«Unter dem Trikot ist die Hautfarbe unsichtbar und das wird immer so sein. Rassismus und jede andere Form der Diskriminierung werden wir nie tolerieren.» Wenn es nach dem zehnten der elf Grundwerte der UEFA geht, dann ist die Champions League ein Eldorado der Völkerverständigung.
Die Realität sieht anders aus.
Heute kreuzt der FC Basel im Playoff-Hinspiel um die Königsklasse zum fünften Mal innert zwei Jahren mit dem israelischen Meister Maccabi Tel Aviv die Klingen. Ein Grosskampftag auch für die Social-Media-Abteilung der Bebbi, denn 42,5 Prozent der rund 1,6 Millionen Facebook-Fans stammen aus Ägypten. Nur durch intensive Überwachung der Kommentare und technische Massnahmen kann der Schweizer Meister verhindern, dass sein Internetauftritt beim Spiel gegen einen israelischen Gegner durch Trolle zum Nebenschauplatz des Nahost-Konflikts verkommt.
Im Jahr 2013 haben die Basler diese Lektion beim ersten Duell mit Maccabi auf die harte Tour gelernt. Schon damals hat der FCB dank Mohamed Salah eine massive Fangemeinde aus Ägypten im Rücken. Die Frage, ob der pfeilschnelle Angreifer zum Rückspiel der 3. Qualifikationsrunde zur Champions League nach Israel reisen soll, wird in den Kommentarspalten von Basels Facebook-Seite zum emotional aufgebauschten Politikum. Denn obwohl seit 1979 ein Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel existiert, ist es für viele Ägypter bis heute undenkbar, um ein Visum für den Staat zu ersuchen, den sie als illegal betrachten.
Mohamed Salah entscheidet sich damals trotz des massiven Drucks aus seiner Heimat für die professionelle Variante und reist mit der Mannschaft nach Israel. Die Lage eskaliert jedoch endgültig, als er im Bloomfield-Stadion unter den Schmähgesängen der Heim-Fans zum mitentscheidenden 2:0 für Basel trifft und anschliessend demonstrativ den Boden küsst. Das Foto der Provokation geht um die Welt, Morddrohungen aus Israel und teilweise rassistische Heldenpreisungen mit Holocaust-Bezug aus Ägypten verstopfen den Facebook-Kanal der Basler komplett.
Mohamed Salah hat den FC Basel längst für das hübsche Sümmchen von 20 Millionen Franken verlassen, auch sein Landsmann Ahmed Hamoudi wurde vor zwei Wochen leihweise in die Heimat zum Zamalek SC transferiert. Als Reizfigur für auf Krawall gebürstete Facebook-Querulanten bleibt nun nur der 23-jährige Mittelfeldmann Mohamed Elneny übrig.
Und der FC Basel tut derzeit sein Bestes, um ähnliche Auswüchse wie 2013 zu unterbinden. Remo Meister, Leiter Corporate Communications, erklärt die Bemühungen: «Wir haben uns selbst die Regel auferlegt, dass wir die Postings rund um das Maccabi-Spiel via Facebook-Einstellungen nach demografischen Merkmalen einschränken und zum Beispiel nicht an ägyptische und israelische Fans ausliefern lassen. Wir verzichten so zwar auf viel Reichweite, doch wir wollen für politische Diskussionen keine Plattform bieten. Der Fussball muss jederzeit im Zentrum stehen und wir wollen niemanden bevorzugen oder benachteiligen.»
Gemäss offizieller Aussage hat der FC Basel das Problem dank dieser Massnahme im Griff. Beobachter können jedoch auch dieser Tage regelmässig Kommentare mit rassistischem Inhalt auf der offiziellen Facebook-Seite entdecken. Erst nach einiger Zeit werden diese jeweils wieder gelöscht. Nach FCB-Angaben müssen rund um die beiden Begegnungen gegen Maccabi einige hundert problematische Fan-Beiträge entfernt werden.
Remo Meister erläutert das Problem: «Die technischen Schranken sind nicht zu hundert Prozent zuverlässig. Wir prüfen alle Kommentare manuell und löschen sie wenn nötig. Die Sprachbarriere erschwert die Prüfung zusätzlich, wir haben keine Mitarbeiter mit Hebräisch- oder Arabischkenntnissen im Team.»
Wie gross die Belastung auf diesem heiklen politischen Terrain für das Social-Media-Team wirklich ist, zeigt ein privater Tweet eines FCB-Mitarbeiters nach der Auslosung der Neuauflage des Duells mit Maccabi Anfang August:
Dieser Tweet wurde nach der Anfrage von watson gelöscht. Doch bereits beim Abgang von Mohamed Salah hatte der gleiche Mitarbeiter mit einer ähnlichen Botschaft für Stirnrunzeln gesorgt:
Diesen Aussagen will der FCB-Verantwortliche Remo Meister nicht zu viel Bedeutung beimessen: «Immer wenn ein Thema rund um den FC Basel polarisiert, dann schlägt die Diskussion auf unseren dynamischen Kanälen hohe Wellen. Das kann für unsere Mitarbeiter sehr herausfordernd sein. Dennoch sind wir weiterhin sehr dankbar dafür, dass wir eine derart grosse und treue internationale Fan-Community haben, die zu einem grossen Teil aus Ägypten kommt.»
Vielleicht dürfen die FCB-Spieler heute Abend nach einem starken Auftritt gegen Maccabi Tel Aviv schon von weiteren magischen Nächten in der Königsklasse träumen. Der Social-Media-Abteilung stehen hingegen garantiert noch einige schlaflose Nächte bevor.