Eigentlich sollte Vladimir Petkovics Pressekonferenz am Flughafen Zürich nach der Landung mit dem Swiss-Flug WK2016 aus San Marino nur ein letzter Pflichttermin werden. Eigentlich.
Aber nach zehn intensiven Tagen mit der Mannschaft platzt dem Nati-Trainer beim Resümee völlig unerwartet der Kragen. Nach der bitteren Niederlage in Slowenien und dem glanzlosen 4:0 bei San Marino muss Petkovic plötzlich Dampf ablassen.
Ausgangspunkt ist eine Frage nach seinem persönlichen Befinden. Herrscht Freude und Erleichterung, nachdem Petkovic im dritten Anlauf endlich den ersten Sieg gelandet hat? Vergessen Sie es!
«Nein, ich bin frustriert. Wenn ich den Umgang der Schweizer Öffentlichkeit mit der Mannschaft betrachte, dann bekomme ich Zweifel daran, ob wir alle das gleiche Ziel und die gleiche Ideen haben. Man sollte uns mehr ‹Positivität› entgegenbringen», ledert Petkovic hörbar genervt.
Man ist als Zuhörer verwirrt. Denn dank des neuen Qualifikations-Modus, bei welchem sich auch der Drittplatzierte noch Chancen auf die EM ausrechnen darf, ist die Stimmung eigentlich auch nach der Niederlage in Maribor gemässigt geblieben. Es gab Kritik in verschiedenen Medien, doch das war zu erwarten. Waren es etwa die vereinzelten Pfiffe der mitgereisten Fans in San Marino, welche gestern damit ihrem Unmut über den Leistungsabbau in der zweiten Halbzeit Luft gemacht haben?
Es bleibt unklar, welche Laus Vladimir Petkovic über die Leber gelaufen ist. Er will partout keine Beispiele nennen. Stattdessen setzt er seine Predigt fort: «Wir brauchen euch und ihr braucht uns – wir müssen zusammenstehen. Nur dann können wir nach Frankreich fahren. So, wie es jetzt ist, verlieren wir alle: Die Mannschaft und das ganze Schweizer Volk. Es tut weh, wenn gegen uns gearbeitet wird.»
Sechs Punkte aus den beiden Partien gegen Slowenien und San Marino waren das erklärte Ziel der Nati. Es wurde verfehlt. Trotzdem zieht der Trainer halbwegs zufrieden Bilanz: «Ich habe mehr Positives als Negatives gesehen. Als Problem sehe ich die Chancenauswertung. Wir hatten 19 Schüsse gegen Slowenien und neben den Toren noch 21 Chancen gegen San Marino. Da können wir noch nicht sagen, dass wir jetzt ruhig schlafen werden. Aber das ist ein Prozess, den wir erst angefangen haben. Die Mannschaft hat meine Vorstellungen in der kurzen Zeit gut umgesetzt.»
Als Beleg für diese Aussage hat der Nati-Coach über Nacht extra ein Video mit allen Torchancen zusammenschneiden lassen. Vergebene Liebesmühe, denn es dauert eine halbe Stunde, und niemand unter den Anwesenden hat Zeit, es sich anzusehen.
Die Nationalspieler sind zu diesem Zeitpunkt schon wieder auf dem Weg zu ihren Klubs. Der Trainer schickt ihnen eine Botschaft hinterher: «Sorgen macht mir die Spielpraxis. Das habe ich schon immer gesagt. Ich hoffe, die Spieler kommen dazu, im Verein mehr Minuten zu tanken. Das fehlt noch, um bis zum Schluss druckvoll zu bleiben und erfolgreich zu sein. Man hat es bei beiden Spielen in gewissen Momenten gesehen.»
Es ist eine Ansage, die Petkovic auch schon nach der Auftaktniederlage gegen England gemacht hat. Doch dieses Mal verschärft er sie noch: «Wir haben auch Alternativen und ich will den Konkurrenzkampf erweitern. Das ist auch eine Warnung an diejenigen Spieler, welche derzeit einen Stammplatz haben. Sie müssen sich immer wieder beweisen, auch in ihren Klubs.»
So endet ein mässig erfolgreicher Nati-Zusammenzug ungemütlicher, als er begonnen hat. Es wird spannend zu sehen, ob Vladimir Petkovic beim nächsten Termin rund um das Heimspiel gegen Litauen im November dort weitermacht, wo er heute aufgehört hat – oder ob dann wieder friedlich gekuschelt wird.
ALLEZ SUISSE!!