Die Hoffnung, die technische Radikalkur würde im Teilnehmerfeld wieder für mehr Ausgeglichenheit sorgen, scheint nicht unbegründet zu sein. Der Start in die Formel-1-Saison 2022 jedenfalls brachte einige spektakuläre Überholmanöver, eine dramatische Schlussphase und mit Charles Leclerc einen ungewohnten Sieger. 910 Tage nach Sebastian Vettels Triumph in Singapur stand erstmals wieder ein Fahrer von Ferrari zuoberst auf dem Podest.
Nach zweieinhalb Jahren, geprägt von Frust und Enttäuschung, hatten die Roten aus Maranello endlich wieder einmal allen Grund zum Feiern - und dies gleich doppelt. Denn Carlos Sainz machte auf dem Wüstenrundkurs in Sakhir als Zweiter den Ferrari-Doppelsieg unter Flutlicht perfekt. Der Spanier profitierte kurz vor Schluss von einem Ausfall von Max Verstappen, dem 98 Tage nach dem dramatischen WM-Finale in Abu Dhabi nur die Enttäuschung blieb.
Verstappen wollte unbedingt beweisen, dass er nach der grossen Regel-Revolution nach wie vor die Nummer 1 im Fahrerfeld ist. Beim Start konnte er den aus der Pole-Position losgefahrenen Leclerc zwar noch nicht entscheidend in Bedrängnis bringen, doch gegen Ende des ersten Renndrittels lieferte sich der Niederländer mit dem Monegassen während dreier Runden ein packendes Duell mit nicht weniger als sechs Führungswechseln – ein Vorgeschmack, was die Fans in der bis Ende November dauernden WM-Saison erwarten dürfte.
Nach einem Verbremser nach der Zielgeraden musste Verstappen Leclerc in Runde 19 jedoch ziehen lassen. Erst eine Safety-Car-Phase, ausgelöst durch einen Brand am AlphaTauri von Pierre Gasly, brachte die beiden Konkurrenten (und das ganze Feld) sieben Runden vor Schluss wieder zusammen. Doch aus einer neuerlichen Attacke wurde nichts: Verstappen, der schon über Probleme mit der Lenkung klagte, wurde in der drittletzten Runde auf Position 2 liegend immer langsamer und rollte schliesslich in die Boxen.
Während Leclerc souverän seinem dritten GP-Sieg nach jenen von 2019 in Spa-Francorchamps und Monza entgegen fuhr, erlebte Red Bull im ersten Saisonrennen das komplette Fiasko. Denn in der letzten Runde blieb auch Verstappens Teamkollege Sergio Perez stehen. Laut Helmut Marko, dem Sportdirektor der Roten Bullen, handelte es sich bei beiden Autos um ein Problem mit der Benzinzufuhr.
So stand bei der ersten Siegerehrung des Jahres kein Fahrer von Red Bull, sondern Lewis Hamilton mit dem Ferrari-Duo auf dem Podest. Hinter dem Rekordchampion, der seinen achten WM-Titel anstrebt, folgte sein neuer Mercedes-Teamkollege George Russell. «Heute haben wir das Maximum herausgeholt und sind dankbar für diese Punkte», zeigte sich Hamilton keinesfalls enttäuscht über den Saisonstart.
Beim seit 2014 über weite Strecken dominanten Weltmeister-Team konnte man mit den Rängen 3 und 4 gut leben, angesichts der «fundamentalen Probleme», mit denen man sich derzeit herumschlägt. So jedenfalls begründete Teamchef Toto Wolff den Umstand, dass Mercedes aktuell nur noch die drittstärkste Kraft im Feld ist.
Das Team mit Sitz im britischen Brackley ist zwar bekannt dafür, schnell technische Lösungen zu finden, diesmal scheint dies jedoch nicht von heute auf morgen zu funktionieren. Doch die Zeit drängt. Für Mercedes gilt es, so schnell als möglich die Lücke zu Ferrari und Red Bull zu schliessen. Gelingt dies, könnte sich ein spannender Dreikampf um die WM-Krone entwickeln – ganz nach dem Geschmack der Formel-1-Gemeinde.
Alfa Romeo bringt im ersten Rennen nach der grossen Regel-Revolution beide Autos in die Top 10. Valtteri Bottas als Sechster und Neuling Zhou Guanyu als Zehnter sammeln für den Zürcher Rennstall neun WM-Punkte.
Nach dem Saisonauftakt deutet vieles daraufhin, dass nach zwei schwierigen Jahren wieder bessere Zeiten auf die Hinwiler Equipe zukommen werden. Im Werk im Zürcher Oberland hat man offenbar ein Auto gebaut, das es erlaubt, wieder regelmässig in die Punkteränge zu fahren. Auch der von Ferrari bezogene Antriebsstrang scheint deutlich leistungsstärker zu sein.
Schon am Samstag liess Valtteri Bottas mit Startplatz 6 im Qualifying aufhorchen. Im Rennen büsste der von Mercedes gekommene Finne in der Startrunde zwar gleich acht Positionen ein, kämpfte sich danach aber kontinuierlich wieder nach vorne. Dass er sich am Ende hinter dem verblüffend starken Dänen Kevin Magnussen im Haas als Sechster genau an jener Stelle klassierte, von welcher er in das Rennen gestartet war, war auch den Ausfällen geschuldet.
Davon profitierte letztlich auch Zhou Guanyu. Der von Startplatz 15 losgefahrene Chinese war unmittelbar nach dem Start ganz ans Ende des Feldes zurückgefallen. Doch wie Bottas konnte sich auch der talentierte Asiate im Verlauf des Rennens steigern. Letztlich holte sich Zhou beim Debüt als erster Chinese in der Formel 1 einen WM-Punkt.
Mit den neun Punkten liegt Alfa Romeo in der Konstrukteurs-WM hinter Ferrari, Mercedes und Haas auf Platz 4, bevor es am nächsten Wochenende mit dem Grand Prix von Saudi-Arabien in Dschidda weitergeht. (sda)