Die Stimmung ist unglaublich. Tausende von FCB-Fans stehen vor dem verschlossenen St.-Jakob-Park. Auf dem hellbeleuchteten Grün im Inneren kommt das Team zu einem überraschenden Sieg gegen den FC Luzern. Die Fans stimmen ihre Gesänge an, der Inhalt: «Burgener muss weg.»
Bernhard Burgener ist seit Mitte 2017 Mehrheitsaktionär des Traditionsvereins. Er hat ihn auf dem Zenit vom Anwalt Bernhard Heusler übernommen, der zum Glänzen brachte, was die Mäzenin Gigi Oeri zuvor aufgebaut hatte. Vernünftigerweise hätte Burgener der Verlockung widerstanden und sich auf sein eigentliches Geschäft beschränkt.
Doch er ist als Unternehmer gross geworden, indem er sich mehrfach auf Dinge eingelassen hat, von denen er zunächst wenig verstand. Und zudem hatte ihm sein engster Berater, der Anwalt Martin Wagner, dazu geraten. Es ist jedoch alles anders gekommen, und Wagner ist tot.
Burgener, so erzählt er, ist in einfachen Verhältnissen beim alten St.-Jakob-Stadion aufgewachsen. In seiner Jugend spielte er in einer Rockband, war Fan des Fussballklubs. Er organisierte Discos und betrieb eine Videothek, aus der eine Kette wurde. Er verkaufte sie teuer dem Ringier-Konzern und nahm sie zu einem günstigeren Preis zurück, weil der Medienkonzern nichts damit anzufangen wusste.
Burgener will da sein, wenn es ihn braucht. Beim FCB war er im Vorstand, als der Klub in den 1990er-Jahren in den Niederungen der Nationalliga B tummelte. Ihm wird kein Anteil an der Wiederauferstehung des Klubs angerechnet. Etwas zu früh hatte Burgener den Abschied gegeben, weil er sich mit dem neuen starken Mann René C. Jäggi nicht verstand. In der Erzählung ist es einzig der ehemalige Adidas-Manager Jäggi, der den Klub innerhalb von fünf Jahren nach oben gebracht habe. So etwas vergisst Burgener nicht.
Eine tiefe Freundschaft mit Karli Odermatt (79) ist ihm aus dieser Zeit aber geblieben. Die Ikone des FCB der 1970er-Jahre hatte mit Burgener die Klinken bei Basler Gewerbetreibenden geputzt, um dem Klub das Überleben zu ermöglichen. Burgener schaut seither zu Odermatt. Kaum im Amt, machte er ihn zum Verwaltungsrat der FC Basel Holding. Doch ein Kämpe mit Vergangenheit ist nicht unbedingt der gute Berater für die Zukunft.
In Personalfragen hat Burgener kein goldenes Händchen. In seinen Unternehmen ist es zu rüden Abgängen gekommen. Vertrauen hat er in einen kleinen Kreis von Getreuen; sie agieren wie eine Familie. Martin Wagner gehörte dazu. Der Anwalt war ein genialer Problemlöser. Seine Ansätze waren häufig brachial, aber effektiv.
Komplexe Strukturen fanden als Skizze auf einer Papierserviette Platz. Er träumte von einem integrierten Medien- und Unterhaltungskonzern. In der von Burgener geführten Highlight-Gruppe ist Constantin-Film bereits eine Grösse im Film- und Fernsehgeschäft.
Mit Team-Marketing verkauft er mit hoher Rendite die Rechte der Champions League. Mit Sport 1 gehört in Deutschland ein Spartenkanal zum Imperium. Dazu verfolgt Burgener internationale Boxpläne und investiert in Gamer-Projekte.
Auf Wagners gleicher Servietten-Skizze fanden auch die «Basler Zeitung» und der FC Basel Platz. Bei der Zeitung durften sich Wagner kurze Zeit Verleger und Burgener Verwaltungsrat nennen, bevor der Machtkampf mit Christoph Blocher verloren ging. Beim FC Basel konnte Wagner seinem Freund noch zu einem Einstieg raten. Helfen konnte er ihm jedoch nicht. Ein halbes Jahr später wurde er tragischerweise von seinem Nachbarn erschossen.
Burgener versprach bei Amtsantritt, langfristig ein Team aufs Feld zu schicken mit sechs bis acht Basler Spielern, die mehrheitlich im eigenen Nachwuchszentrum ausgebildet worden seien. Das Versprechen klang beinahe zu gut, um wahr zu sein. Es half ihm jedoch, das nach seiner Ansicht viel zu hohe Personalbudget zu kappen. Denn von etwas versteht er viel: von Zahlen.
Wer immer mit Burgener im Gespräch ist, erzählt die gleiche Geschichte. Alle paar Minuten greift er zu Tabellen und Präsentationen. Diese sollen belegen, dass alles durchdacht sei, dass die Zahlen stimmten. Doch die Fans wollen keine durchdachte Strategie, sondern Emotionen. Die Zahl, die sie interessiert, ist der Herzschlag während eines Spiels. Und wenn Burgener sagt, ein zweiter Platz in der Meisterschaft könne wirtschaftlicher sein als der Titel, dann hat er weniger den Titel als vielmehr die Sympathien verspielt.
Burgener manövrierte sich Zug um Zug ins Abseits. Mit Marco Streller, dem einstigen FCB-Stürmer, verlor er nicht nur einen überforderten Sportchef, sondern auch das Bindeglied zur Fankurve. Als komplette Fehlbesetzung entpuppte sich der Ex-Fifa-Mann Jean-Paul Brigger, der ihm den Rücken hätte freihalten sollen. Je einsamer es um ihn wurde, desto stärker rückte Burgener selbst ins Rampenlicht. Doch wenn ihm eines nicht behagt, dann dies. Es ist weder Eitelkeit noch Koketterie, wenn er sagt, dass er es nicht suche.
Im September 2019 verkaufte Burgener zehn Prozent der FCB-Holding an David Degen, ebenfalls einen Ex-FCB-Spieler. Es sollte ein Befreiungsschlag sein. Ein Zeichen, dass er zu teilen bereit sei, dass er auf heimische Spieler setze. Ein weiteres Missverständnis.
Degen ist Spieleragent, der daran verdient, günstige Fussballer aus der südlichen Hemisphäre in der Schweiz für die grossen Ligen der nördlichen Hemisphäre zu akkulturieren. Die Verbindung zwischen dem exaltierten Degen und dem introvertierten Burgener hielt nicht lange. Doch statt sich gütlich zu lösen, verbissen sie sich bis zu einem Drama, das die Region Basel bewegt.
Burgener fürchtet, Degen werde sein Kaufrecht für weitere Aktien wahrnehmen. Degen hätte dann 45 Prozent, Burgener 47 Prozent der Anteile. Das Zünglein an der Waage spielten die Kleinaktionäre mit zusammen 8 Prozent. Degen ist überzeugt, diese auf seiner Seite zu haben.
Deshalb will Burgener seine Anteile nun einer neuen Firma verkaufen, an der er wiederum eine Stimmenmehrheit halte. Degen hat ein Vorkaufsrecht, wenn Burgener verkauft, doch die Hürden sind so hoch, dass er sie kaum wird überspringen können. Damit verliert Degen auch sein Kaufrecht und Burgener gewinnt das alleinige Sagen beim FCB zurück.
Als Unternehmer sah sich Burgener schon mehrfach in die Ecke gedrängt. Aufgeben war dabei nie eine Option. Eher hat er Firmen offshore verschoben, Stiftungen gegründet, juristische Scharmützel entfacht, irgendwo neue Geldgeber gesucht. Und dies meist erfolgreich. Auch jetzt meint er, die Lösung zu haben: Mit der britischen Investmentgesellschaft Centricus stehe ein Partner bereit, der sich um eine «Basler Lösung» bemühe, und bis zu 200 Millionen Franken investieren werde. Eine Wahnsinnssumme.
Die Liebe der Fans wird er damit aber nicht gewinnen. Zu kompliziert, zu undurchsichtig ist, was er ihnen vorschlägt. Aus dem Vereinsvorstand haben sie ihn schon vertrieben, jetzt wollen sie ihn ganz weg. Dabei will Burgener doch alles bloss richtig machen.