Ja gibt's denn so was? Der Ballon d'Or muss wohl der einzige Sportevent der Welt sein, bei dem sogar die Journalisten im edlen Zwirn aufkreuzen müssen. Ich hätte mich ja spontan für ein Robben-Shirt und angenehme Fussball-Hallenschuhe entschieden, aber auf der Einladung der FIFA ist doch tatsächlich ein Dresscode angegeben.
Nun gut, ich will ja nicht so sein – dann werfe ich mich halt in Schale. Aber eins ist für mich klar, wenn ich schon im Anzug da hingehen muss, dann wechsle ich für einen Abend aber auch das Ressort. Denn mit einem Fussballfest und Sport hat diese Modeschau für mich nichts zu tun: Zu viel Champagner und Armani, zu wenig Bier und Umbro.
Wenn schon, denn schon, sage ich mir und beschliesse, für ein paar Stunden in die Welt unseres Panorama-Ressorts einzutauchen und die Abendgarderobe der Nominierten für den Weltfussballer und für die Weltfussballerin zu analysieren.
Darf man(n) zwei Ohrringe tragen, die dazu noch derart «bling-bling» sind, dass selbst Gangster-Braut Missy Elliot vor Neid erblassen würde? «Siiiiiim» würde Cristiano Ronaldo dazu sagen. Zähne-Bleachen, Augenbrauen-Zupfen und Make-Up gehören offenbar auch zu den Sachen, über die sich der Gentleman vor einem Gala-Auftritt Gedanken machen muss. Und ich wäre beinahe in Jeans gekommen!
Marta überzeugt auf dem Roten Teppich vor allem durch ein ausgeklügeltes Verteidigungs-Dispositiv. Allfällige Blicke in den Ausschnitt pariert sie gekonnt, in dem sie die Gefahrenzone einfach mit einem Netz verriegelt. Da sie vor allem auf den Flanken luxuriös ausgestattet ist, kann sie den männlichen Anhang trotz konservativer Abwehr-Strategie dennoch für sich gewinnen. Kluges Köpfchen, diese Marta. Auch wenn sie am Gala-Abend auf den ersten Blick etwas gar blauäugig wirkt.
Manuel Neuer ist bei seiner Wahl der Abendgarderobe etwa so kreativ wie die Offensivabteilung von Borussia Dortmund in der vergangenen Hinrunde. Innovativ, revolutionär und avantgardistisch soll der Deutsche auf dem Fussballplatz unterwegs sein. Doch in Sachen Mode outet sich der Weltmeister an der FIFA-Gala als durch und durch konservativ. Die schlichte schwarze Krawatte vermag einfach nicht zu betören, da hilft auch Neuers lässig-lasziver Schlafzimmerblick nichts.
Wäre das Konter-Spiel von Juventus Turin ein Kleid, dann würde es genau so aussehen, wie der Stoff, der von Kesslers Schultern hängt: Schnörkellos, geradlinig und effizient. Ihre Haare sind ähnlich unorchestriert wie Brasiliens Hintermannschaft beim 1:7 gegen Deutschland, was der Spielerin vom VfL Wolfsburg trotz biederem Kleid einen gewissen «Bad-Girl-Look» verleiht. Diese spezielle Aura – zwischen Mauerblümchen und Hard-Rock-Göre – ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb bei Sepp Blatter die Augen leuchten. Oder liegt es etwa an Kesslers Goldkette und dem goldenen Pokal?
An der WM in Brasilien hätte Messi gar keine Mitspieler gebraucht – er richtete sowieso alles alleine. An der Ballon-d'Or-Verleihung sieht das aber ganz anders aus. Hätte er hier nicht eine fantastische Mitspielerin am Start, dann wäre dem einen oder anderen sicherlich aufgefallen, dass der «Zauberfloh» doch tatsächlich wieder seinen bordeauxroten Anzug vom letzten Jahr aus dem Keller hervorgekramt hat – oder war das ein anderes Rot? So aber bleiben die schönen Augen von Ehefrau Antonella Roccuzzo in Erinnerung. Messi hat uns wieder einmal raffiniert ausgedribbelt.
Am Morgen irgendetwas von Fussball gehört, sich in Match-Montur geworfen und erst vor dem Kongresshaus gemerkt, dass es sich nicht um ein Spiel über 90 Minuten, sondern um eine Fussball-Gala handelt. Schnell in den H&M an der Bahnhofstrasse gefahren und in der Herren-Abteilung das erstbeste Sakko gekauft. In der Kinderabteilung kamen die Hosen dazu, für Socken reichte die Zeit nicht mehr. In den Match-Stulpen auf der Bühne zu stehen, ist sowieso viel authentischer. Und deshalb auch ziemlich cool.
Aber eben: Jeder soll schliesslich das machen, bei dem er sich am wohlsten fühlt. In diesem Sinne: Kann nächstes Jahr bitte jemand vom Panorama-Ressort an den Ballon d'Or gehen?