Der FCB hat aufwühlende Tage hinter sich. Seit dem 1:1 gegen Porto ist viel passiert. Das 2:4 gegen YB zeigte auf, dass der Serienmeister an einem weniger guten Tag auch im Liga-Alltag nicht unantastbar ist. Der Misstritt in Bern löste ein gewisses Unbehagen aus.
So hart die Selbstkritik ausfiel – in den Reihen der Verlierer war von einem «kollektiven Totalausfall» die Rede –, so zielgerichtet reagierte der Branchenprimus: 1:0 gegen Vaduz, 6:1 im Cup-Viertelfinal gegen Münsingen, 3:0 gegen Thun.
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— Shkelzen Gashi (@s_gashi11) 8. März 2015
Um erahnen zu können, wie der spezielle Basler Fussball-Mechanismus funktioniert, muss man das Blickfeld erweitern. Die Bebbi verausgaben sich auf unzähligen Schauplätzen – auf wie neben dem Rasen. Sie generieren in den Online-Foren die höchsten Klick-Zahlen. Sie sprengen den Rahmen in jeder Beziehung. Kürzlich meldete ihre Finanzabteilung einen Umsatzrekord von 105 Millionen Franken. Solche Dimensionen sind im Schweizer Ballsport beispiellos.
Die imposanten Zahlen relativierten die vorübergehende Anspannung nach der Lektion gegen die Young Boys. Der Sportchef des einzigen seriösen Verfolgers des FCB zieht vor der Wirtschaftsperformance des Leaders den Hut: «Man kann ihnen zu einem solchen Ergebnis nur gratulieren», sagt Fredy Bickel und hält für eine Trendwende zu Gunsten der distanzierten Konkurrenz für nahezu ausgeschlossen: «Die Differenz ist grösser denn je.»
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— FC Basel 1893 (@FC_Basel) 9. März 2015
Bickels Optik ist nachvollziehbar. Im Schatten des FCB wirken die übrigen Super-League-Herausforderer tatsächlich wie Nischenproduktanbieter. Der Krösus bestimmt die Agenda fast nach Belieben – im sportlichen und finanziellen Sektor ohnehin, personell ebenso. Mit der Rücktrittsankündigung von Marco Streller beschäftigten sich alle relevanten Medienportale tagelang.
Dass Streller, der populärste Basler Captain seit Karli Odermatt, im Sommer von Bord gehen wird, löste eine heftige Debatte aus. In den Tagen vor dem Trip nach Porto drehte sich fast alles um die Stürmer-Ikone. Von seinem Entscheid blieb kaum ein Fan am Rheinknie unberührt. Jeder kommentierte seinen Rücktritt.
Wie gut der Klub den einschneidenden Abgang in naher Zukunft verkraften wird, ist nicht abschätzbar. Kurzfristig soll alles im Lot sein. Streller fühlt sich «befreit und unbeschwert». Die Mannschaft habe seinen Entschluss ebenso gut aufgenommen, versichert die Leitfigur.
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— Fabian Schär (@fabianschaer) 9. März 2015
Rekordergebnis hin, Streller her: Innerhalb von drei Wochen versorgte Basel den heimischen Markt wieder einmal mit unzähligen Geschichten. Die gesamte Palette war erhältlich, pures Entertainment. «Basel ist eine riesige Marke», sagt Topskorer Shkelzen Gashi – und staunt manchmal selber. Sportchef Georg Heitz spürt, «wie gross der Name und die Anziehungskraft inzwischen sind».
Selbst ein Reporter-Team der «BBC World» interessierte sich dafür, wie der Verein tickt, der englische Giganten in den letzten Jahren gleich reihenweise versenkte und nun ernsthaft vorhat, in die Viertelfinals des wichtigsten Klubwettbewerbs vorzustossen.
Von Zeit zu Zeit öffnen die FCB-Entscheidungsträger die Ventile und lassen etwas Druck ab. Dann sagt Heitz zur Relativierung der Ansprüche Sätze wie diese: «Es ist höchstwahrscheinlich schon so, dass der FCB nicht unter die Top 8 gehört. Wir müssen wissen, woher wir kommen und wo wir hingehören.» Die Besonnenheit der Strategen ist der wohl nötige Kontrast zum teilweise überhitzten Geschäft.
Bei allem Rummel steht für den Klub ein Duell an, das im positivsten Fall einem neuerlichen Quantensprung gleichkäme. 1974 stand Rotblau im Meistercup einmal in der Runde der letzten acht – eine Viertelfinal-Qualifikation im hochgerüsteten CL-Wettbewerb wäre zweifellos höher einzuschätzen. «Es wäre ein kleines Wunder», sagt Captain Streller. In erster Linie gelte es aber zunächst einmal, den portugiesischen Ansturm schadlos zu überstehen.
Vielversprechend ist die Konstellation nicht. Das 1:1 ist keine gute Vorgabe für ein Rückspiel im Europacup – zumal Portos Qualität vor eigener Kulisse auch ausserhalb Portugals als aussergewöhnlich gut gilt. Auf Champions-League-Ebene hat die neben Benfica beste Equipe Portugals im eigenen Stadion achtmal in Serie nicht mehr verloren. Und Porto greift auf einen wesentlich grösseren CL-Fundus zurück. Seit dem Triumph 2004 hat der Futebol Clube do Porto siebenmal die Gruppenphase überstanden.
Im Estàdio do Dragão hält sich die Nervosität in Grenzen. Einzig der verletzungsbedingte Ausfall von Jackson Martinez macht den Südeuropäern zu schaffen. Der Kolumbianer, mit einem imposanten Output von 63 Treffern in 84 Spielen der unangefochtene Topstürmer der Primeira Liga, steht wegen muskulären Problemen nicht zur Verfügung. Mit einem offensiven Notstand ist gleichwohl nicht zu rechnen.
Im Angriff demonstrierte Cristian Tello vergleichbare Qualitäten. Die Barça-Leihgabe markierte in den letzten 180 Meisterschaftsminuten vier Treffer – drei davon beim 3:0-Sieg gegen Sporting. Insider gehen davon aus, dass der 23-jährige Kameruner Vincent Aboubakar, in der Regel nur ein überdurchschnittlicher Joker, den teuersten Hoffnungsträger Portos ersetzen wird.
Klar ist, dass Porto nach dem finanziell schwächsten Geschäftsjahr der Klubgeschichte und einem Verlust von 40,7 Millionen Euro mehr denn je auf positive Schlagzeilen angewiesen ist. Nach den kräftigen Investitionen im letzten Sommer würden die über 8000 Teilhaber ein Scheitern gegen den Aussenseiter nicht goutieren. (pre/si)