um Biel steht und Kevin Schläpfer nach der Partie in Ambri erlebt, vermutet eine knappe Niederlage in einem Spitzenspiel. Biels Trainer wirkt locker. Ein charismatischer Verlierer. Und er sagt einen Satz, der aufhorchen lässt: «Ich bin zufrieden». Das mahnt an die Lakers der letzten Saison. Dort waren nach einer Niederlage auch alle zufrieden. Und wir wissen, wie alles endete.
Das lässt Kevin Schläpfer nun nicht auf sich sitzen und korrigiert: «Nein, ich bin nicht zufrieden. Zufrieden ist das falsche Wort. Ich bin froh, dass wir nach der 0:7-Pleite in Langnau und dem 0:6 gegen Zug eine starke Reaktion gezeigt haben. Mit fünf gegen fünf haben wir gegen Ambri sogar 1:0 gewonnen. Wir finden unser Selbstvertrauen wieder. Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich in Biel so viel Vertrauen geniesse und von allen Seiten unterstützt werde.»
Das ist arge Schönrednerei. Biel hat zwei Drittel lang schlimmes «Guy Boucher-Hockey» geboten. Knorz und Krampf und kaum ein gelungener Spielzug. Erst als nach dem 0:2 alles verloren scheint, spielt die Mannschaft, erzielt nach 194 torlosen Minuten endlich wieder einen Treffer und bringt Ambri noch in Bedrängnis. Aber es reicht nicht. Es bleibt beim 1:2. Biel braucht ein Wunder, um in die Playoffs zu kommen. Und wie wir es drehen und wenden: Den Schwefelgeruch des Nationalmannschafts-Theaters bringt Kevin Schläpfer nicht aus den Kleidern.
Die Verbandsverantwortlichen haben inzwischen auch ein wenig ein schlechtes Gewissen wegen der Sache. Verbandspräsident Marc Furrer, Verbands-Verwaltungsrat Michael Rindlisbacher und Verbandsdirektor Florian Kohler haben sich im Rahmen eines Mittagessens im bernischen Münchenbuchsee bei Biels Präsident Andreas Blank, Verwaltungsrat Sandro Wyssbrod und Daniel Villard in aller Form für das reichlich unbedarfte Vorgehen von Raeto Raffainer entschuldigt. Der Nationalmannschaftsdirektor durfte logischerweise nicht dabei sein. Daniel Villard bestätigt das «Entschuldigungsessen» und ergänzt: «Irgendwie hat das Essen nicht geschmeckt. Aber der Verband hat bezahlt.»
Aber die sportliche Rechnung bezahlen die Bieler mit einer der grössten Krisen seit dem Wiederaufstieg von 2008. Eine Krise, die ein Trainer nur im Range eines «Hockey-Gottes» überstehen kann. Wir können davon ausgehen, dass Biel notfalls in Nibelungentreue auch im Falle einer Liga-Qualifikation an Kevin Schläpfer festhalten wird.