Es ist manchmal nicht einfach, als Italiener in einer Schweizer Sportredaktion. Meine werten Arbeitskollegen finden an allen möglichen fussballerischen Wettbewerben – von der U18-Frauen-Afrikameisterschafts-Qualifikation bis zur 5. Schweizer Liga – Interesse, ausser an der Serie A.
Der grosse Hype herrscht vor allem um die Premier League und die Bundesliga. Das sind die «coolen» Ligen – nur sind sie derzeit schlechter als die Serie A, und zwar deutlich.
Die Aussage mag etwas gewagt sein und hängt wohl auch ein wenig mit meiner grün-weiss-roten Italien-Brille zusammen. Aber sie ist wahr – das unterstreichen die Resultate auf internationaler Ebene, welche sich in der UEFA-Fünfjahreswertung widerspiegeln. Und dies ist die einzig mögliche objektive Messgrösse für die Stärke der einzelnen Ligen.
Ob die Serie A eine attraktive Liga ist, sei dahingestellt. Zuschauer- und atmosphäretechnisch können viele Teams in Italien wohl nicht ganz mit der internationalen Konkurrenz mithalten. Zudem hat die Serie A ein ernstes Rassismus-Problem. Doch das ist ein anderes Bier.
Rein auf das fussballerische Niveau reduziert, befindet sich die Serie A auf der Überholspur. In dieser Saison hat sie dank guten Resultaten in Champions- und Europa League klar mehr Punkte als die englische und deutsche Konkurrenz geholt. Einzig Spanien hat in dieser Saison knapp mehr Zähler gesammelt als Italien – die Spanier sind jedoch auch eine Klasse für sich und das wird wohl auch noch einige Jahre so bleiben.
Lange ist es her, seit die Italiener in der Champions League dominiert haben. 2003 waren drei von vier Halbfinalisten Italiener (Final: Milan – Juventus). In diesem Jahr schafften es gerade mal zwei Teams in die Gruppen- und eins in die K.O.-Phase. Da steht Juventus aber immerhin in den Halbfinals – als erstes italienisches Team seit dem Titelgewinn von Inter 2010.
Klar hat Juventus bisher keinen ganz harten Brocken zugelost bekommen, trotzdem hat die «Vecchia Signora» in den letzten sechs Champions-League-Partien nur ein mickriges Gegentor kassiert und unter anderem Dortmund in seine Einzelteile zerlegt. Dennoch ist man sich jetzt weitgehend sicher: Juventus ist nur ein Halbfinal-Opfer der grossen Haie im Champions-League-Becken – wir werden es noch sehen.
Enorm viele Punkte für die Fünfjahreswertung holten die italienischen Mannschaften in der Europa League. Mit Napoli und Fiorentina sind immer noch zwei Teams in den Halbfinals vertreten. Damit sind in Europa von acht verbleibenden Teams drei aus Italien und drei aus Spanien sowie eine deutsche und eine ukrainische Mannschaft dabei.
«Wen interessiert schon die Europa League?» Es ist eine Aussage, wie diejenige eurer Freundinnen, die sagen, sie schauen schon Fussball – also einfach die WM! Wer sich intensiv mit Fussball beschäftigt, der verfolgt und beachtet auch die Europa League.
Nicht gut, 2 Italiener im Halbfinale. 5 Jahreswertung. Obwohl es eigentlich absurd ist, die Buli ist wesentlich stärker als die Serie A!
— Daniel #DankeKloppo (@DschlegelS) 23. April 2015
Und wer sich dann tatsächlich mal die zweite Garde der Ligen ansieht, merkt schnell, dass es auch beim kleinen Bruder der Champions League attraktive Begegnungen gibt und die Italiener gar nicht so schlecht sind: Die Fiorentina (6. Platz in der Serie A) hat Tottenham bereits im Achtelfinale locker rausgekegelt.
Napoli (4. Platz in der Serie A) hat den VfL Wolfsburg, den neuen Liebling am deutschen Fussballhimmel, sogar deklassiert. Da muss ich schon schmunzeln, wenn meine Kollegen auf der Sportredaktion Spieler wie Kevin de Bruyne oder Ricardo Rodriguez in ihre fiktive Weltauswahl stellen. Die massive Überschätzung der Bundesliga lässt grüssen.
Deutschland hat mit dem FC Bayern München eine der drei ganz grossen Mannschaften Europas, welche auch jährlich fleissig Punkte für die Fünfjahreswertung sammelt. Und dann? Ausser der Ausnahmesaison von Dortmund 2012/13, haben die deutschen Teams nie wirklich etwas gerissen.
Wir dürfen uns auf die Auftritte von Mannschaften wie Mönchengladbach und Wolfsburg in der nächsten Champions-League-Saison freuen. Das ist vor allem aus Schweizer Sicht eine tolle Sache. Aber ob man sich mit diesen Mannschaften tatsächlich auf höchster internationaler Ebene durchsetzen kann?
England hat einige «Topteams», viele überteuerte Spieler und eine ausgeglichene Liga. Aber vor allem etwas: Eine sensationelle Vermarktung, weshalb die Liga besser wirkt, als sie tatsächlich ist. Zugegeben, auch ich gönne mir meinen wöchentlichen «Match-of-the-Day»-Rückblick der Premier League. Da ist ganz viel Spektakel zu sehen, taktisch und vor allem defensiv ist das jedoch oftmals Stückwerk.
Das kann man bestreiten, muss man aber nicht. An der Tatsache, dass Liverpool peinlich an Basel gescheitert ist (bei allem Respekt für die Leistung des FCB), Chelsea gegen PSG über zwei Spiele den Fussball verweigert hat und Arsenal gegen das vermeintlich kleine Monaco ausgeschieden ist, ändert es nichts. Das hat Gründe – andere als Pech, schwere Gegner oder Zufall. Die Premier-League-Fanatiker werden es bestreiten.
So wie sich die UEFA-Fünfjahreswertung entwickelt, hat Italien in ein bis zwei Jahren den vierten Startplatz in den Champions League zurückerobert – wahrscheinlich auf Kosten von England. Sollte Fiorentina oder Napoli dieses Jahr die Europa League gewinnen, gibt es auf die Saison 2014/15 bereits einen zusätzlichen Platz in der Königsklasse.
Wer sich intensiv mit Fussball auseinandersetzt, der weiss, dass die Serie A besser ist als ihr Ruf. Wer sich hingegen seine Meinung anhand von Marktwerten oder der Spielerstärke in FIFA 15 bildet, darf gerne Ignorant bleiben.
Zudem: Bezüglich Attraktivität ist die italienische Liga doch sehr schwach geworden, da schafft es z.B. Napoli gegen Wolfsburg auch nicht im Ansatz, ein Stadion zu füllen.
Also ich glaube, die italieinische Liga ist stark, stärker als viele meinen, aber nicht so stark, wie der Autor dies hier suggeriert.
Man beachte zudem das relativ schwache Abschneiden der AS Roma in der CL/EL dieses Jahr.
Aber ob das zur "besten Liga" reicht? Attraktiver oder nicht attraktiver Fussball ist halt das, was die Fans sehen und damit wohl auch die Ligen vergleichen. Da kann Italien halt noch nicht mithalten.